Börse: Die Goldi-Locks-Zeiten sind vorerst vorbei

Börse Goldi-Locks
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Von Marco Herrmann, Chief Investment Officer, Fiduka Vermögensverwaltung

Sachwerte wie Aktien bieten Schutz vor Inflation und Anleihen sind der ausgleichende Faktor im Depot? Das Jahr 2022 stellt Gewohntes auf den Prüfstand.  

Aktieninvestoren sind Kursschwankungen, wie sie aktuell zu beobachten sind, gewohnt – scharfe Korrekturen an der Börse mit Verlusten von 20–30 % sind leider keine Seltenheit. Doch seit Ende der 1980er-Jahre, als Alan Greenspan den Chefsessel bei der US-amerikanischen Notenbank Fed übernahm, konnten sich die Investoren der Unterstützung der Geldpolitik in schwierigen Phasen sicher sein. Krise um Krise, ob LTCM, TMT-Blase, die globale Finanzkrise oder zuletzt Corona, stets standen die Notenbanker zur Seite, um die Finanzmärkte zu stabilisieren – der sogenannte Fed-Put. „Buy the dip“, also jeden Kursrückschlag für Zukäufe zu nutzen, war die Garantie für schnelle Gewinne. 

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Über die Zeit prägte sich auch der Begriff „Goldi-Locks“. Dahinter verbirgt sich ein sehr vorteilhaftes Kapitalmarktumfeld mit moderatem Wirtschaftswachstum, geringer Inflation und niedrigen Zinsen. Gerade die aufgrund der Globalisierung und hohem Produktivitätswachstum sinkenden Inflationsraten haben es den Notenbankern ermöglicht, die Finanzmärkte bei Bedarf mit immer mehr Liquidität zu fluten. Entsprechend konnten Investoren trotz der vielen Krisen in den letzten 30–40 Jahren mit Aktien und Anleihen üppige Renditen einfahren. Damit ist nun aber vorerst Schluss, denn den Währungshütern droht die Geldentwertung außer Kontrolle zu geraten, wenn sie jetzt nicht beherzt gegensteuern.

Anstatt wie früher quasi als Feuerwehr mit Liquidität das Feuer an den Finanzmärkten zu löschen, wirken die Notenbanker mit ihrer restriktiveren Geldpolitik derzeit eher wie ein Brandbeschleuniger. So erlebten Kapitalanleger bislang ein rabenschwarzes Jahr – das erste Halbjahr war an den Aktienmärkten das schlechteste seit 50 Jahren. 

Dramatischer zeigt sich jedoch das Performance-Tableau bei Anleihen. Selbst in den 1970er-Jahren mit den massiven Leitzinserhöhungen schnitten Anleihen auf Jahressicht meist (nominal) im Plus ab. Zweistellig prozentuale Kursverluste, wie wir sie heute bei langlaufenden Staatsanleihen und insbesondere bei Unternehmensanleihen haben, suchen ihresgleichen.

All das ist jedoch kein Grund für Anleger, den Kopf in den Sand zu stecken oder in Schockstarre zu verweilen. In jeder Krise steckt auch eine Chance. Auf dem jetzigen Niveau sind beispielsweise einzelne Anleihen wieder durchaus interessant geworden. Bei überschaubarem Risiko gibt es plötzlich wieder Renditen von 2,5 bis 3 %. Und wenn man etwas mutiger ist, sind gar 5–6 % drin. 

Aufgrund der wohl längerfristig höheren Inflation sind jedoch Sachwerte den nominalen Anlagen vorzuziehen. Insbesondere, weil sich die Bewertung an vielen Aktienmärkten mittlerweile im unteren Drittel der historischen Bandbreite befindet. Aus unserer Sicht sind damit die zu erwartenden Abwärtsrevisionen bei den Prognosen für die Unternehmensgewinne bereits zu einem großen Teil eingepreist. Außerdem bieten Aktien tatsächlich einen guten Schutz gegen Inflation. Das haben wir selbst in einer Studie am US-amerikanischen Aktienmarkt überprüft – nur funktioniert das in der Regel nicht auf die kurze Sicht.

Fazit

Solange die Notenbanken einen restriktiven Kurs fahren und die Energieversorgung unserer Wirtschaft nicht gesichert ist, wird es volatil an den Märkten bleiben. Anschließend ist ab dem Spätherbst und für das vierte Quartal eine Erholung der Aktienmärkte möglich, in Vorwegnahme einer Wirtschaftserholung im Verlauf des nächsten Jahres. Die Goldi-Locks-Zeiten mögen vorbei sein, Chancen wird es dennoch geben, wenn auch nicht mehr mit so üppigen Renditen wie zuvor. 

Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen Ausgabe AnlegerPlus.

Foto: © Fiduka Vermögensverwaltung

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