Greenwashing: Nur eine gute Story?

Alexander Rabe
Hier gehts zur Invest mit dem AnlegerPlus Aktionscode ANLEGER24

Das Angebot an nachhaltigen Investmentfonds und ETFs am Markt nimmt rasant zu. Doch damit einhergehend wird Anbietern öfter vorgeworfen, Greenwashing zu betreiben und damit Anleger zu täuschen.

Mit Greenwashing (auf Deutsch „Grünwaschen“ oder „Grünfärben“) bezeichnet man eine Strategie, mit der sich Akteure gezielt das Image einer ökologischen Verantwortung verschaffen, ohne ausreichend nachhaltige Aspekte tatsächlich in der eigenen Unternehmensphilosophie oder den angebotenen Produkten zu verankern.

Anzeige

Damit ist nicht automatisch gesagt, dass mit Greenwashing die Unwahrheit gesagt wird. Die Produkte halten bei genauerem Hinsehen jedoch den „grünen Behauptungen“ unter umweltfreundlichen Gesichtspunkten nicht stand. Ein Vorwurf, dem sich auch die Fondsbranche in Bezug auf die angebotenen ESG-Fonds ausgesetzt sieht. Wir haben uns hierzu mit Investmentberater und Fondsexperten Alexander Rabe unterhalten, der für AnlegerPlus auch das Fondsmusterdepot managt.

Herr Rabe, mogeln Fondsanbieter beim Thema Nachhaltigkeit?

Nicht nur die Anzahl an nachhaltigen Fonds und ETFs steigt kräftig, auch das damit verwaltete Vermögen verzeichnet ein dynamisches Wachstum. Anleger sind also interessiert und gerne bereit, nachhaltig zu investieren. Natürlich ist jede Fondsgesellschaft bestrebt, einen möglichst großen Teil des Kuchens abzubekommen.

Das kann aber doch keine Rechtfertigung für Greenwashing sein?

Man sollte mit dem Vorwurf des „Greenwashing“ vorsichtiger umgehen. Es gibt berechtigte und differenzierte Kritik, die der Sache dient. Der Versuch, Skandale zu kreieren, ist aber kontraproduktiv.

Wie jede Branche wirbt eben die Finanzindustrie ebenfalls für ihre Produkte und versucht, sie in einem möglichst positiven Licht darzustellen. Das halte ich auch für legitim. Kritisch wird es allerdings, wenn zugesagte Eigenschaften nicht eingehalten werden. Sind beispielsweise bei einem Fonds Investitionen in Rüstungskonzerne oder die Atomindustrie ausgeschlossen, dürfen solche Unternehmen fraglos nicht im Portfolio auftauchen. Das ist aber auch nicht das Problem.

„Es gibt keine einheitliche Definition dafür, was nachhaltig ist und was nicht.“

Sondern?

Zunächst einmal gibt es keine einheitliche Definition dafür, was nachhaltig ist und was nicht. Wie schwer es ist, hier einen allgemein anerkannten Standard zu setzen, zeigen die grundsätzlich begrüßenswerten Bemühungen der EU, eine Taxonomie für nachhaltige Kapitalanlagen zu schaffen. Hier erregte der Plan, Atom- und Gaskraftwerke als nachhaltige Technologien einzustufen, heftiges Aufsehen. Übrigens wird dieser Vorstoß auch von weiten Teilen der Fondsindustrie kritisiert.

Ein weiterer Punkt sind die Erwartungen der Anleger. Vorstellungen und Realität, was die Investments nachhaltiger Fonds und ETFs angeht, gehen hier teilweise weit auseinander.

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Dafür ist sicher die Kommunikation der Fondsgesellschaften verantwortlich. Aber auch der manchmal eher oberflächliche Informationsstand von Anlegern. Nachhaltige Fonds verfolgen unterschiedliche Konzepte. Nahezu alle haben gemein, dass bestimmte Investments ausgeschlossen werden. Doch dann kommen die Unterschiede: Sogenannte Best-in-Class-Fonds investieren in alle Branchen, also beispielsweise auch in den Energiesektor (Öl und Gas). Beim ESG-Ansatz (Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) läuft es ähnlich. Mögliche Zielunternehmen werden nach diesen Kriterien gefiltert und die schlechtesten fallen raus. Auf diese Art werden ESG-Indizes geschaffen, die viele ETFs nachbilden.

Und dann gibt es noch die nachhaltigen Themenfonds und ETFs sowie wirkungsorientierten Impact-Fonds. Hier wird tatsächlich darauf geachtet, welche Dienstleistungen oder Produkte ein Unternehmen anbietet und wie diese zum Erreichen von Nachhaltigkeitszielen beitragen.

Das alles ist also nicht so einfach zu durchschauen …

Was hauptsächlich der Komplexität der Materie geschuldet ist. Klar versucht die Fondsindustrie, ihre Produkte im besten Licht erscheinen zu lassen. Wer sich vor einem Engagement in einen Fonds oder ETF genauer informieren möchte, findet aber genug Quellen. Ich denke dabei an monatliche Datenblätter und die Pflichtdokumente wie wesentliche Anlegerinformation, Prospekt und Rechenschaftsberichte. Für ausreichend Transparenz ist gesorgt, auch wenn das etwas Mühe kostet.

Die positiven Auswirkungen einer Anlage in Impact-Fonds werden teils zu rosig dargestellt, bemängeln Verbraucherschützer. Sie gingen erfolgreich gegen solche Werbeversprechen vor.

Richtig, man kann eine 10.000-Euro-Anlage in einem Aktienfonds nicht einer Vermeidung bestimmter Mengen an Müll, Wasserverbrauch oder CO2-Ausstoß gleichsetzen. Solche Impact-Rechner sind zwar plakativ und werbewirksam, hier wird der Bogen aber überspannt.

Daten für die Berechnung von Ressourcenverbrauch sind nicht einfach zu ermitteln und daher mit Vorsicht zu genießen. Strenge Kritiker bemängeln sogar die Begriffe Einsparung und Vermeidung, denn genau genommen verbraucht auch der nachhaltigste Produktionsprozess Ressourcen und hinterlässt einen ökologischen Abdruck. Bei Impact-Investments gilt es daher, nicht nur danach zu schauen, welche positive Wirkung erzielt wird, sondern auch darauf zu achten, dass in anderen Bereichen kein übermäßiger Schaden verursacht wird.

Was geben Sie Lesern, die nachhaltig investieren möchten, mit auf den Weg?

Die gute Botschaft: Wer in nachhaltige Fonds und ETFs investiert und dabei auf eine breite Streuung der Anlagen und das eigene Risikoprofil achtet, kann nichts falsch machen. Haben Anleger jedoch individuelle Vorstellungen, was Nachhaltigkeit betrifft, ist eine intensivere Auseinandersetzung mit der Materie unabdingbar.

Es gibt nicht die schlechte konventionelle und die gute nachhaltige Geldanlage. Die Welt ist grau, mal heller, mal dunkler. Auch nachhaltige Geldanlage hat Kompromisse einzugehen und ist daher nicht perfekt – sie kann es nicht sein. Aber nachhaltig investiertes Kapital erzeugt Druck auf die Verantwortlichen, in Unternehmen etwas zu verändern. Das ist ein Prozess, der uns schrittweise voranbringt. Was heute als vorbildliches Verhalten angesehen wird, soll in ein paar Jahren breiter Standard sein. So wird eine nachhaltige Wirkung erzielt!

Herr Rabe, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: © Rabe Investmentberatung GmbH

AnlegerPlus