Wie Europa die Chancen der Neuen Seidenstraße zu verschlafen droht

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Berlin (pts037/30.10.2019/17:25) – Nach Ansicht europäischer Experten der chinesischen Wirtschaft wird der Schienenverkehr zwischen Europa und Fernost zunehmen und die Frachttransporte auf See immer stärker ergänzen. Darauf weisen viele Indikatoren hin. Allerdings ist das Verhältnis noch zu wenig ausgewogen: Während die Fahrten von China nach Europa gut ausgelastet sind, gibt es auf der Strecke von Europa nach China noch Leerfahrten. Die Europäer, so die Experten, wirken im Vergleich zur chinesischen Langzeitstrategie naiv und schläfrig. Das langfristige Planen der Chinesen und das oft kurzatmige Denken der Europäer spiegeln sich in der Auslastung des eurasischen Schienenfrachtverkehrs wider.

Österreich ist eine der wichtigsten Drehscheiben im Frachtverkehr zwischen Europa und China, dementsprechend befassen sich in Wien zahlreiche Experten mit logistischen Fragen Eurasiens. Sie sind auf internationalen Kongressen begehrte Teilnehmer. Der Tenor solcher Veranstaltungen lautet: Europa sollte die Chancen der Neuen Seidenstraße zwar mit Vorsicht, aber dennoch ergreifen. Noch sieht Europa die Projekte mit gemischten Gefühlen.

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Das Verkehrsaufkommen auf der Neuen Seidenstraße könnte bis 2025 auf rund eine Million TEU (Standardcontainer) steigen. Alexei Grom, Generaldirektor des eurasischen Logistikdienstleisters UTLC ERA, erläutert, dass sein Unternehmen 2018 bereits 280.500 TEU von Europa nach China und von China nach Europa transportiert habe. Tendenz steigend. „Unter Berücksichtigung der zusätzlichen Kosteneinsparungen durch kürzere Lieferzeiten kann die Eisenbahn eine hervorragende Lösung für eine noch größere Anzahl europäischer Unternehmen sein“, findet Grom.

Gefragt, ob er Frachtunternehmen wie dem russisch-kasachisch-belarussischen UTLC ERA Chancen für die Zukunft einräume, antwortet Prof. Dr. Georg Zanger, Präsident der Austria China Business Association: „Ich gebe ihnen eine Chance, weil ich denke, dass der Handel zunehmen wird. Insbesondere in der jetzigen Situation müssen wir davon ausgehen, dass die US-Sanktionen langfristig nachhaltige Folgen im Verkehr zwischen Europa und China haben werden. Ich bin sicher, dass im Moment nicht die Frage der Investitionen von Chinesen im Ausland im Vordergrund steht, sondern vielmehr das Ziel, Handel zu betreiben und zu fördern.“ Daher hätten gerade Unternehmen, die mit dem Transportwesen zu tun haben, Zuwachsraten zu erwarten. Eine Prognose sei aber nur unter Ausschaltung der Frage Krieg oder Frieden realistisch möglich. Zanger ist zuversichtlich: „Da würde ich sagen: Das wird sich nachhaltig entwickeln.“

Ob er den Seeweg oder die Bahnstrecke bevorzugen würde, falls er selbst als Unternehmer Produkte nach China exportieren müsste, meint Zanger: „Das hängt von den Produkten, der Tonnage und den Partnern ab – und von der Zeitdimension. Wähle ich den billigeren längeren Weg oder den kürzeren teureren Weg? Es kommt darauf an, wie schnell bestimmte Sachen transportiert werden müssen. Wenn es um Elektronikprodukte geht, werde ich wohl die Bahn bevorzugen.“

