Gesetze gegen den Corona-Schock

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Der deutsche Gesetzgeber hat im Schnellverfahren ein Sammelgesetz verabschiedet, um die wirtschaftlichen Folgen der Covidkrise für Unternehmen und Privathaushalte abzufedern. Der Umfang der Maßnahmen sowie die Geschwindigkeit des Gesetzgebungsprozesses gehen zum Teil über die Reaktionen auf die Finanzkrise 2009 hinaus. Eine Anhörung von Experten fand in der Eile weitgehend nicht statt.

Im Zuge der Notfallmaßnahmen hat der Staat nicht nur durch Hilfskredite kurzfristig in einem nie dagewesenen Ausmaß auf die Krise reagiert. Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 hat der deutsche Gesetzgeber befristete, massive Änderungen im Darlehens-, Insolvenz- und Gesellschaftsrecht beschlossen. Damit sollen pandemiebedingte Insolvenzen von Unternehmen und Privatleuten verhindert werden und die Handlungsfähigkeit der Unternehmen auch während drastischer Infektionsschutzmaßnahmen gewährleistet werden.

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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Bis zum 30.9.2020 besteht keine Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn die Insolvenzreife auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist und Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Die Kausalität der Pandemie wird vermutet, wenn Ende 2019 keine Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat.

Diese weitreichende Vermutung wird dazu führen, dass auch einige Schuldner privilegiert werden, deren Insolvenzreife nicht auf den Auswirkungen der Coronakrise beruht. Angesichts der Menge an Betroffenen und der kurzen Insolvenzantragsfrist erscheint die Regelung noch angemessen, um nicht zahlreiche, grundsätzlich gesunde Unternehmen in die Insolvenz zu zwingen, bevor staatliche Hilfsprogramme überhaupt greifen können. Die Regelung kann per Verordnung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bis höchstens 31.3.2021 verlängert werden.

Erleichterungen im Aktienrecht

Viele Kapitalgesellschaften, allen voran die Aktiengesellschaften, standen schlagartig vor dem Problem, aufgrund des Kontaktverbots keine Präsenzversammlungen mehr durchführen zu dürfen. Damit war vielen Unternehmen die Möglichkeit abgeschnitten, wirksame Beschlüsse zu fassen und Wahlen durchzuführen, da ihre Satzung keine entsprechende Regelung vorsah.

Das CoViD-19-Folgenabmilderungsgesetz ermächtigt nun Vorstände, auch ohne Satzungsgrundlage im Sinne des § 118 AktG die Hauptversammlung auf elektronischem Wege durchzuführen. Dabei müssen die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgen, die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich sein, den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation und eine Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung eingeräumt werden, auch ohne ihr Erscheinen auf der Versammlung.

Ferner entscheidet der Vorstand „nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen, welche Fragen er wie beantwortet; er kann auch vorgeben, dass Fragen bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.“

Verkürzt wurde außerdem die Einberufungsfrist des § 123 AktG auf 21 Tage; Record Date für den Anteilsbesitznachweis ist nun der 12. Tag vor der Versammlung. Die Mitteilung nach § 125 AktG muss in diesem Fall am 4. Tag vor der Hauptversammlung zugehen, soweit die Satzung keine kürzere Frist vorsieht. Ergänzungsverlangen zur Tagesordnung müssen abweichend von 122 Abs. 2 AktG mindestens 14 Tage vor der Versammlung der AG zugehen.

Die Hauptversammlung muss nicht mehr in den ersten acht Monaten eines Geschäftsjahres stattfinden, sondern kann auf Vorstandsbeschluss innerhalb des Geschäftsjahres durchgeführt werden. Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn nach § 59 AktG und solche auf die Ausgleichszahlung an die außenstehenden Aktionäre nach § 304 AktG können auch ohne Satzungsermächtigung vom Vorstand beschlossen werden.

Sämtliche hier vorgehend dargestellten Maßnahmen bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Korrespondierende Einschränkungen gibt es auch im Anfechtungsrecht, worauf an dieser Stelle aber nicht näher eingegangen werden kann. Alle Änderungen gelten nur für Hauptversammlungen (Abschlagszahlungen auf den Bilanzgewinn), die im Jahr 2020 stattfinden.

Die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. hat zu diesem Themenkomplex zwei ausführliche Pressemeldungen veröffentlicht: am 24. März unter der Überschrift „SdK fordert Nachbesserungen bei der großteils gelungenen Notfallgesetzgebung für Hauptversammlungen“ und am 6. April zum Thema „SdK fordert keine Einschränkung von Aktionärsrechten bei virtuellen Hauptversammlungen“. Diese Pressemeldungen sind zu finden unter www.sdk.org. Auch das Editorial auf Seite 53 befasst sich damit.

Stundungen bei Langzeitverträgen

Verbraucher dürfen bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen, die vor dem 8.3.2020 eingegangen wurden, die Leistung bis 30.6.2020 verweigern, wenn ansonsten ihr angemessener Lebensunterhalt gefährdet würde. Wesentlich sind nur solche Verträge, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind, z. B. Energielieferverträge. Für Mietverträge gilt dagegen eine Sonderregelung. Hier darf eine Nichtzahlung von Mieten zwischen dem 1.4. und 30.6.2020 nicht zur Kündigung führen, es sei denn, sonstige Kündigungsgründe als dieser Zahlungsverzug liegen vor.

Auch Kleinstunternehmer im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6.5.2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) profitieren von solch einer Stundung bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen, wenn andernfalls die wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs gefährdet würden. Wesentlich ist hier, was der angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs dient.

Stundungen bei Verbraucherkrediten

Nur Verbraucher können von gesetzlichen Stundungen bei Darlehen, die sie von Unternehmern (in der Regel: Banken) erhalten haben, profitieren. Das Gesetz sieht aber die Möglichkeit vor, dass die nachfolgenden Regelungen per Verordnung, also sehr kurzfristig, auch auf Unternehmen erstreckt werden könnten. Bis dahin können sich Unternehmer jedoch schon an ihre Gläubiger(-banken) wenden, um individuell über eine Stundung von Raten und Zins zu verhandeln.

Verbraucherverträge, die vor dem 15.3.2020 geschlossen wurden, brauchen zwischen 1.4. und 30.6.2020 nicht bedient werden, wenn dies den angemessenen Lebensunterhalt des Schuldners gefährden würde, insbesondere weil er Corona-bedingte Einnahmeausfälle hat. Dies könnte z. B. bei den von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmern der Fall sein. Unabhängig davon kann jeder Schuldner eine Vereinbarung mit dem Gläubiger (der Bank) treffen.

Das Gesetz soll also nicht nur die Verbraucher vor wirtschaftlicher Überlastung schützen, sondern auch den gewerblichen Gläubigern die Chance geben, in kürzester Zeit mit einer Vielzahl von zu erwartenden Stundungsanfragen umgehen zu können. In der Zeit dieses gesetzlichen Moratoriums kann dem Verbraucher nicht wegen Zahlungsverzugs, wesentlicher Verschlechterung seiner Vermögensverhältnisse oder der gestellten Sicherheiten gekündigt werden. Zugleich soll dem Verbraucher (zumindest) ein (Telefon-)Gespräch über die Möglichkeit einer einverständlichen Regelung und über mögliche Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden. Das Gesetz sieht eine Verlängerungsmöglichkeit dieser Stundung bis 30.9.2020 vor.

Bild: © bondgrunge – istockphoto.com

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