Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde und das sicher zu Recht. Wir müssen unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Der Ausbau regenerativer Energieerzeugung und die Reduktion nicht nur fossiler Rohstoffe gehören selbstverständlich auf die Tagesordnung der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Über den Weg dorthin ließe sich natürlich trefflich diskutieren, was ich an dieser Stelle jedoch nicht tun möchte.
Den Kapitalmarkt hat die ESG-Euphorie natürlich längst erreicht, wovon eine Flut an ESG-Fonds und -ETFs zeugt. Während die Fondsbranche das zunehmende Dickicht an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten als große Auswahl feiert, dürfte es für den selbstentscheidenden Privatanleger immer schwerer werden, „Greenwashing-Fonds“ von tatsächlichen ESG-Varianten zu unterscheiden.
Doch wenn am Ende die Rendite stimmt, ist mehr Transparenz doch eigentlich überbewertet, oder nicht? Zumindest wenn man angesichts einer positiven Performance die eigentliche Intention der nachhaltigen Anlagestrategie (Stichwort gutes Gewissen) hintenanstellt. Und unter diesem Aspekt scheint die ökologische Geldanlage zu liefern. Es mangelt nicht an Studien, in denen die Outperformance der ökologischen Geldanlage gefeiert wird. Meldungen wie „Nachhaltigkeit bedeutet keinen Renditeverlust“ klingen da schon wie eine Hiobsbotschaft.
Doch wie kommt diese Outperformance zustande? Schließlich bilden beispielsweise nachhaltige ETFs dieselben Indizes ab wie die „originären“ ETFs, nur dass in bestimmte Branchen wie z. B. Waffen, Öl oder Tabak nicht investiert wird. Die aus Risikogesichtspunkten wichtige Diversifikation nimmt also ab, dafür werden andere Branchen im ESG-ETF höher gewichtet. Genau das ist der Punkt. Die europäische Wertpapieraufsicht ESMA hat eine Studie zu nachhaltigen Fonds erstellt. Das Ergebnis war, dass im Zeitraum zwischen April 2019 und September 2021 „ökologische“ Fonds eine um 2,5 Prozentpunkte bessere Performance erzielten als Aktienfonds ohne ESG-Kennzeichnung. Als einen der Gründe für diese Entwicklung führt die Studie an, dass viele nachhaltige Fonds stark auf die Sektoren Gesundheit und Technologie setzen. Unter den Top-10-Positionen des iShares MSCI USA ESG Enhanced ETF beispielsweise finden sich die Techaktien Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und NVIDIA. Eine Analyse der Ratingagentur Scope zeigte jüngst, dass in globalen Artikel-9-Aktienfonds vor allem herkömmliche Tech- und Pharmawerte, darunter u. a. die zuvor genannten vier Techs, enthalten sind.
Beide der genannten Branchen (häufig auch in einer Mischform) zählten in den letzten Jahren an der Börse zu den Outperformern. Seit Herbst 2021 kann man das zumindest für die Tech-Branche nicht mehr behaupten. Insofern bleibt abzuwarten, ob ESG-Anlagen ihre Outperformance 2022 halten können. Sobald das Thema Technologie wieder gefragt ist, wird das zweifellos wieder so sein. Bis dahin sollten Anleger sich aber des Risikos zumindest bewusst sein, das sie mit einer ESG-Anlage gegenüber einem Investment in einen breiter gestreuten Nicht-ESG-Index eingehen.
Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 8/2022.