Technische Chartanalyse für Aktienanfänger erklärt

Bulle der auf einem Chart nach oben steigt
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Kianusch Cacace, Börse Stuttgart

Kaffeesatzleserei oder Frühwarnsystem? Mit der technischen Chartanalyse wollen Investoren erkennen, ob ein Kurs künftig steigt oder fällt. Anlegern kann die Charttechnik dabei helfen, den richtigen Einstieg für ein Investment zu finden.

Auf welchem Kursniveau ist es sinnvoll, ein Wertpapier zu kaufen? Wohin könnte sich ein Kurs entwickeln? Und wo liegen mögliche Kursziele, um Gewinne zu realisieren? Die Chartanalyse, auch technische Analyse genannt, hilft dabei, Antworten auf diese Fragen zu finden. Sie versucht, aus dem bisherigen Kursverlauf eines Wertpapiers – dem Chart – darauf zu schließen, ob der Kurs künftig steigen oder fallen wird.

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Anders als die Fundamentalanalyse zieht die Chartanalyse also weder Bilanzen noch Kennzahlen heran, um zu bestimmen, ob eine Aktie eher billig oder teuer ist. „Ziel ist es nicht, den Markt zu schlagen, absolute Tiefpunkte oder niedrige Bewertungen einzelner Aktien zu identifizieren“, sagt Jürgen Dietrich, Handelsexperte an der Börse Stuttgart. „Es geht darum, mögliche Trends frühzeitig zu erkennen und davon zu profitieren.“

Inhalt

  1. Der Unterschied zwischen Linien- & Candlestickcharts
  2. Technische Analyse basiert auf Formationen und Preisdurchschnitten
    1. Die Bedeutung von Preisdurchschnitten
  3. Drei Annahmen für die Charttechnik
    1. Annahme Nr. 1
    2. Annahme Nr. 2
    3. Annahme Nr. 3
    4. Kritik
  4. Technische Chartanalyse in der Praxis
  5. Tipp für Investoren: Trading Desk der Börse Stuttgart

Der Unterschied zwischen Linien- & Candlestickcharts

In erster Linie lässt sich aus einem Chart der Kursverlauf eines Wertpapiers über verschiedene Zeiträume betrachten. In einem Chart stecken aber weit mehr Informationen – etwa über Kursmuster und übergeordnete Trends in der Entwicklung des Wertpapiers. Diese sind schon beim Linienchart, der einfachsten Illustration des Kursverlaufes, schnell zu erkennen: Hier verbindet eine Linie die börsentäglichen Schlusskurse miteinander.

Bei der technischen Analyse weitaus häufiger zum Einsatz kommt der sogenannte Candlestick-Chart. Er besteht aus grünen und roten „Kerzen“. Jede Kerze steht für einen Handelstag. Eröffnungs- und Schlusskurs des Tages bestimmen den Körper der Kerze: Ist sie grün, lag der Schlusskurs über dem Eröffnungskurs. Die Nachfrage war an diesem Handelstag also stärker als das Verkaufsinteresse. Lag der Schlusskurs dagegen unterhalb des Eröffnungskurses, ist die Kerze rot gefärbt. Das obere Ende der Kerze, der Docht, markiert den Höchstkurs eines Tages, das untere Ende, die Lunte, den Tiefstkurs. Manchmal sind die Kerzen in Candlestick-Charts auch weiß statt grün und schwarz statt rot gefärbt.

Technische Analyse basiert auf Formationen und Preisdurchschnitten

Die Kerzen zeigen nicht nur den reinen Kursverlauf an, sie bilden auch bestimmte Muster. Auf solche Formationen achten technische Analysten, da sie wiederkehrende Verhaltensweisen der Marktteilnehmer widerspiegeln. Um sie zu erkennen, betrachten Charttechniker nebeneinanderliegende Kerzen oder verbinden mehrere Tief- oder Hochpunkte im Chart von links nach rechts. So entstehen Trendlinien, die wichtige Unterstützungs- oder Widerstandsmarken offenbaren, z. B. künftige Kursniveaus, an denen ein Kursverlauf gestoppt oder unterstützt werden könnte. „Widerstandslinien signalisieren, welche Marke ein Kurs einfach nicht durchbrechen kann, sondern immer wieder daran abprallt“, ergänzt Dietrich.

Die Bedeutung von Preisdurchschnitten

Daneben sind auch Preisdurchschnitte ein beliebtes Werkzeug in der Charttechnik. Ein Analyst kann dabei frei wählen, für welche Anzahl an Tagen, Wochen oder Monaten er den Durchschnittspreis eines Wertpapiers berechnet haben möchte. Beliebt sind die Zeiträume der letzten 14, 38, 40, 100 und 200 Tage. Bei der 200-Tage-Linie wird beispielsweise für jeden Tag der Mittelwert der Schlusskurse der vergangenen 200 Handelstage berechnet. Die einzelnen Durchschnittskurse werden anschließend miteinander verbunden.

