Der Strompreis ist ein Konglomerat aus unterschiedlichen Komponenten. Diese erfordern einen Balanceakt zwischen Börse, Oligopol, Klima- und Umweltpolitik sowie neuerdings einer klugen Sozialpolitik. In diesem Beitrag finden sie eine einfache Erklärung zu der Strompreis Zusammensetzung.
Im Herbst 2021 begann die Insolvenzserie einiger Stromanbieter. Viele hatten sich schlicht verkalkuliert, als sie kurzfristig Strom am Markt einkaufen mussten, aber mit den Kunden langfristige Verträge geschlossen hatten. Als an der Strombörse die Einkaufspreise explodierten, ging die Rechnung nicht mehr auf.
Inhalt
Die Preisbildung an den Energiemärkten
Insbesondere die Preiskomponente Beschaffung und Vertrieb war zuletzt einer der wesentlichen Treiber für den Strompreis der privaten Haushalte. Gehandelt wird der Strom an der größten kontinentaleuropäischen Strombörse in Leipzig EEX (European Energy Exchange) in Form von zeitlich begrenzten Megawattstunden. Teilnehmer sind unter anderem Energieversorgungsunternehmen, Stromhändler, Industrieunternehmen – mit sehr hohem Stromverbrauch – sowie Banken und Fonds.
Auf dem Terminmarkt (Futures) wird Strom langfristig zu festen Preisen ge- und verkauft. Standardprodukte sind Baseload- und Peakload-Produkte. Baseload deckt die Grundlast rund um die Uhr ab, Peakload die Spitzenlastzeiten.
Ein Großteil der Transaktionen erfolgt allerdings im außerbörslichen OTC-Handel direkt oder über einen Broker. Für das Feintuning kommt der Spotmarkt der EEX Group in Paris ins Spiel. Dort wird der Strom noch für den laufenden (Intraday-Markt) oder den Folgetag (Day-Ahead-Markt) eingekauft. Als Merit-Order wird die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke bezeichnet, die durch die Grenzkosten (variablen Kosten) der Stromerzeugung bestimmt wird. Zuerst werden zur Nachfragedeckung die günstigsten Kraftwerke zugeschaltet. Das sind insbesondere die erneuerbaren Energien mit Grenzkosten von nahezu null. Danach folgen in der Regel Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke. Das zuletzt zugeschaltete Kraftwerk hat somit die höchsten Grenzkosten – und es bestimmt den Börsenpreis.
Allerdings ist die Stromerzeugung der erneuerbaren Energien abhängig vom Wetter sowie der Jahres- und der Tageszeit. Als im Frühjahr 2021 Gaskraftwerke das Stromnetz witterungsbedingt stabilisieren mussten, leerten sich die Gasspeicher. Hinzu kamen eine ungewöhnlich lange Heizperiode sowie geringere Gaslieferungen aus Russland. Die Gaspreise erklommen deshalb zum Jahresende Rekordhöhen. Bereits länger eingepreist ist dagegen der Beschluss, dass Ende 2022 die letzten Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen.
Kostenkomponenten der Netzinfrastruktur
Damit die Stromanbieter ihren Strom an die Verbraucher liefern können, benötigen sie Stromnetze. Der Strompreis in Deutschland enthält daher das Netzentgelt inkl. Messung und Messstellenbetrieb der Übertragungsnetzbetreiber. Hinzu kommen die Verteilnetzbetreiber vor Ort. Die Bundesnetzagentur prüft deshalb unter anderem die Kosten der Netzbetreiber.
Stromintensive und atypische Unternehmen können beantragen, geringere Netzentgelte zu zahlen. Mit der § 19 StromNEV-Umlage wird die Entlastung dieser Unternehmen von den Netzentgelten finanziert. Sie fließt in den Strompreis ein.
Die Netzbetreiber müssen ihrerseits eine Konzessionsabgabe an Städte und Gemeinden zahlen, damit sie Stromleitungen unter oder über den öffentlichen Straßen und Wegen verlegen dürfen. Sie ist ebenfalls Bestandteil des Strompreises.
