„Es ergibt wenig Sinn, sich am Ende der Welt zu orientieren.“

Ralf Lochmüller
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Von Ralf Lochmüller Managing, Partner und CEO bei Lupus alpha

Die Sorge vor einem potenziell anstehenden Crash größeren Ausmaßes hält viele Anleger davon ab, in den Aktienmarkt zu gehen. In der Folge verpassen sie einen Aufschwung nach dem anderen, während sich die Kaufkraft ihres Vermögens weginflationiert. Besser ist es, investiert zu bleiben.

„Anleger warten an der Seitenlinie“ ist ein häufiger Satz in Marktkommentaren. Worauf eigentlich? Zwar ist die Verunsicherung vieler Anleger verständlich angesichts des Kriegs in Europa, gestiegener Inflation, potenzieller Zinserhöhungen und unklarer Konjunkturaussichten. Dieses politische und wirtschaftliche Umfeld weckt Unbehagen und regelrechte Crash-Angst in vielen Investoren. Das lässt sie an der Seitenlinie verharren, um auf den richtigen Moment zum (Wieder-)Einstieg zu warten.

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Der Verlauf des DAX seit Jahresbeginn illustriert, in welchem Dilemma sich solche Anleger befinden: Bis Mitte Februar bröckelte der Leitindex um rund tausend Punkte ab, einen jederzeitigen Ausbruch nach oben hielten viele Marktteilnehmer für möglich. Dann bis Anfang zweite Märzwoche Kursverfall auf gut 12.800 Punkte – einen weiteren Rückgang hielten viele Marktteilnehmer für möglich. Am 9. März der 1.000-Punkte-Sprung nach oben, danach viel Zickzack um die 14.000 Punkte. Wieder hielten Marktteilnehmer vieles für möglich. Gute Zeitpunkte zum Aus- oder Einsteigen gab es einige in dieser Zeit, aber auch denkbar schlechte – hinterher ist man immer schlauer.

Die besten zehn Tage zählen

Weil das so ist, fahren langfristig orientierte Anleger besser, wenn sie die Börsenweisheit „Time in the Market ist besser als Timing the Market“ beherzigen. Denn Tatsache bleibt: Die besten zehn Tage an der Börse machen ihre Jahresperformance aus. 2021 lag die Rendite des DAX inklusive der besten zehn Tage bei 15,8 %; ohne bei −6,2 %. Und 2020 schloss der Index inklusive bei 3,6 % und exklusive bei einem Minus von 35,5 %. Es lohnt, durchgehend im Markt zu bleiben.

Gleichzeitig hängt es von der persönlichen Situation ab, wie mit hoher Unsicherheit umzugehen ist. Investoren mit hoher Verlusttoleranz können sich am Credo von Robert Wallace orientieren, dem CEO des 40 Mrd. US-Dollar großen Stiftungsvermögens der Stanford University: „Es ergibt wenig Sinn, seine Anlagestrategie am Ende der Welt auszurichten.“ Sein Schlüssel zum Anlageerfolg: Eine strategische Vermögensverteilung definieren und daran festhalten. Global mit einer konsequent hohen Aktienquote investieren. Und regelmäßiges Rebalancing, also die einmal definierte Zielallokation im Portfolio regelmäßig wieder herstellen. Dieses Vorgehen führt per se zu antizyklischem Anlageverhalten, denn es erfordert, Aktien nach Kurseinbrüchen nachzukaufen. So lassen sich über die Zeit die Höhen und Tiefen glätten und man profitiert bestmöglich am langfristigen Wachstumstrend der Aktienmärkte.

Aktives Management schont Risikobudget

Aber auch Investoren mit kleiner Verlusttoleranz können im Markt bleiben, selbst dann, wenn sie nur über wenig Risikobudget verfügen. Sie brauchen Strategien, die Verluste zuverlässig zu begrenzen und zugleich intelligent die Chancen im Marktaufschwung zu nutzen. Eine Wertuntergrenze von z. B. 90 oder 75 % zum Ende eines Kalenderjahres bietet hier ein kalkulierbares Risiko. Entscheidend dabei ist, dass solche Fondskonzepte in der Lage sind, nach einem Kurseinbruch an den Aktienmärkten zu partizipieren. Investoren müssen hier genau hinsehen, wie 2020 mit dem starken Kurseinbruch im März und der folgenden rasanten Erholungsrally gezeigt hat. 

Damals hielten viele regelgebundene Fonds zwar ihre Wertuntergrenze, haben sich dann aber nicht mehr erholt, weil sie ihr Risikobudget komplett aufgebraucht hatten. Ein im Gegensatz dazu aktiver Managementansatz erlaubt es, das Risiko im Abschwung schrittweise so weit wie nötig abzubauen und ebenso schrittweise wieder anzuheben. Je größer das Risikobudget ausfällt, desto stärker ist die potenzielle Teilnahme an der Markterholung. In jedem Fall gilt: Nur wer investiert ist, der profitiert.

Über den Autor

Heute seit über 30 Jahren im Asset Management tätig, gründete Lochmüller im Jahr 2000 mit vier Partnern Lupus alpha – ein unabhängiges, eigentümergeführtes Fondshaus für Spezialsegmente wie europäische Nebenwerte, Wandelanleihen und Volatilität. Lupus alpha verwaltet rund 14 Mrd. Euro für professionelle Investoren und Privatanleger, davon mehr als 2 Mrd. Euro in Publikumsfonds.

Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 4/2022.

Foto: © Lupus alpha

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