Taiwan – der Halbleiter-Standort zwischen den Supermächten

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Warum ist Taiwan so wichtig für die globale Halbleiter-Industrie? Warum rangeln die Supermächte um die kleine Insel? Und was haben die Multimilliarden Subventionsprogramme von EU und USA damit zu tun?

Was einst als Transistor die Elektronikindustrie revolutionierte, wurde um 1960 zur eigenständigen Halbleiterindustrie. Deren integrierte Schaltkreise, Memory- und Logic-Chips bilden heute das Rückgrat nahezu jeder Industrie. Obwohl wettbewerbsentscheidend, bleibt die Chipindustrie dennoch heftigen Zyklen unterworfen. Und jeder Innovationsschub bringt zugleich Chancen für neue Akteure, während alte aus dem Markt geworfen werden.

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Noch in den 1970er-Jahren machten Texas Instruments, Motorola und Philips das Rennen, in den 80ern schoben sich NEC, Toshiba und Hitachi nach vorne, dann Intel und Samsung. Was die Veränderungen bei den Umsatzspitzenreitern nicht offenbaren, sind die strukturellen Änderungen. Seit den Gründungszeiten des Silicon Valleys hat sich eine Arbeitsteilung etabliert: Chip Design, auch Fabless genannt, und Auftragsproduzenten (Foundry). Es gab und gibt auch Mischformen. Zwischenzeitlich haben sich zudem Spezialisten für Testing, Packaging etc. etabliert. Doch die Zweiteilung hat sich immer weiter akzentuiert. 

Marktführer TSMC

Und so wurde die weltweit führende Foundry Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) zum inzwischen wichtigsten Player im Universum der Halbleiter. Über 90 % der fortgeschrittenen Prozessoren werden von TSMC gefertigt. Nur Intel und Samsung sind auch dazu in der Lage, jedoch fehlen diesen die Kapazitäten. TSMC ist seit 2019 unter den Top 20 der globalen Dividendenzahler, der Umsatz hat sich mehr als verdoppelt. Die Nettomarge 2022 betrug 45 %. Mit einer Marktkapitalisierung von 446 Mrd. US-Dollar ist es nach Nvidia das höchstbewertete Chip-Unternehmen weltweit.  

Schon früh hatte die Regierung in Taiwan den kühnen Entschluss gefasst, die wirtschaftlichen Ressourcen auf die zukunftsträchtige Halbleiterindustrie zu konzentrieren. Zunächst in der Forschung, dann in der Industrie. Das führte 1987 zur Gründung von TSMC. Philips war mit 27,5 % Gründungsaktionär. Seit 1993 ist das Unternehmen in Taiwan börsennotiert und war 1997 das erste taiwanesische Unternehmen an der New Yorker Börse. 

Bereits in den Anfangszeiten der 60er-Jahre erkannte der Intel-Mitgründer Gordon Moore, dass sich die Computing Power alle zwei Jahre durch die Anzahl der Transistoren auf einem Silicon-Wafer verdoppeln lässt. Die frühen Supercomputer von IBM waren so groß wie eine Wohnung und hatten weniger Rechenleistung als die 15 Mrd. Transistoren, die heute allein ein A15-Prozessor im Apple iPhone hat. Dieser Wettlauf gegen die Konkurrenz und die Zeit ist enorm kapitalintensiv. 2020 eröffnete TSMC in Taiwan die weltweit erste Fabrik für 3-nm-Prozessoren. Die Kosten beliefen sich auf 19,5 Mrd. US-Dollar. Zahlreiche weitere Fabrikationsstätten werden errichtet und erweitert. Noch 1990 waren 600-nm-Prozessoren Standard. 

Zwischen den Supermächten

Der Vorteil von Taiwan war stets die Verfügbarkeit von ausgebildetem Fachpersonal bei günstigen Produktions- und Lohnkosten. Doch die Grenzen sind erreicht, die Produktion wird zunehmend verlagert, etwa nach Japan und in die USA. Trotz der ideologischen und politischen Unterschiede sind taiwanesische Unternehmen und insbesondere TSMC für die Volksrepublik China wichtige Partner. Die zunehmenden militärischen Muskelspiele Chinas und der USA haben aber zuletzt die Atmosphäre verschlechtert. Das war auch der Grund für Warren Buffett, die 2022 aufgebaute Beteiligung an TSMC nach nur drei Monaten wieder zu veräußern.

Bisher werden die Apple-Produkte in Kalifornien designt, die Prozessoren in Taiwan produziert und die Endfertigung in China vorgenommen. Doch jetzt ist die Welt eine andere. Halbleiter sind zur ultimativen Waffe im Wirtschaftskrieg der Supermächte geworden. Das zeigt sich deutlich darin, dass der niederländische Hersteller von Fabrikationstechnologie ASML seine neueste Technologie auf Drängen der USA und der EU durch Regierungsentscheid von Anfang März nicht nach China liefern darf. Es geht um die Deep-Ultra-Violet-Technologie, kurz DUV, die nur der Weltmarktführer ASML beherrscht und die auch militärisch relevant ist. Und auch Deutschland plant Medienberichten zufolge, den Export von Chemikalien, die für die Herstellung von Halbleitern benötigt werden, nach China zu beschränken. Chemie von Merck und BASF steckt in Halbleitern.

Deutlicher Forschungsvorsprung

Gleichzeitig liefern sich vor allem die EU und die USA einen Subventionswettlauf, um Autarkie bei der Schlüsseltechnologie Halbleiter zu gewinnen. Dies erscheint jedoch illusorisch. Nach Ansicht von Brancheninsidern ist TSMC bei der Halbleiterfertigungstechnologie allen anderen zehn Jahre voraus. Wenn die erste 5-nm-Fabrik außerhalb Taiwans in Phoenix, Arizona nach 12 Mrd. US-Dollar Investitionen 2024 die Produktion aufnimmt, wird sie durch die 3-nm-Technologie abgelöst. Und Fachkräfte brauchen erst 18 Monate Schulung in Taiwan. 

Die Kernfrage ist, ob sich China diese technologische und potenziell kriegsentscheidende Vormachtstellung von TSMC einverleiben wird, bevor das Know-how vom Westen absorbiert wurde. Das ist die größte Angst im Westen. Sehr wahrscheinlich ist das aber nicht, denn noch immer profitiert China von den bestehenden Marktstrukturen und gewinnt Zeit für eigene Entwicklungen.

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