Das Jahr 2020 aus kapitalmarktrechtlicher Sicht

Justizia
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Die Regulierung der Kapitalmärkte 2020 stand vor allem im Zeichen der Covid-19- und der Klimakrise, aber auch Wirecard und noch immer der Brexit führten zu Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Hier werden ausgewählte Entwicklungen angesprochen und ein Ausblick auf 2021 versucht.

Der Gesetzgeber hat mit außerordentlicher Geschwindigkeit zahlreiche Gesetze und Verordnungen erlassen, um den Herausforderungen der CoViD-19-Pandemie Rechnung zu tragen.

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Im Zeichen der Pandemie

Die gravierendsten Änderungen aus Aktionärs-, Unternehmens- und Investorensicht dürfte das Gesetz mit dem etwas sperrigen Titel „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ vom 27.3.2020 gebracht haben. Damit wurde zum einen das Insolvenzrecht gelockert und bis zum Ende des dritten Quartals 2020 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt. Das galt nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS- CoV-2-Virus (Covid-19-Pandemie) beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

War der Schuldner am 31.12.2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Von der Ermächtigung, diese Insolvenzantragspflicht noch bis zum 31.3.2021 auszusetzen, hat das Ministerium nur eingeschränkt Gebrauch gemacht. Nur bei Überschuldung, nicht aber bei Zahlungsunfähigkeit durfte auf den Insolvenzantrag noch bis Jahresende verzichtet werden.

Für Unternehmen, die die sog. „November-“ bzw. „Dezemberhilfe“ in der zweiten Welle beantragt, aber noch nicht erhalten haben, wurden weitere gesetzliche Erleichterungen im Insolvenzrecht mit Wirkung bis zum 31. Januar 2021 geschaffen.

Im Aktienrecht wurde mit demselben Gesetz die elektronische Teilnahme an Hauptversammlungen auch ohne Satzungsgrundlage ermöglicht und die rein virtuelle Hauptversammlung eingeführt. Die Rechte der Aktionäre wurden dabei eingeschränkt, da beispielsweise der Vorstand festlegen kann, dass Fragen spätestens zwei Tage vor der Hauptversammlung eingereicht werden müssen. Für die Durchführung der Hauptversammlung kann nun das gesamte Kalenderjahr genutzt werden, nicht wie im Aktienrecht vorgesehen innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahres.

Die Regelungen waren zunächst auf Hauptversammlungen im Jahr 2020 beschränkt, sind aber inzwischen per Verordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 20.10.2020 auf das gesamte Jahr 2021 ausgeweitet worden.

Nachhaltigkeit in der Geldanlage

Im Rahmen des Europäischen „Green Deal“ wurden die Vorgaben der EU zur Festlegung, wann Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig angesehen werden kann (Taxonomy), weiter forciert. Mitte 2020 wurde die entsprechende Verordnung erlassen, die nunmehr weitere Verfeinerung erfährt. Fonds, die mit Nachhaltigkeit werben wollen, treffen künftig weitergehende Offenlegungspflichten, um für Investoren die erforderliche Transparenz zu schaffen. Ziel der Bemühungen ist, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird.

Brexit

Nach zähen Verhandlungen wurde zwischen Europäischer Union und dem Vereinigten Königreich Ende des vergangenen Jahres sprichwörtlich in letzter Minute ein Abkommen geschlossen. Trotz eines 1000-seitigen Dokuments bleiben für den Kapitalmarkt wichtige Fragen offen und sollen bis Ende März 2021 in einem weiteren Abkommen geklärt werden.

Zwar gibt es für einige Bereiche sog. Äquivalenzfeststellung, d. h., dass die Aufsicht anerkennt, dass britisches Recht dem EU-Recht so weit entspricht, dass eine privilegierte Rechtsanwendung zum Tragen kommt. Diese Äquivalenzentscheidungen sind jedoch nur in wenigen Fällen gesetzlich überhaupt vorgesehen und dürften auch dort keine belastbare Basis für einen langfristig reibungslosen Austausch von Finanzdienstleistungen zwischen EU und dem Vereinigten Königreich darstellen, weil das Vereinigte Königreich es gerade zum Ziel des Brexits erhoben hat, die „Fesseln der EU abzustreifen“ d. h. regulatorische Auflagen zu lockern.

Wirecard

Die Politik arbeitet den Wirecard-Skandal derzeit im Rahmen eines Untersuchungsausschusses auf. Der Gesetzgeber hat derweil den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) am 16.12.2020 vorgelegt und beschlossen. Mit dem Gesetz soll nicht zuletzt die Aufsicht gestärkt werden, um das Vertrauen in den deutschen Finanzplatz zurückzugewinnen, das durch den Wirecard-Bilanzskandal massiv beschädigt worden ist.

Zusätzlich soll eine gesetzliche Pflicht zur Errichtung eines angemessenen und wirksamen internen Kontrollsystems (IKS) sowie eines entsprechenden Risikomanagementsystems (RMS) für börsennotierte Aktiengesellschaften eingeführt werden. Unternehmen im öffentlichen Interesse müssen zudem einen Prüfungsausschuss einrichten. Nicht zum ersten Mal auf der Agenda des Gesetzgebers steht außerdem die Verschärfung der Haftung des Abschlussprüfers. 

Deutscher Corporate Governance Kodex

Wie im letzten Jahr an dieser Stelle berichtet, hatte die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex die beschlossene neue Fassung des Kodex dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur Prüfung übermittelt. Seit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 20. März des vergangenen Jahres ist diese Fassung nun für die Entsprechenserklärungen maßgeblich.

Digitale Wertpapiere

Weiter vorangeschritten ist die Regulierung digitaler Wertpapiere auf Basis der Distributed Ledger Technologie, wie z. B. der Blockchain. Ende 2020 wurde der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren vorgelegt. Damit sollen Anleihen rein elektronisch, das bedeutet ohne Wertpapierurkunde ermöglicht werden. Dafür wird die Eintragung in ein Wertpapierregister erforderlich.

In kleinerem Umfang ist zudem die Möglichkeit zur elektronischen Begebung von Anteilscheinen angedacht. Das Gesetz soll technologieneutral erfolgen, d. h., über Blockchain begebene Wertpapiere sollen gegenüber anderen elektronischen Begebungsformen nicht bevorzugt werden.

EU-Verbandsklage

Die Musterfeststellungsklage, die z. B. in der Diesel-Affäre großen Anklang bei Verbrauchern fand, wurde auf EU-Ebene im Rahmen des „New Deal for Consumers“ durch eine echte Sammelleistungsklage ergänzt. Ende 2020 verabschiedete das EU-Parlament die „Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher“.

Ausblick

Der Entwurf für ein Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes (AnlSchStG) betrifft vor allem den sog. Grauen Kapitalmarkt, u. a. als Reaktion auf die Insolvenz des Containeranbieters P&R. In der Diskussion sind beispielsweise das Verbot von Blindpool-Konstruktionen, die Stärkung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Einführung verpflichtender Mittelverwendungskontrollen durch unabhängige Dritte, insbesondere bei Direktinvestments.

Und das Thema Finanztransaktionssteuer ist einfach nicht totzubekommen. Spanien wird nach Frankreich auf nationaler Ebene eine Finanztransaktionssteuer einführen. Betroffen sind die Aktien großer börsennotierter Emittenten.

Bild: © Pulwey – fotolia.com

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