Ähnlich sieht es Prof. Dr. Andreas Breinbauer, Rektor der Hochschule für Wirtschaft, Management und Finance in Wien: Textilien und andere Güter, bei denen China bis jetzt führend gewesen sei, würden weiterhin auf dem Seeweg transportiert werden. Aber durch die „Made in China 2025“-Initiative habe sich die Exportstruktur geändert. „China ist ein High-Tech-Exportland geworden und wird es, wenn die Strategie weiterhin so umgesetzt wird, immer mehr werden. Es geht um zeitsensible, kostenintensive Produkte, für die man einerseits Vorkomponenten aus Europa beziehen und auf der anderen Seite Elektronikartikel oder Bildschirme nach Europa exportieren möchte. Das sind Güter, die, wenn sie dreißig Tage oder mehr mit dem Schiff unterwegs sind, schon an Wert verlieren.“ Der Produktlebenszyklus dieser Produkte sei sehr begrenzt, daher sei für spezifische Produktrouten ein schneller Bahnverkehr optimal, noch dazu wenn der Preis dafür zwischen Flugzeug und Schiff liege.

Diese Produktrouten werden auch in China mit chinesischem Know-how immer mehr entwickelt. „Europa hätte genauso die Möglichkeit, High-Tech-Produkte schneller nach China zu exportieren.“ Dass in der Richtung von Europa nach China nicht alle Container oder Züge voll ausgelastet seien, liege an den Europäern selbst. „Die Europäer müssen diesen Schienenweg mehr und mehr entdecken“, so Breinbauer. Da die Nachfrage in Richtung China noch nicht so groß sei, könnten die Logistikunternehmen sogar mit günstigeren Preisen rechnen.

Von den Chinesen könnten sich die Europäer abschauen, wie man langfristig, multiskalar und ganzheitlich denkt. „Das beeindruckt mich wirklich“, räumt Breinbauer ein. Die Resultate Chinas seien unglaublich, in vielen Bereichen seien die Ziele übererfüllt. Dagegen sei Europa ein schlafender Riese. „Europa schläft. Und es ist sich selbst nicht einig. Es gibt keine langfristige ganzheitliche Sichtweise, einzelne Punkte zu verbinden.“

Währenddessen würden die Chinesen in immer weitere Destinationen investieren, laufend ausbauen und die Bahntransporte subventionieren. „Es gibt auch künftig keinen vernünftigen Grund für die Chinesen, die Subventionen zurückzufahren.“ Breinbauer sagt: „Ich vermisse schmerzlich einen selbstbewussten europäischen Standpunkt angesichts Chinas wachsendem Einfluss. Eine ausgewogene europäische Sicht fehlt hier noch.“

Die vermisst auch Thomas Kargl, Vorstandsmitglied in der Rail Cargo Group (RCG), Tochter der Österreichischen Bundesbahnen ÖBB. Schienengüterverkehre seien zwar umweltfreundlich, billiger als Luft- und schneller als Seefracht, doch sei die größte Hürde zwischen China und Europa noch nicht überwunden: Von China bis vor die Tore Europas liefen die Transporte relativ zügig, aber innerhalb Europas rollten die Güterzüge schleppend über die Landesgrenzen. Hauptgrund dafür sei nach wie vor die mangelnde Interoperabilität.

Alexei Grom zeigt sich optimistisch: „Heute fahren wir auf der Eisenbahnstrecke mit einer Spurweite von 1520 mm mit einer Geschwindigkeit von mehr als 1000 Kilometer pro Tag. Wir schlagen vor, dass die Europäer ein ähnliches Projekt starten, beispielsweise vom belarussisch-polnischen Grenzbahnhof Malaschewitschi bei Brest in jede europäische Hauptstadt in weniger als 24 Stunden. Es scheint mir, dass wir unsere Partner und Nachbarn zunehmend mit der Idee anstecken können, dass dieser Transit für alle gut und im Interesse von Unternehmen und betroffenen Ländern wäre.“ Die Entwicklungen in Technologie und Kommunikation machten es möglich, dass es immer weniger Einschränkungen gebe. Die Europäer müssen dies wohl noch entdecken.

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Aussender: UTLC

Ansprechpartner: Alexandra Ogneva

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[ Quelle: http://www.pressetext.com/news/20191030037 ]

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