Morgantown (pte003/12.03.2020/06:10) – Die Praxis lokaler Regierungen und Stadtverwaltungen, Konzerne wie Amazon mit Steuererlässen anzulocken, bringt mehr wirtschaftlichen Schaden als Nutzen. Besonders deutlich bekommt das die Arbeiterschaft der „Mittelschicht“ zu spüren, die durch einseitige Steuerstrategien unter Druck gerät. Zu dem Ergebnis kommt die West Virginia University (WVU) http://wvu.edu , die Daten zur Wirtschaftsentwicklung in mehreren US-Bundesstaaten zwischen 2000 und 2015 ausgewertet hat.
„100 bis 200 Mrd. Euro weniger“
„Die Strategie der Steuervermeidung von großen, global agierenden Konzernen hat in den 1980er-Jahren in den USA begonnen“, erklärt Werner Rügemer, Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von attac Deutschland http://attac.de , im Gespräch mit pressetext. Nachdem US-Investoren seitdem vermehrt auch in Europa auf Einkaufstour gingen, sei dieser Trend schließlich auch in der EU angekommen. „Zu den wirtschaftlichen Effekten dieser Strategie gibt es viele Untersuchungen. Aktuelle Zahlen gehen davon aus, dass den Mitgliedstaaten dadurch jährlich zwischen 100 und 200 Mrd. Euro an Steuereinnahmen entzogen werden“, betont der Experte.
Dieser beträchtliche Verlust an Steuergeldern habe wiederum negative Konsequenzen auf die öffentliche Infrastruktur. „Ob Schulgebäude oder Abwassersysteme – all das wird zugunsten der digitalen Industrie vernachlässigt“, kritisiert Rügemer. Letztendlich treffe das auch die Arbeiterschaft. „Weil große Teile der öffentlichen Infrastruktur privatisiert werden, steigen auch die Preise. Das bekommen vor allem diejenigen zu spüren, die weniger verdienen“, erläutert der Fachmann: „Auch das Versprechen von unzähligen neu geschaffenen Jobs bewahrheitet sich für die meisten nicht. Während womöglich ein paar neue Stellen für gutbezahlte Manager entstehen, schauen schlechter qualifizierte Arbeitskräfte durch die Finger.“
„‚Mittelschicht‘ im Straucheln“
„Wenn wirtschaftliche Anreize falsch eingesetzt werden, kann das nicht nur dazu führen, dass die Arbeitslosenzahlen nicht nach unten gehen, sondern auch dazu, dass die Arbeiterschaft der ‚Mittelschicht‘ immer mehr ins Straucheln gerät“, fasst WVU-Professorin Heather Stephens ihre aktuellen Studienergebnisse zusammen. Dabei machen Jobs mit mittleren Einkommen in den USA knapp 60 Prozent der Erwerbstätigkeit aus. „Trotzdem müssen große Konzerne weiterhin nur die niedrigsten Steuersätze bezahlen – und die Kluft wird immer größer“, stellt die Wissenschaftlerin fest.
Zur Untermauerung ihrer Ergebnisse verweist Stephens auf zwei konkrete Beispiele: die Stadt San Antonio in Texas und Birmingham in Alabama. „In San Antonio hat man Anfang der 2000er-Jahre eher die Konzerne begünstigt. Seit 2015 hat man aber umgeschwenkt und sich verstärkt auf die Arbeiterklasse konzentriert. Das hat sich wirtschaftlich bereits bezahlt gemacht“, schildert die Expertin: „In Birmingham ist die Entwicklung hingegen umgekehrt verlaufen, was zum Rückgang bei den allgemeinen Beschäftigungszahlen geführt hat.“
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