Garantiezins sinkt erneut

Zinsen
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Zum 1. Januar kommenden Jahres sinkt der Garantiezins, den deutsche Lebensversicherer gewähren dürfen, von 0,90 % auf nur noch 0,25 %. Diese Absenkung trifft nicht nur die klassische Lebensversicherung, sondern ist auch für andere Versicherungssparten von Relevanz.

Der Garantiezins, im Fachjargon Höchstrechnungszins genannt, ist tarifabhängig ein Teil der Gesamtverzinsung, die Lebensversicherer ihren Kunden gewähren. Für Versicherungskunden bietet der Garantiezins den Vorteil, schon bei Vertragsabschluss genau zu wissen, mit welchen Leistungen man bei Ablauf der Versicherung mindestens kalkulieren kann. Gerade deutsche Versicherungskunden schätzen diese Planungssicherheit sehr.

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Der gesetzlich regulierte Höchstrechnungszins soll verhindern, dass sich Lebensversicherer bei ihren Garantieversprechen übernehmen. Denn gerade in der dauerhaften und verlässlichen Erbringung der Garantieversprechen liegt die Stärke der deutschen Lebensversicherer. 

Angesichts der historischen Niedrigzinsphase ist die Absenkung des Garantiezinses grundsätzlich absolut nachvollziehbar. Die aktuell noch gültigen 0,90 % liegen inzwischen deutlich über den real am Kapitalmarkt erzielbaren Zinsen für sichere Anlagen. Entsprechend ist die Garantiezinssenkung nur der logische Schritt, die allgemeine Zinsentwicklung der letzten Jahre abzubilden. Seit dem Jahr 2000 ist der Garantiezins in der Lebensversicherung kontinuierlich von 4,0 % auf künftig nur noch 0,25 % gesunken.

Betroffene Sparten

Wer nun jedoch glaubt, die Senkung des Garantiezinses betrifft nur die nahezu sowieso schon kaum mehr existente Kapitallebensversicherung, der irrt. Tatsächlich wirkt sich der Garantiezins auf viele Sparten der deutschen Lebensversicherung aus. Zunächst einmal sind alle privaten Altersvorsorgeverträge mit Garantiekomponente davon betroffen, ganz gleich, ob es sich um eine Renten- oder Lebensversicherung handelt. Das gilt übrigens für alle fondsgebundenen Verträge mit Garantiekomponente ebenfalls. Auch Verträge der Basis-Rente sind betroffen, wenn sie Garantiekomponenten enthalten.

Neben den reinen Altersvorsorgeverträgen hat die Senkung Auswirkungen auf Verträge, die der Absicherung von gesundheitlichen Risiken dienen, in erster Linie die Berufsunfähigkeitsversicherung und deren Varianten sowie die Pflegerentenversicherung.

Selbst reine Risikolebensversicherungen bleiben davon nicht verschont. Zwar enthält die Risikoabsicherung keinen Sparanteil. Im Hintergrund bauen die Versicherer aber Rücklagen für den Versicherungsfall auf, auf die der Garantiezins angewandt wird. Sinkt der Garantiezins, steigen somit die Aufwendungen für die Rücklagen und damit die Beiträge. Nach ersten Branchenschätzungen könnten in der Berufsunfähigkeitsversicherung die Beitragssteigerungen im Durchschnitt bei 13 % liegen, bei der Pflegerentenversicherung sogar bei bis zu 25%. In der Risikolebensversicherung erwarte man dagegen moderate Steigerungen von nur 2–3 %.

Probleme für Riester und bAV

Unabhängig von der Versicherungssparte sind es vor allem die jüngeren Versicherungskunden, die die größten Nachteile aus der Garantiezinssenkung aufgrund langer Laufzeiten und negativen Zinseszinseffekts zu tragen haben. Im Vorsorgebereich sinken die garantierten Werte und in der biometrischen Absicherung steigen die Kosten dauerhaft. Neben den jungen Leuten sind besonders die schwerer versicherbaren Berufsgruppen und Risiken betroffen, deren Prämien sich exponentiell erhöhen werden.

Ganz erhebliche Auswirkungen hat die Senkung auf die Riester-Rente und Teile der betrieblichen Altersversorgung. Versicherer müssen sich zur Kalkulation dieser Produkte nach dem Garantiezins richten. Eine 100%-Garantie (gesetzlich vorgeschrieben) für Beiträge plus Förderzulagen inklusive Verwaltungs- und Abschlusskosten ist für die Versicherer mit 0,25 % nicht mehr zu erwirtschaften.

Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen, spricht in diesem Zusammenhang von „einer Defacto-Beerdigung der Riester-Rente“. Nachdem sich bereits in den letzten Jahren einige Versicherer aus dem Riester-Neugeschäft zurückgezogen haben, kündigten weitere Gesellschaften den Ausstieg aus der Riester-Rente mit Einführung der Garantiezinssenkung an. Der Markt wird, davon muss man wohl ausgehen, in den nächsten 12–18 Monaten das Riester-Geschäft nahezu vollständig einstellen, sollten die gesetzlichen Regularien nicht angepasst werden.

In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint die Riester-Rente sowieso als gescheitert. Es gibt aber noch eine wesentlich renommiertere Sparte der Altersvorsorge, die von der Garantiezinssenkung in Verbindung mit der gesetzlich vorgeschriebenen Kapitalgarantie betroffen ist, nämlich die betriebliche Altersvorsorge. Hier trifft es die Variante „Beitragszusage mit Mindestleistung“, in der die vorgeschriebene 100%-Garantie ebenfalls nicht mehr eingehalten werden kann.

Senkung der Beitragsgarantie gefordert

Die Branche fordert deshalb mit Vehemenz eine Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Riester-Rente und betriebliche Altersvorsorge, konkret die Absenkung der 100%-Beitragsgarantie. Der Marktführer Allianz bietet bereits seit diesem Jahr in der privaten Lebens- und Rentenversicherung nur noch ein Garantieniveau von höchstens 90 % an. Die Versicherer argumentieren, dass mit geringeren Garantien höhere kalkulierte Risiken eingegangen werden können und damit eine bessere Chance auf höhere Renditen für den Kunden bestehen würde.

Garantien im Niedrig- und Nullzinsumfeld werden als zu teuer und damit renditeschädlich dargestellt. Eine Argumentation, die zwar wider das Sicherheitsbedürfnis der deutschen Sparer geht, allerdings in Zeiten von Null- und Negativzins und stark anziehender Inflation nicht von der Hand zu weisen ist. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass in naher Zukunft die 100%-Garantie fallen wird (müssen) …

Entwarnung für Bestandskunden

Final gibt es für Bestandskunden jedoch gute Nachrichten, sie sind von der Änderung nicht betroffen! Für sie gilt auch weiterhin der bei Vertragsabschluss gültige Garantiezins über die gesamte Vertragslaufzeit. Betroffen sind also nur neu abgeschlossene Verträge der benannten Sparten ab Januar 2022.

Wer mit dem Gedanken spielt, in eine rentenbasierte Altersvorsorge zu investieren oder eine Berufsunfähigkeits- oder Pflegerentenabsicherung zu erwerben, der sollte sich noch dieses Jahr um einen entsprechenden Vertrag bemühen. Hier lassen sich dauerhaft Beiträge sparen bzw. höhere Garantieleistungen sichern. Unabhängig davon gilt, trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit Vergleiche einzuholen, Angebote detailliert zu prüfen und vom unabhängigen Fachmann beraten zu lassen.

Foto: istockphoto.com

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