Beschlusslose HV in der Insolvenz

Justitia
Hier gehts zur Invest mit dem AnlegerPlus Aktionscode ANLEGER24

Das Kammergericht Berlin verneint die Einberufung einer beschlusslosen Hauptversammlung, wenn Aktionäre nur über die Gründe und Ursachen der Insolvenz informiert werden wollen (Beschluss vom 12.3.2020, Az.: 22 W 73/19).

Aktionäre, die das gesetzlich vorgeschriebene Quorum erfüllen, können die Einberufung einer Hauptversammlung (HV) oder die Ergänzung einer Tagesordnung verlangen. Kommt der Vorstand einem solchen Verlangen nicht nach, können diese Aktionäre durch ein Gericht ermächtigt werden, die HV selbst einzuberufen, § 122 Abs. 3 AktG.

Anzeige

Ein derartiges Vorgehen verlangt in der Regel einen Antrag auf Beschlussfassung in der HV. Im dem nachfolgend besprochenen Fall war die Frage zu klären, ob ein Informationsbedarf der Aktionäre zum laufenden Insolvenzverfahren der AG ohne Beschlussfassung eine Ausnahme begründet.

Sachverhalt

Über das Vermögen der betroffenen AG wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Ein Aktionär beantragte beim Gericht, eine HV zu bestimmten Tagesordnungspunkten gemäß § 122 AktG einzuberufen. Zuvor hatte er vergeblich schriftlich die Einberufung einer außerordentlichen HV beim Vorstand der AG begehrt.

Der Aktionär beantragte, ihn gemäß § 122 Abs. 3 Satz 1 AktG zu ermächtigen, eine außerordentliche HV der Gesellschaft einzuberufen, auf welcher ein Bericht des Vorstands zu den Geschehnissen und Ursachen, welche den Vorstand zur Stellung eines Insolvenzantrages bewogen haben, erfolgen soll sowie Fragen der Aktionäre hierzu beantworten werden.

Der Aktionär regt außerdem an, einen neutralen Versammlungsleiter zu bestimmen, § 122 Abs. 3 Satz 2 AktG, da der Vorsitzende des Aufsichtsrates nichts gegen ein Vorstandsmitglied unternommen habe, das sich nach Auffassung des Aktionärs einer Untreuehandlung nach § 266 StGB strafbar gemacht habe. Außerdem habe der Aufsichtsrat einen weiteren Vorstand mit erheblichen Vergütungsansprüchen bestellt, der dann kurz vor der Insolvenz sein Amt wieder niedergelegt habe.

„Ferner habe der Vorstand die Aktionäre über den Insolvenzantrag und deren Hintergründe nicht informiert, es sei daher wichtig, dass der Vorstand die Hauptversammlung unterrichte, aus welchen Gründen es zur vorläufigen Insolenz gekommen sei und wie sich die laufende Situation der Gesellschaft darstelle, ob die Gesellschaft weitergeführt werden könne oder zerschlagen werde.“

Das der Untreue verdächtige Vorstandsmitglied war inzwischen aus dem Handelsregister nach dessen Amtsniederlegung gelöscht worden. Der Antrag des Aktionärs war in erster Instanz abgelehnt worden, die dagegen eingelegte Beschwerde blieb aus den nachfolgend geschilderten Gründen ebenfalls erfolglos.

Vorstand konnte nicht mehr berichten

Das laufende Insolvenzverfahren stehe zwar „der Ermächtigung der Einberufung zur Hauptversammlung nicht grundsätzlich entgegen“. […] Die Befugnis des Einberufungsverlangens durch die Minderheit nach § 122 AktG gilt aber nur dann fort, sofern sich das Einberufungsverlangen auf Beschlussgegenstände bezieht, für welche die Hauptversammlung trotz Insolvenz der Gesellschaft zuständig bleibt, wie etwa die Abberufung und Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern, Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstand, Satzungsänderungen über Mehrheitserfordernisse oder Kapitalerhöhungen sowie Sonderprüfungsanträge“.

