Keine Untersagung einer Hauptversammlung wegen Corona

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Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat den Eilrechtsschutz auf Untersagung einer Hauptversammlung (HV) angesichts der Covid-19-Pandemie vor der Einberufung abgelehnt (Entscheidung vom 26.3.2020, Az. 5 L 744/20.F).

Die Coronakrise stellte viele Gesellschaften vor Schwierigkeiten in der Durchführung ihrer auf Präsenz ausgerichteten Versammlungen. Der Gesetzgeber reagierte schnell und schaffte vorübergehend Erleichterungen zur Verschiebung der HV und zur Durchführung, bei der eine Ausübung der Rechte ohne physische Teilnahme des Aktionärs möglich ist. Grundlage dafür ist das Covid-19-Folgen-Abmilderungsgesetz im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht. Das vorliegende Verfahren wurde vor dieser Rechtsänderung angestrengt. Das Gericht hegt dabei Zweifel, ob der Gesundheitsschutz tatsächlich die Intention des Antragstellers war.

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Sachverhalt

Der Antragsteller wollte im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angesichts der Covid-19-Pandemie den Erlass einer ordnungsbehördlichen Verfügung gegenüber der beigeladenen Aktiengesellschaft (AG) erwirken. Der AG sollte die Durchführung ihrer für Mai 2020 geplanten Hauptversammlung untersagt werden. „Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe seit 2003 an allen Hauptversammlungen der Beigeladenen als ‚kritischer Aktionär‘ teilgenommen und verschiedentlich Beschlussfassungen (…) als Kläger und Nebenintervenient angefochten.“

Im derzeitigen Vorfeld der für Mai 2020 geplanten HV „habe sich weltweit eine tödlich verlaufende Infektionskrankheit von höchster Alarmstufe ausgebreitet, die die Weltgesundheitsorganisation als Pandemie einstufe.“ Der Aktionär „ist der Auffassung, dass sämtliche Großveranstaltungen mit sofortiger Wirkung zu verbieten seien, bei denen sich Menschen über längere Zeit ungeschützt und in Enge aufhielten. Diese Verantwortung trage auch die Beigeladene für die Gesellschaft und ihre Aktionäre sowie Arbeitnehmer.“ Die technischen und örtlichen Gegebenheiten würden dem Gesundheitsschutz nicht ausreichend Rechnung tragen. „Die avisierte Hauptversammlung sei angesichts ihres Charakters als Massenveranstaltung zum Schutz der Teilnehmer ‚augenblicklich‘ zu untersagen.“

Die Behörde war der Auffassung, „der Antragsteller sei nicht antragsbefugt, weil das Infektionsschutzgesetz, insbesondere § 28 IfSG, keine drittschützende Wirkung entfalte. Die Vorschrift enthalte einen objektiv-rechtlichen Auftrag an die zuständigen Behörden, jedoch keine subjektiven Rechtsansprüche Dritter. […] Für den Antrag bestehe schließlich kein Rechtsschutzinteresse, da der Vorstand der Beigeladenen die Hauptversammlung noch nicht einberufen habe. Die Situation zum Zeitpunkt der Hauptversammlung sei nicht absehbar. Hinzu komme, dass die Bundesregierung ein Gesetz zu virtuellen Hauptversammlungen beschließen wolle.“ Selbst „eine bereits einberufene Hauptversammlung könne jedenfalls bis zum vorgesehenen Versammlungstag noch abgesagt werden. Ob an der bisherigen – rechtlich unverbindlichen – Planung festgehalten und wie auf die Herausforderungen reagiert werde, die sich durch die weltweite Pandemie stellten, sei gänzlich offen.“

Antrag vor Einberufung erfolglos

„Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung) oder die Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes erforderlich ist (Regelungsanordnung).“

Der „Sicherungszweck einer einstweiligen Anordnung verbietet es dabei grundsätzlich, der Behörde bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Erlass des beantragten Verwaltungsakts aufzugeben und damit die Hauptsache vorwegzunehmen. Es bestehen schon Zweifel, ob eine die Hauptsache vorwegnehmenden Regelungsanordnung, mit welcher die Antragsgegnerin zum Erlass einer endgültigen und sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung gegenüber der Beigeladenen verpflichtet wird, vorliegend ausnahmsweise gerechtfertigt ist. […] Es fehlt jedenfalls am Anordnungsgrund.“

Das Gericht verkennt nicht, „dass das Robert-Koch-Institut die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit insgesamt als hoch einschätzt und nach dessen ‚Allgemeinen Prinzipien der Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung für Veranstaltungen‘ der vorrangigen Gesundheitssicherheit der Bevölkerung Rechnung zu tragen ist.“

Der Antragsteller hat aber schon nicht glaubhaft gemacht, dass die Beigeladene bei unveränderter Risikobewertung der Covid-19-Pandemie ihre Hauptversammlung im Mai 2020 […] durchführen und dass die Antragsgegnerin in diesem Fall nicht die notwendigen Schutzmaßnahmen und Anordnungen treffen wird. […] Eine Einberufung der Hauptversammlung durch die Beigeladene ist weder im Zeitpunkt der Antragstellung noch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erfolgt.

Nichts anderes ergibt sich aus der vom Antragsteller dem Gericht vorgelegten, nicht authentifizierbaren, undatierten E-Mail, die nach seinem eigenen Vorbringen vom Aufsichtsratsvorsitzenden der Beigeladenen stammen soll. Im Gegenteil ist den ersten Zeilen zu entnehmen, dass die Beigeladene die Lage selbstverständlich sehr genau beobachtet und Entscheidungen über die Hauptversammlung zu gegebener Zeit treffen sowie kommunizieren wird.“

Motive des Antragstellers

„Letztlich offenbart der Antragsteller sein eigentlich verfolgtes Begehren, indem er betont, dass er als ‚kritischer Aktionär‘ an den Hauptversammlungen der Beigeladenen teilgenommen und verschiedentlich Beschlussfassungen als Kläger und Nebenintervenient angefochten habe.

So kritisiert der Antragsteller im hiesigen Eilverfahren die Beigeladene wegen ‚erheblicher finanzieller und Image-Schwierigkeiten‘ sowie das Stimmübergewicht der Großaktionäre. Weiterhin bemängelt er die Art und Weise der Durchführung der Hauptversammlung, die technischen Voraussetzungen für eine Großveranstaltung vor Ort seien als beschränkt zu bezeichnen, da etwa die Auszählung ohne Aufsicht eines Notars oder Versammlungsleiters erfolge. Weder das Infektionsschutzgesetz als Teil des Gefahrenabwehrrechts noch das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren dienen jedoch der Verfolgung von Aktionärsinteressen.“

Bild: © Pulwey – fotolia.com

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