Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Zinsen auf Steuernachforderungen und -erstattungen als verfassungswidrig eingestuft hatte, hat der Gesetzgeber nun ein Gesetz auf den Weg gebracht. Damit würde der Zinssatz für die nächsten Jahre deutlich sinken – jedoch nicht für alle Steuerzinsen.
Immer wieder landeten Klagen zur Höhe der Zinsen, die auf Steuernachzahlungen erhoben wurden, vor den Finanzgerichten – lange Zeit ohne Erfolg. 2018 hat der Bundesfinanzhof (BFH) schließlich schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel geäußert, da aufgrund der dauerhaften Niedrigzinsphase der hohe Zinssatz seit 2015 nicht mehr sachlich gerechtfertigt sei.
Zinsen werden vom Fiskus auf Steuernachzahlungen oder -erstattungen nach § 233 a AO (Abgabenordnung) bei der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer erhoben. Ihre Aufgabe ist es, Liquiditätsvorteile auszugleichen. Der Zinssatz zur Berechnung wurde bereits 1961 festgelegt und betrug seitdem unverändert 0,5 % pro Monat – also 6 % im Jahr (§ 238 AO).
Da tröstet es kaum, dass der effektive Zins darunterliegt. Dieser wird erst nach einer Karenzzeit von 15 Monaten (zinsfreie Karenzzeiten wurden aufgrund der Pandemie zeitlich befristet verlängert) nach Ende des Steuerjahres, für das die Steuer erhoben wird, fällig. Angefangene Monate bleiben bei der Zinsberechnung ebenfalls unberücksichtigt.
Inhalt
- Steuerzins verursachte teilweise sechsstellige Zinsbeträge
- So wird der neue Steuerzins berechnet
- Vorsicht: Zins ist nicht gleich Zins
Steuerzins verursachte teilweise sechsstellige Zinsbeträge
Vor allem bei sich über längere Zeiträume erstreckenden Streitigkeiten können die Nachzahlungszinsen wertmäßig bis zu 50 % des ursprünglichen Steuerbetrags ausmachen. In nicht wenigen Fällen war die Zinsbelastung letztlich sogar höher als die nachzuzahlende Steuer.
Vor allem für Unternehmen können leicht sechsstellige Zinsbeträge fällig werden, da sie oft mit Steuernachforderungen im Rahmen der Betriebsprüfung rechnen müssen. Und die Prüfungszeiträume reichen dann fünf oder mehr Jahre zurück. Manchmal verschieben sich dabei nur Gewinne und Verluste zwischen aufeinanderfolgenden Veranlagungszeiträumen. Die Nachzahlungszinsen sind jedoch seit 1999 auf Personensteuern nicht mehr steuerlich abzugsfähig, während die Erstattungszinsen – abgesehen von einigen Ausnahmefällen – vollständig steuerpflichtig sind.
Zwei Firmen, deren Gewerbesteuer nach einer Steuerprüfung nach oben korrigiert worden war, hatten daher vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. In ihrem Urteil vom 8.7.2021 kamen die Verfassungsrichter zu dem Ergebnis, dass der aktuelle Zinssatz auf Steuernachzahlungen nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar und damit verfassungswidrig ist. Denn durch die derzeitige Regelung werden zinszahlungspflichtige Steuerschuldner gegenüber nicht zinszahlungspflichtigen Steuerschuldnern ab dem Verzinsungszeitraum 2014 ungleich behandelt. Im Gegensatz zu Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit endgültig festgesetzt wird, müssen Steuerpflichtige, deren Steuer erst danach festgesetzt wird, Zinsen zahlen.
Das Urteil erstreckt sich auch auf die Erstattungszinsen, deren Aufkommen allerdings im Vergleich zu den Nachzahlungszinsen vor 2018 deutlich geringer ausfiel. Sie wurden ebenfalls als verfassungswidrig eingestuft. Um den Staatshaushalt keinen allzu großen Unsicherheiten auszusetzen, werden aber nur Bescheide ab 2019 korrigiert.