Die Offshore-Netzumlage ist in Form eines Aufschlags auf die Netzentgelte eine weitere Preiskomponente. Die Umlage wurde wegen möglicher Entschädigungszahlungen an Betreiber von Offshore-Windparks eingeführt, die für den verspäteten Anschluss an das Übertragungsnetz an Land oder wegen lang andauernder Netzunterbrechungen zu zahlen sind. Seit 2019 enthält die Umlage auch die Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Anbindungsleitungen, die seitdem nicht mehr in den Netzentgelten enthalten sind.
Das europäische Verbundnetz schwingt immer mit der gleichen Frequenz. Wird mehr Strom verbraucht als eingespeist, sinkt die Frequenz und umgekehrt. Weicht die Netzfrequenz zu stark von ihrem Sollwert ab, kann es zu Schäden oder Stromausfällen kommen. Abschaltbare Lasten ermöglichen es den Übertragungsnetzbetreibern, die Übertragungsnetze zu stabilisieren. Industriebetriebe verzichten dann beispielsweise für eine bestimmte Zeit auf Strom, wenn im Stromnetz nicht genügend zur Verfügung steht. Die Unternehmen, welche diese Abschaltleistung anbieten, erhalten dafür eine Vergütung. Mit der Umlage für abschaltbare Lasten wird diese Zahlung Bestandteil des Strompreises.
Die Umlage nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz wird ebenfalls auf die Netzentgelte aufgeschlagen. Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen werden wegen ihrer Effizienz gefördert. Sie produzieren neben Strom auch Wärme, die verwertet werden kann und somit nicht als Abwärme verloren geht.
EEG-Umlage und Steuern
Um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu fördern, wurde im Jahr 2000 die EEG-Umlage eingeführt, die zu den größeren staatlichen Preisbestandteilen des Stroms zählt. Den Betreibern entsprechender Anlagen vergütet der Staat einen auf 20 Jahre festgelegten Preis pro eingespeister Kilowattstunde. Die EEG-Umlage gleicht die Differenz zwischen den garantierten Vergütungen und den an der Strombörse erzielten Erlösen aus. Nach 20 Jahren reduziert sich die Einspeisevergütung und ist dann u. a. abhängig vom Börsenstrompreis.
Kurz nach Einführung der EEG-Umlage wurde beispielsweise für kleine Fotovoltaikanlagen eine Einspeisungsvergütung von fast 60 Cent pro Kilowattstunde garantiert. Mittlerweile ist sie auf unter 7 Cent gesunken. Ab einer Anlagengröße von 100 Kilowatt ist die Direktvermarktung des Solarstroms ohnehin verpflichtend. Der Strom unterliegt zudem der in der EU harmonisierten Verbrauchsteuer, der Stromsteuer, die zurzeit 2,05 Cent pro kWh beträgt. Sie ist umwelt- und klimapolitisch motiviert, ihr Steueraufkommen wurde aber teilweise zur Senkung der Beitragssätze für die gesetzliche Rentenversicherung genutzt. § 9 Stromsteuergesetz (StromStG) regelt hierfür zahlreiche Steuerermäßigungen und -befreiungen.
Schließlich kommt mit der Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % eine weitere Verbrauchsteuer hinzu, die auch auf die anderen staatlich veranlassten Preisbestandteile erhoben wird. Bislang bildeten die Energiepreise dennoch nicht alle Kosten – Stichwort Klimaschäden – ab. Daher werden die Kosten auf dem Weg zur Dekarbonisierung zunächst vermutlich weiter steigen. Vor allem Haushalte mit geringem Einkommen bringt dies an die Belastungsgrenze. Deshalb erwägt die Regierung, die Abschaffung der EEG-Umlage vorzuziehen. Diese war ursprünglich zum Jahreswechsel 2022/23 geplant. Gegenfinanziert werden soll das aus den Einnahmen des Emissionshandels.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen AnlegerPlus-Ausgabe 3/2022.
Foto: © unsplash.com