Aus BRICS wird BRICS+ 

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Erst waren es vier, dann fünf, jetzt sind es elf. Die Rede ist von der Vereinigung der wirtschaftlich großen Emerging Markets Brasilien, Russland, Indien, China + Südafrika. Erstmals kommt es nun zu einer umfassenden Erweiterung.

Die Welt hat sich seit der Gründung der BRIC-Vereinigung 2009 stark verändert. Geblieben sind jedoch deren steigender Anteil an der Weltbevölkerung und der globalen Wirtschaftsleistung. Zugenommen haben aber außerdem Polarisierung und geopolitische Spannungen wie zwischen China und den USA. Russland ist sogar zur kriegführenden Partei geworden, was nach Jahrzehnten der internationalen Entspannung und Abrüstung zu einem „Kalten Krieg II“ zu eskalieren droht.

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Beim 15. BRICS-Gipfel Ende August in Südafrika haben sich die fünf Mitgliedsländer nun auf eine Erweiterung um sechs weitere Staaten geeinigt: Argentinien, Ägypten, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (UAE). Eingeladen zum Gipfel nach Südafrika waren die Staatschefs von über 70 Ländern, hauptsächlich aus dem Süden, von denen 40 Interesse am Beitritt zeigten und 20 einen Beitrittsantrag stellten. 

Chinesische Diplomatie

Brasilien war gegen eine Erweiterung und stellte dann die Bedingung, dass Argentinien dabei sein muss. Südafrika unterstützte Ägypten und Äthiopien. Die beiden Länder steuern auf einen Konflikt über das Nilwasser zu. Noch überraschender war aber der gleichzeitige Beitritt der Erzfeinde Iran und Saudi-Arabien, die um Einfluss nicht nur im Mittleren Osten ringen. 

Dieser Verhandlungserfolg ist wohl dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zuzuschreiben. Beide Länder und auch die UAE zählen zu den größten Energielieferanten Chinas. Unterdessen entwickeln Russland, Iran und Indien einen Nord-Süd-Korridor für Energietransporte. 

Die BRICS+-Länder sind höchst unterschiedlich und haben auch verschiedene Interessen. Da sind mit Brasilien, Indien und Südafrika drei demokratische Länder, die nicht anti-westlich eingestellt sind. Die meisten anderen Länder werden autoritär regiert. China und Indien sind weltwirtschaftliche Zugpferde und Konkurrenten, Argentinien versinkt in der Inflation und Äthiopien in bürgerkriegsähnlichen Zuständen. 

Was die BRICS+ eint, ist ihre Unzufriedenheit mit der aus ihrer Sicht überkommenen Weltordnung, die von der G7-Gruppe und dem Westen dominiert wird. Im Grunde ist es der Konflikt der vielen Entwicklungsländer gegen die wenigen Industrieländer. Die kontrollieren bis heute den UN-Sicherheitsrat, die OECD, die Entwicklungsbanken usw. Die BRICS+ lehnen auch die Abhängigkeit vom US-Dollar als Leitwährung ab und entwickeln bi- oder multilaterale Zahlungsmodelle. 

Vakzin-Kolonialismus

Dazu kommen Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit wie die Nahrungs- und Arzneimittelversorgung der Entwicklungsländer während der Covidpandemie, die als respektlos eingeschätzt wurde. Weiterhin wird kritisiert, dass der Westen unilaterale Sanktionen verhängt, das internationale Zahlungssystem missbraucht und Druck auf den globalen Süden ausübt, indem zugesagte Klima-bezogene und sonstige Finanzhilfen zurückgehalten werden. 

Die einigenden Elemente der BRICS+ drücken sich daher in dem einzigen Beitrittskriterium für die BRICS-Vereinigung aus: Es darf keine bindenden Bündnisverpflichtungen mit dem Westen geben. Das ist z. B. für den Beitrittskandidaten Türkei relevant, ein NATO-Mitglied. 

Wie schon erwähnt, haben nicht alle Mitglieder dieselben Ziele. Dafür gewinnen die gemeinsamen Interessen durch die Erweiterung an Gewicht. Das wird sich in den G20-Treffen der kommenden Jahre widerspiegeln. Die nächsten drei G20-Präsidentschaften werden von BRICS+-Ländern gestellt. Bemerkenswert ist die Abwesenheit des bevölkerungsreichen und wirtschaftlich bedeutsamen Inselarchipels Indonesien. Mehrfach eingeladen, erklärte der Präsident, dass Indonesien zwar die Werte und Ziele der Gemeinschaft teile, jedoch nicht beitrete.  

Geopolitische Landkarte ändert sich

Mit dieser bedeutsamen Erweiterung der BRICS-Staaten verändert sich die geopolitische Situation in der Welt. Und dies in einer Lage, in der die USA und die EU zunehmend an Glaubwürdigkeit verlieren. Das Desaster in Afghanistan, die Putschserie in der Sahel-Zone, die gravierende Benachteiligung bei der Versorgung mit Impfstoffen und jetzt die einseitig verhängten Restriktionen und Sanktionen gegen Russland und die Handelspartner sorgen für mehr als Verstimmung. Deshalb befolgen die BRICS+ die Russland-Sanktionen auch nicht, die somit weitgehend verpuffen. 

Dazu stehen die USA und die EU im Wettbewerb mit der chinesischen Entwicklungspolitik, kurz der Belt and Road Initiative. Die Neue Seidenstraße erfährt zwar immer wieder Rückschläge, weil sich Länder wie beispielsweise Malaysia die Schuldenlast nicht leisten können. Aber in der Globalbetrachtung schreitet der Ausbau der chinesischen Infrastrukturprojekte stetig voran, ob in Panama, Peru, Italien, Hamburg oder Afrika. Der Westen will dagegen mit der beim letzten G7-Treffen in Hiroshima dargestellten Initiative für Infrastruktur und Entwicklung punkten.

Die Auswirkungen der BRICS-Erweiterung auf die Weltpolitik sind vielfältig. Xi Jinping konnte Pluspunkte für sein diplomatisches Geschick einfahren, weil er gleich zwei brisante Krisenherde entschärft. Der einstige US-Verbündete Saudi-Arabien hat hingegen wohl das politische Lager gewechselt. Russland und China haben ihre Position gefestigt. Und Brasilien gewinnt als einziger klar westlich orientierter BRICS+-Gigant an Bedeutung.

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Foto: © unsplash.com, Yan Ke

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