So wird der neue Steuerzins berechnet
Bis zum 31.7.2022 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine Neuregelung zu treffen, die dann ab den Verzinsungszeiträumen 2019 für alle noch nicht bestandskräftigen Steuerbescheide gilt. Im Hinblick auf das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wies das Bundesfinanzministerium schon im Mai 2019 an, dass alle erstmaligen und – unter gewissen Modifikationen – geänderten oder berichtigten Zinsfestsetzungen nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig sind. Die im Bezug auf die Gewerbesteuer hebeberechtigten Gemeinden sind zwar nicht an den Erlass gebunden, viele haben aber Nachzahlungszinsen entsprechend vorläufig festgesetzt.
Als Reaktion auf das Urteil aus Karlsruhe wurde im September 2021 die erstmalige Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, die Zinszeiträume ab 2019 betreffen, schließlich ausgesetzt, solange noch kein neuer Zinssatz geregelt war. Das Finanzamt muss nun die Zinsen rückwirkend ab 2019 neu berechnen. Es werden somit zu viel gezahlte Zinsen bei Steuernachzahlungen zurückerstattet. Erhielt hingegen der Steuerpflichtige bei Steuererstattungen zu hohe Zinsen, kann es möglicherweise zu einer Rückzahlung kommen. Die Bundesregierung beabsichtigt jedenfalls, dem Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, der einer Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen entgegensteht, Rechnung zu tragen.
Das Kabinett strebt inzwischen einen Zinssatz für die Nachzahlungs- und Erstattungszinsen in Höhe von 0,15 % pro Monat und somit 1,8 % für ein volles Jahr ab 2019 an. Er orientiert sich am aktuellen Basiszinssatz nach § 247 BGB von 0,88 % pro Jahr plus einem Zuschlag und bildet einen Mittelwert zwischen Guthaben- und Verzugszinsen.
Es ist außerdem geplant, den Zinssatz unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes alle drei Jahre zu überprüfen – zum ersten Mal am 1.1.2026. Dies kann aber auch schon zu einem früheren Zeitpunkt geschehen, falls sich der Basiszinssatz erheblich ändern sollte. Eine Anpassung des Zinssatzes soll ansonsten nur erfolgen, wenn sich der Basiszinssatz seit dem Zeitpunkt der letzten Festlegung um mehr als einen Prozentpunkt geändert hat.
Vorsicht: Zins ist nicht gleich Zins
Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass sich sein Urteil nicht auf andere Zinsen – wie Stundungs-, Aussetzungs- und Hinterziehungszinsen – erstreckt. Hintergrund ist, dass der Fiskus auch für die Dauer einer Stundung einer Steuerforderung nach § 234 Abs. 1 Satz 1 AO Zinsen erhebt. Auf sie kann jedoch ganz oder teilweise verzichtet werden. Zinsen bei Aussetzung der Vollziehung nach § 237 AO sind beispielsweise zu zahlen, wenn ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg hat. Der strittige Betrag ist dann ebenso zu verzinsen. In diesen beiden Fällen würde sich der Steuerpflichtige bewusst für die Stundung beziehungsweise die Aussetzung der Vollziehung entscheiden – so die Begründung des BFH.
Auch hinsichtlich der Hinterziehungszinsen nach § 235 AO hat es der Steuerhinterzieher in der Hand, ob die Zinsen überhaupt anfallen. Nachzahlungszinsen nach § 233 a AO, die für denselben Zeitraum festgesetzt wurden, werden im Übrigen bei den Hinterziehungszinsen angerechnet. Im Gegensatz dazu hängt die Belastung mit den Nachzahlungszinsen oft vom Zufall – wie etwa der Dauer einer Außenprüfung oder der Arbeitsbelastung des Finanzamts – ab und liegt somit weitgehend nicht in der Hand des Steuerpflichtigen. Der Zinssatz für Stundungs-, Aussetzungs-, und Hinterziehungszinsen wird daher nicht angepasst.
Mit 1 % für jeden angefangenen Monat ist der Säumniszuschlag nach § 240 AO sogar doppelt so hoch. Diesen berechnet der Fiskus, wenn eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt wird. Das Finanzgericht Münster äußerte Ende 2021 dazu verfassungsrechtliche Zweifel. Der Fall liegt dem BFH zur Entscheidung vor.
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