Green Deal: Strukturwandel und Strukturpolitik

Green Deal EU Labyrinth

Mit dem Green Deal will die EU den ökologischen Wandel gestalten, denn die Transformation in eine Green Economy wird Wirtschaft und Gesellschaft umfassend verändern. Jedes EU-Land stellt dazu seinen nationalen Energie- und Klimaplan auf.

Strukturwandel ist nichts Neues. Seit der Industrialisierung legen tiefgreifende Veränderungen in den Wirtschaftsstrukturen an Tempo zu. In diese Dynamik greifen seit jeher die Staaten mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen, der Strukturpolitik, ein. Die europäische Strukturpolitik zielt seit 2019 auf die Umsetzung des europäischen Green Deal, um die Transformation in eine Green Economy zu gestalten.

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Der Green Deal ist die Selbstverpflichtung der EU mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Mit dem Europäischen Klimagesetz ist das politische Ziel der EU, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, zu einer rechtlichen Verpflichtung geworden. Zugleich soll bis 2030 der Treibhausgasausstoß der EU um mindestens 55 % unter den Wert von 1990 reduziert werden. 

Was ist grün?

Der Green Deal umfasst im Wesentlichen Maßnahmen in den Bereichen Energieversorgung, Verkehr, Handel, Industrie, Land- und Forstwirtschaft sowie Finanzmarkt (siehe Grafik). Das Verbot des Neuverkaufs von Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 zählt beispielsweise dazu. Denn rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU entfällt auf den Verkehrssektor. Die Forderung Deutschlands, E-Kraftstoffe von der CO2-Verordnung auszunehmen, führte im Frühjahr 2023 schließlich zu einem Nebenabkommen. Die CO2-Verordnung, die zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament ausgehandelt worden war, sollte dadurch nicht neu entflochten werden. 

Ebenso gehört das EU-Emissionshandelssystem, das dem Kohlenstoff einen Preis gibt, in den Werkzeugkasten des Green Deal sowie die EU-Taxonomie. Letztere klassifiziert Wirtschaftstätigkeiten hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit, sodass Investoren einschätzen können, ob ein Unternehmen, in das sie investieren wollen, nachhaltig arbeitet. Diesbezüglich hat etwa die Einstufung von Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltige Technologien im Rahmen der Taxonomie viele Gemüter erregt und landete vor dem Europäischen Gerichtshof. 

In der EU-Taxonomie-Verordnung werden die folgenden sechs Umweltziele verfolgt: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Zunächst sollte die Taxonomie der nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflicht im Finanzdienstleistungssektor dienen. Später wurden auch Unternehmen verpflichtet, zusätzlich zur nichtfinanziellen Berichterstattung Angaben offenzulegen. Der erste Taxonomie-Rechtsakt zu den Zielen Klimaschutz und Anpassung wurde zum 1.1.2022 rechtskräftig. Später sollen zusätzlich die übrigen Umweltziele einbezogen werden. Mit dem Inkrafttreten der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird der Anwenderkreis ausgeweitet.

Deutschlands Beitrag zum Green Deal

Um die Ziele der EU bis 2030 zu erreichen, haben alle Mitgliedstaaten einen eigenen Nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) der Europäischen Kommission vorgelegt. Der finale Nationale Energie- und Klimaplan Deutschlands gliedert sich in folgende Bereiche: Verringerung der CO2-Emissionen durch Abbau der Treibhausgase und Ausbau der erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, Energieversorgungssicherheit, Energiebinnenmarkt sowie Forschung, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit. Ab 2023 muss alle zwei Jahre ein Fortschrittsbericht zum NECP erstellt werden, denn die EU-Kommission prüft in regelmäßigen Abständen die Umsetzung der geplanten Maßnahmen.

Mit dem geänderten Klimaschutzgesetz hat die Bundesregierung die Ziele sogar weiter verschärft. Die Treibhausgasneutralität etwa soll schon bis 2045 erreicht werden. Bereits bis 2030 sollen die Emissionen der Treibhausgase um 65 % gegenüber 1990 sinken. Weiterhin gibt das Klimaschutzgesetz an, wie viel CO2 jeder Sektor (Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft sowie Abfallwirtschaft) jährlich ausstoßen darf und legt die Verantwortlichkeit der jeweiligen Bundesministerien für die Einhaltung der Sektorziele fest. 

Diese Verantwortung soll nun nach Kontroversen in der Ampelkoalition weichgezeichnet werden, indem künftig eine sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung angewendet wird. Auch im nationalen CO2-Emissionshandel, den Deutschland 2021 einführte, um die Sektoren Wärme und Verkehr zu erfassen, wurde bereits Vereinbartes wieder aufgeweicht. Im Verlauf der Energiepreisexplosion Ende 2022 wurde nämlich beschlossen, die ab 2023 anstehenden Erhöhungen des CO2-Preises um jeweils ein Jahr zu verschieben.

Investitionen und Finanzierung

Die EU-Kommission sieht den Green Deal als „neue Wachstumsstrategie, mit der die EU zu einer fairen und wohlhabenden Gesellschaft mit einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft werden soll“. Das erfordert allerdings massive Investitionen mit entsprechend hohem Finanzierungsbedarf. Die Kommission rechnet mit mindestens einer Billion Euro über die nächsten zehn Jahre für nachhaltige Investitionen. Das Geld wird teils über den EU-Haushalt, teils über private und öffentliche Investoren beschafft. Verlässliche Rahmenbedingungen sind allerdings entscheidend für die Investitionsbereitschaft.

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Foto: © unsplash.com, Ben Mathis Seibel

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