„Im vorliegenden Falle scheidet aber der beabsichtigte Tagesordnungspunkt der Berichterstattung des Vorstands aus, da niemand mehr berichten kann und der Tagesordnungspunkt damit ins Leere läuft. Der Vorstand der Beteiligten zu 2) ist seit dem 16. September 2019 vollständig aus dem Handelsregister gelöscht. Bei fehlendem Vorstand besteht auch keine Ersatzzuständigkeit des Aufsichtsrats, vielmehr muss zunächst der Mangel in der Vorstandsbestellung – notfalls in dem Verfahren nach § 85 AktG – behoben werden, ehe die Einberufung der Hauptversammlung durch den Vorstand betrieben werden kann.“

Keine Beschlussfassung begehrt

„Der begehrte Tagesordnungspunkt ist zudem unzulässig, da er nicht auf eine Beschlussfassung der Hauptversammlung gerichtet ist, sondern lediglich einen Bericht des Vorstands zu den Geschehnissen und Ursachen bezüglich des Insolvenzantrags mit Fragen der Aktionäre diesbezüglich vorsieht. […] Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AktG ist die Hauptversammlung auf Verlangen von Aktionären, deren Mindestbeteiligung bei 5 % des Grundkapitals liegt, einzuberufen. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Minderheitsaktionäre und soll als Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts die Ausübung der an die Hauptversammlung gebundenen Rechte gewährleisten. […]

Das Gericht hat in Bezug auf einen Antrag nach § 122 Abs. 1, 3 AktG dementsprechend zu prüfen, ob die Beschlussgegenstände zur Zuständigkeit der Hauptversammlung gehören, die beantragte Beschlussfassung inhaltlich zulässig ist und ob das Verlangen nicht rechtsmissbräuchlich gestellt ist. […]

Insbesondere darf daher das Einberufungsverlangen nur auf die Behandlung solcher Gegenstände durch die Hauptversammlung gerichtet sein, für die diese eine aktienrechtliche Zuständigkeit besitzt und die eine Beschlussfassung durch die Hauptversammlung erfordern“.

„Für beschlusslose Tagesordnungspunkte kann grundsätzlich der Aktionärsminderheit keine Ermächtigung zur Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1, 3 AktG erteilt werden. Hiergegen spricht auch nicht Art. 6 Abs. 1 lit. a) Aktionärsrechte-RL, denn diese regelt gerade nur das Ergänzungsverlangen gem. § 122 Abs. 2 AktG und nicht das hier relevante Einberufungsverlangen gem. § 122 Abs. 1 AktG. Eine Diskussion über beschlusslose Gegenstände auf einer ohnehin stattfindenden Hauptversammlung führt nur zu einem überschaubaren zeitlichen Mehraufwand, während die Einberufung einer Hauptversammlung ausschließlich zu Unterrichtungs- und/oder Erörterungszwecken einen erheblichen Zeit- und Kostenaufwand zur Folge hätte. […] Die begehrte Tagesordnung zu einem Bericht des Vorstandes zu Geschehnissen und Ursachen […] ist aus diesem Grunde nicht tauglicher Tagesordnungspunkt im Rahmen des § 122 Abs. 1 AktG.“

Ausnahmeregeln greifen nicht

„Eine Ausnahme vom Verbot der beschlusslosen Hauptversammlung ist nur in den gesetzlich geregelten Fällen der beschlusslosen Behandlung wie der Verlustanzeige und der Vorlage des Jahresabschlusses (§§ 92 Abs. 1, 175 Abs. 1 Satz 2 AktG ) möglich“. Die „in § 92 Abs 1 AktG statuierte Einberufungs- und Anzeigepflicht soll die rechtzeitige Information der Hauptversammlung über den Eintritt eines außergewöhnlichen Verlusts in Höhe der Hälfte des Grundkapitals und der damit verbundenen Gefahr einer Krise der Gesellschaft sicherstellen und es ihr ermöglichen, dieser Situation gegebenenfalls durch Kapitalmaßnahmen oder durch Auflösung der Gesellschaft zu begegnen“. Im Urteil werden darüber hinaus noch weitere Ausnahmen erörtert.

Bild: © Pulwey – fotolia.com

AnlegerPlus