Besser als Bürokratie: Ermutigung mit klaren Marktsignalen

Bürokratie Deutschland

Von Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen

Beim Standortfaktor Regulierung schneidet Deutschland schlecht ab. Mehr Anreize über Marktmechanismen anstelle staatlicher Eingriffe würden die Akzeptanz erhöhen – und die Kosten senken.

Selbstverständlich wissen die Familienunternehmen bei aller Kritik: Deutschland als Standort hat auch gute Seiten. Und: Staatliche Regulierung ist nicht nur ein Übel, sondern in vielen Fällen notwendig.

Es gilt abzuwägen: Ein Standort mit hohen Kosten wie Deutschland kann durchaus attraktiv bleiben, wenn der Staat die richtigen Rahmenbedingungen setzt. 

Somit ist eine Einschätzung wichtig, ob einem hohem Bürokratieaufwand eine entsprechend gute Performance des Standorts Deutschland gegenübersteht. Doch die traurige Realität ist: Der deutsche Standort kann diesen Beweis immer weniger erbringen. 

Das zeigte erst kürzlich unsere Analyse „Effizienz und Regulierung: Bürokratielasten im internationalen Vergleich“, verfasst vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

Geringe Effizienz öffentlicher Ausgaben 

Die Diagnose der Forscher für Deutschland: hohe öffentliche Ausgaben bei gleichzeitig geringer Effizienz. Der Bürokratieaufwand stehe verglichen mit den übrigen OECD-Staaten in einem schlechten Verhältnis zur Standortqualität.

Weitere Feststellungen: Die Regulierungsintensität ist hoch und konterkariert zum Beispiel beim Thema Handel das Geschäftsmodell der außenhandelsorientierten deutschen Volkswirtschaft. 37 Stunden erfordert die Abwicklung eines Standard-Exportgeschäfts in Deutschland; damit liegt der Standort auf dem vorletzten Platz. 

Bei der Digitalisierung weit abgeschlagen

Auch beim Versuch, öffentliche Leistungen vermehrt auf digitalem Wege zu erbringen, ist Deutschland weit abgeschlagen. Nur 5 % der Unternehmen können mehr als 80 % ihrer bürokratischen Anforderungen digital erledigen. Das zeigt unsere neueste Umfrage mit dem ifo-Institut zum Thema „Bürokratie als Wachstumsbremse“. Dabei schafft es etwa Österreich durch digitale Plattformen sehr gut, Regulierungslasten für Unternehmen zu senken.

Die ZEW-Forscher haben besonderes Augenmerk auf die Klimapolitik gelegt. Deutschland hat hier einen stark regulativen Ansatz gewählt, der die Freiheit der Unternehmen gravierend einengt. Das kann der Grund für den Pessimismus sein, mit dem die Wirtschaftsakteure hierzulande der Klimapolitik entgegentreten. 

Die vollständige Dekarbonisierung sehen sie als Risiko. Anders in skandinavischen Ländern, die einen marktbasierten Ansatz verfolgten und den CO2-Preismechanismus nutzen: Hier zeigen die Unternehmen mehr Optimismus und Akzeptanz. 

Die erwähnte Umfrage mit dem ifo-Institut hat gezeigt: Die deutschen Familienunternehmen leiden unter der wachsenden Regulierungslast. Sie kostet nicht nur Zeit, Geld und Nerven, sondern beeinflusst zunehmend die Unternehmensstrategie. 

Die Hälfte der Familienunternehmen hat in den letzten zwei Jahren Investitionen aufgrund von bürokratischen Hemmnissen zurückgestellt. 40 % fürchten, dies in den nächsten zwei Jahren tun zu müssen. Die Verlagerung von Unternehmensteilen oder gar des ganzen Unternehmens ins Ausland ist gerade für große Familienunternehmen teils eine reale Option: 43 % planen dies. 

Was ist zu tun? Die Familienunternehmen fordern in unseren Umfragen immer wieder Offensichtliches: einen Praxischeck vor Einführung neuer Regulierungen, eine Beschleunigung der Verfahren, den Ausbau der Digitalisierung und die Beschränkung auf wesentliche Angaben.

Letzteres gilt zum Beispiel bei den umfangreichen Berichtspflichten. Vor allem das Lieferkettengesetz (ob national oder auf EU-Ebene) belastet sie über Gebühr und sollte dringend überarbeitet werden. Die Vorgabe, Tausende von Lieferanten in entfernten Ländern perfekt zu beobachten, kann man nur als lebensfremd bezeichnen.

Preissignale als Stärke der Marktwirtschaft 

Auch der wissenschaftliche Beirat unserer Stiftung fordert: Staatliche Eingriffe müssen mit marktwirtschaftlichen Prozessen verbunden werden. Sonst droht aus staatlicher Regulierung Dirigismus zu werden. 

Man sollte in der Politik wieder zu einem Konzept zurückkehren, das auf Eigenverantwortung setzt und individuelle Freiheiten schützt. Verantwortliches Unternehmertum wird vor allem dann unmöglich, wenn sich wirtschaftliches Handeln ständig an abstrakten moralischen Kategorien messen lassen muss. Preissignale sind die große Stärke der Marktwirtschaft. 

Meine Abwägung endet so: Familienunternehmen in Deutschland bewegen sich in einem immer dichter werdenden Netz von Regeln zur Verhaltenssteuerung. Das führt zum Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Das hemmt Wachstum und Investitionen und erzeugt Zorn.

Der gesellschaftliche Konsens, den wir eigentlich brauchen, um die Zukunftsaufgaben zu bewältigen, geht so verloren. Die Politik sollte die Unternehmen mit klaren Marktsignalen ermutigen und nicht mit Bürokratie frustrieren.

Zum Autor

Prof. Rainer Kirchdörfer, Jahrgang 1958, ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Vorsitzender ihres wissenschaftlichen Beirats. Er ist Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart sowie Honorarprofessor an der privaten Universität Witten-Herdecke.

Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

Foto: © Stiftung Familienunternehmen

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