Die so entstandene Linie vergleichen Charttechniker nun etwa mit dem aktuellen Kurs der Aktie. Lag ein Kurs unter der Linie und durchbricht sie schließlich nach oben, kann dies als Kaufsignal interpretiert werden. Umgekehrt kann ein Durchbrechen der 200-Tage-Linie nach unten ein Verkaufssignal erzeugen. Solange kein Durchbruch erfolgt, fungiert die Linie aufgrund ihrer Signalwirkung als Widerstand bzw. Unterstützung.

Drei Annahmen für die Charttechnik

Die Charttechnik wurde bereits Anfang des 18. Jahrhunderts in Asien angewandt: Damals versuchte der japanische Reishändler Munehisa Homma, mithilfe von Candlestick-Charts die Entwicklung des Reishandels zu prognostizieren.

In der westlichen Welt wies Charles Dow, der Begründer des Dow-Jones-Index, Mitte der 1880er-Jahre erstmals auf die technische Analyse hin. Er ging schon damals davon aus, dass sich Finanzmärkte zyklisch entwickeln, Kurse wellenförmig verlaufen und sich mit der Zeit auch wiederholen, woraus sich Möglichkeiten für eine Prognose der Marktentwicklung ergäben.

Annahme Nr. 1

Dow stellte drei zentrale Annahmen für die Charttechnik auf. Die erste erklärt Jürgen Dietrich so: „Alle verfügbaren, für einen Finanzwert wichtigen Informationen werden bereits im Kurs reflektiert.“ Neue Fakten – Wirtschaftsdaten beispielsweise – preise der Markt unmittelbar ein.

Annahme Nr. 2

Die zweite Annahme besagt, dass Kurse nicht willkürlich ohne Muster schwanken, sondern Trends folgen. Diese will der Chartanalyst identifizieren. „Auch wenn es trivial klingt: Ein Trend setzt sich solange fort, bis es ein definitives Anzeichen für eine Trendänderung gibt. Bis dahin bleibt der aktuelle Trend bestehen“, so Dietrich.

Annahme Nr. 3

Die dritte Annahme: Geschichte wiederholt sich. „Man geht davon aus, dass die Mehrheit aller Investoren an einem bestimmten Punkt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu Wiederholungstätern wird.“ Das heißt, Kursmuster, die in der Vergangenheit zu einer gewissen Reaktion geführt haben, werden auch in Zukunft zur gleichen Reaktion führen, sofern sich das Muster im Chart wiederholt.

Kritik

Dem entgegengesetzt positioniert sich der Wirtschaftsnobelpreisträger Eugene Fama. Der Begründer der Markteffizienzhypothese geht in seiner Forschung zwar ähnlich wie Dow davon aus, dass alle bekannten und öffentlichen Informationen in den Kursen eingepreist sind. Anders als Dow meint Fama aber, dass sich daraus keine prognostizierbaren Entwicklungen und Zyklen für die Zukunft ableiten lassen.

Technische Chartanalyse in der Praxis

Ganz ohne Fehl und Tadel ist die Charttechnik also nicht. „Die Chartanalyse liegt nicht immer richtig, aber sie funktioniert zu großen Teilen“, bringt es Dietrich auf den Punkt. Sie sei vor allem eine visuelle Unterstützung. Ablesbar seien langfristige Trends, aber nicht, was morgen passiert. Nützlich sei die technische Analyse vor allem in einem Punkt: „Charts bilden den Herdentrieb ab und das lässt sich ausnutzen, etwa wenn viele Anleger aufgrund der Charttechnik an bestimmte Höchstmarken glauben.“

So dient die Charttechnik vor allem dazu, den geeigneten Zeitpunkt für ein Investment zu finden. „Ein Beispiel dazu: Ist ein Kurs kurz davor, eine wichtige Linie nach oben zu durchbrechen, könnten Anleger, die an eine positive Entwicklung glauben, eine Stop-Buy-Order auf oder knapp über den Kurs dieser charttechnischen Marke legen. Mithilfe dieser limitierten Order kaufen sie automatisch das Wertpapier, sobald der Widerstand nach oben durchbrochen wird“, erklärt Dietrich. Anleger sollten zur Auswahl eines Investments aber in jedem Fall auch die wichtigsten Unternehmenskennzahlen prüfen.

Für den Anfang rät Dietrich Neulingen auf dem Gebiet der Chartanalyse, lieber einfacher als kompliziert vorzugehen: „Nehmen Sie sich einen Chart vor und arbeiten Sie sich nach und nach an Widerstände und Formationen heran. Bei der Charttechnik ist das Beste: Learning by doing.“

Tipp für Investoren: Trading Desk der Börse Stuttgart

Der Trading Desk der Börse Stuttgart ist ein leistungsfähiges Tool für die Chartanalyse: Relevante Handelssignale, Muster und Formationen werden automatisch und in Echtzeit erkannt, die Nutzer direkt per Ticker und Sprachnachricht informiert. Dabei lassen sich alle Boxen mit Charts, Signalen, Kurslisten und News nach den eigenen Wünschen zusammenstellen und auf dem Bildschirm anordnen. Auch Analyseprofile mit bestimmten Indikatoren können die Nutzer speichern und wiederverwenden. Der Trading Desk ist kostenfrei und ohne Anmeldung unter folgender Domain verfügbar: https://trading.boerse-stuttgart.de

Bild: © phive2015 – istockphoto.com

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