Düsseldorf (pte011/05.07.2017/10:30) – Um für mehr Chancengleichheit in der Gesellschaft zu sorgen, sollte die Politik über eine grundlegende Reform des deutschen Erbschaftsrechts nachdenken. Mit diesem Appell richten sich Experten der Hans-Böckler-Stiftung http://boeckler.de an den Gesetzgeber. Sie haben in einer geförderten Studie ermitteln lassen, dass deutschlandweit bis 2027 gut ein Viertel mehr vererbt und verschenkt wird als bislang vermutet – insgesamt dürfte das Erbvolumen um knapp ein Drittel (28 Prozent) mehr, rund 400 Mrd. Euro pro Jahr, betragen.
Über 70-Jährige im Fokus
Die Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung haben nicht nur auf den aktuellen Vermögensbestand geschaut, sondern erstmalig eingerechnet, wie sich Wertsteigerungen und regelmäßiges Sparen in den kommenden Jahren auf die möglichen Erbschaften auswirken. Die Datengrundlagen bilden das Sozio-oekonomische Panel mit dem Erhebungsjahr 2012 und die Sterbetafeln 2010/2012 des Statistischen Bundesamtes.
Personen ab 70 Jahren wurden analysiert, da ab diesem Alter die Sterbewahrscheinlichkeit deutlich zunimmt. Das Vermögen, das die über 70-Jährigen voraussichtlich bis 2027 vererben werden, beträgt aktuell 1,3 Bio. Euro. Doch diese Augenblicksbetrachtung ist zu statisch, weil sie die Vermögensentwicklung bis zum Eintritt des Erbfalles ausblendet, so die Forscher. Unter der Annahme, dass die Menschen in ihrer noch verbleibenden Lebenszeit weiter so sparen wie zuvor, erhöht sich das Vermögen der Studie zufolge bis 2027 auf 1,46 Bio. Euro.
Derzeit hohe Freibeträge
Die Experten haben eine Wertsteigerung von jährlich zwei Prozent angenommen. Damit wächst das Vermögen auf 1,68 Bio. Euro. Dabei gilt: Je höher das verfügbare Haushaltseinkommen, desto höher sind der durchschnittliche Sparbetrag und das sich daraus ergebende Vermögen. Zudem fallen Wertsteigerungen eher bei Aktien, Betriebsvermögen, Sammlungen oder Immobilien an. Diese befinden sich vorwiegend im Besitz von wohlhabenden Personen. Wer also bereits über ein großes Vermögen verfügt, kann mit größeren Zuwächsen rechnen.
Die im Einzelnen zu erwartenden Erbschaften betragen laut der Studie im Schnitt rund 171.000 Euro (Median: 79.500 Euro) – im obersten Fünftel der Verteilung sind es gut 372.000 Euro (Median: 248.330 Euro), im untersten Fünftel knapp 68.000 Euro (12.000 Euro). Ob sich aus dem steigenden Erbvolumen deutlich höhere Steuereinnahmen ergeben, ist fraglich. Die Mehrzahl der Erbschaften kann aufgrund hoher Freibeträge steuerfrei übertragen werden.
Das gilt auch für sehr große Vermögen, die als Betriebsvermögen weitgehend steuerfrei bleiben. Die Forscher mahnen daher: „Die Politik sollte diese Praxis im Sinne der Chancengleichheit überdenken. Zudem sollten Erbschaften und Schenkungen statistisch besser erfasst werden. Einbezogen werden sollten sämtliche Fälle, auch wenn es zu keiner Steuerveranlagung kommt“, schreiben die Fachleute als Schlussfolgerung ihrer Untersuchung.
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