Das Drittpartnergeschäft am Fallbeispiel Wirecard

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In den Medien war im Rahmen des Wirecard-Skandals viel über das Drittpartnergeschäft des ehemaligen DAX-Unternehmens zu lesen. Wie intransparent Wirecard darüber an die Anleger berichtete, welche Erkenntnisse sich dazu im Wambach-Bericht finden und welche Lehren sich daraus ziehen lassen, lesen Sie in diesem Beitrag. 

Für das hohe Umsatzwachstum bei Wirecard wurde mitunter das Drittpartnergeschäft (TPA-Geschäft) ins Spiel gebracht. Der Insolvenzverwalter Michael Jaffé, der den einstigen Börsenliebling abwickelt, hält das Drittpartnergeschäft von Wirecard jedoch für frei erfunden.

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Probleme bei der Erfassung von Umsätzen, wenn mehr als zwei Parteien an der Abwicklung des Geschäftes beteiligt sind, gibt es immer mal wieder. In jüngerer Vergangenheit hatte beispielsweise die Lion E-Mobility AG deswegen Stress mit den Wirtschaftsprüfern.

Bilanzkosmetik in der Not

Warum schauen wir uns dieses Thema näher an? Ganz einfach, es birgt die Gefahr, Bilanzen zu „frisieren“. Legale Möglichkeiten zum Aufhübschen von Bilanzen nutzen Unternehmen gerne, um Investoren zu beeindrucken und das eigene Geschäft in ein besseres Licht zu rücken. Doch wie die Bilanzskandale der letzten Jahre – Wirecard, Steinhoff, Hess – zeigen, werden bei der Bilanzkosmetik nicht selten die Grenzen der legalen Möglichkeiten überschritten. Dazu gibt es übrigens folgendes Sprichwort: „Eine gute Bilanz ist immer besser als das Zahlenwerk, eine schlechte immer schlechter.“

Beim Asiengeschäft war Wirecard mangels eigener Lizenzen auf die Zusammenarbeit mit Drittpartnern (TPA-Partnern) vor Ort angewiesen. Das ist nicht unüblich. Der niederländische Zahlungsdienstleister Adyen, damals ein Konkurrent von Wirecard, setzt in Asien ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit Drittpartnern.

Unüblich war aber das Geheimnis, das der Wirecard-Vorstand um diese Position gemacht hat. Obwohl das Drittpartnergeschäft den größten Anteil an den ausgewiesenen Umsätzen und Gewinnen von Wirecard ausmachte, sucht man genauere Informationen diesbezüglich beispielsweise im Geschäftsbericht 2018 vergeblich.

Damit die Relationen etwas deutlicher werden: 2017 machte das Drittpartnergeschäft laut einer Auswertung des Insolvenzberichtes durch das Handelsblatt rund 51 % der Umsätze von Wirecard aus, 2018 waren es noch 48 % und 2019 schließlich 39 % (2019: Umsatz 2.772 Mio. Euro, davon Drittpartnergeschäft 1.068 Mio. Euro). Ohne den Anteil des Drittpartnergeschäftes hätte außerdem in den Jahren 2017–2019 ein Vorsteuerverlust ausgewiesen werden müssen, 2019 z. B. 375 Mio. Euro. Dank Drittpartnergeschäft konnte man so aber 573 Mio. Euro Vorsteuergewinn vermelden.

Erfassung im Jahresabschluss

Beim Ausweis der Umsatzerlöse aus dem Drittpartnergeschäft ist entscheidend, ob Wirecard als Prinzipal oder Agent gehandelt hat. Diese Frage stellt sich immer dann, wenn mehr als zwei Parteien an einem Geschäft beteiligt sind. Genau dies ist beim Drittpartnergeschäft der Fall. Die wesentlichen Unterschiede zwischen der Rolle als Prinzipal oder Agent veranschaulicht die folgende Abbildung.

Die Einordnung als Prinzipal oder Agent ist deshalb so entscheidend, weil der Prinzipal die Brutto-Umsatzerlöse ausweist, d. h. den gesamten Rechnungsbetrag an den Kunden. Dies führt zu deutlich höheren Umsatzerlösen, aber auch höheren Materialaufwendungen. Der Agent dagegen weist nur die um die Materialaufwendungen gekürzten Beträge als Umsatzerlöse aus. Die Brutto-Bilanzierung und damit höhere Umsätze beeindrucken den Anleger auf den ersten Blick möglicherweise – zumindest vorübergehend.

Durch die Vertragsgestaltung können Unternehmen beeinflussen, wer Prinzipal und wer Agent ist. Dafür müssen dann allerdings entsprechende Verträge vorliegen. Die Wirecard-Prinzipals haben sich diese Verträge anscheinend einfach mal gespart und dennoch die Bruttoerlöse angegeben.

Diese Vorgehensweise hat dazu geführt, dass die Umsatzerlöse im Jahr 2018 beispielsweise auf 2 Mrd. Euro aufgepumpt wurden und die Umsatzentwicklung über die Jahre beeindruckender aussah, siehe Chart. Nur so konnte Wirecard dem Ruf des neuen Börsenstars gerecht werden. Und der Gewinn? Der war von der Brutto-Bilanzierung tatsächlich nicht positiv beeinflusst. Denn die höheren Umsatzerlöse hatten ja höhere Materialaufwendungen zur Folge. Wer allerdings einseitig nur die Entwicklung der Umsätze im Blick hatte, der wurde dadurch aufs Glatteis geführt.

Hätte das Drittpartnergeschäft also tatsächlich existiert, hätte sich Wirecard in diesem Punkt lediglich legaler Bilanzkosmetik bedient. Doch beim Ausweis fiktiver Umsatzerlöse wäre die Grenze hin zu illegaler Bilanzfälschung eindeutig überschritten.

Hinweise im Wambach-Bericht

Eingangs des Beitrags haben wir den sog. Wambach-Bericht erwähnt. Martin Wambach, auf den der Name des Berichts zurückgeht, hatte mit seinen Kollegen bei Rödl & Partner im Auftrag des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu Wirecard die Arbeit des Abschlussprüfers EY beurteilt. Dieser Bericht war als geheim eingestuft worden. Im Sommer 2021 wurde die Nicht-Veröffentlichung gerichtlich bestätigt. So geheim war er dann aber offenbar doch nicht. Denn im November 2021 hatte das Handelsblatt den Wambach-Bericht offengelegt.

Der Wambach-Bericht äußerte sich hinsichtlich der Frage, ob die Brutto-Bilanzierung des Drittpartnergeschäftes korrekt war, zurückhaltend. Er ordnet die vom Abschlussprüfer eingeholten Prüfungsnachweise für den Ausweis der Brutto-umsätze aber als eher schwach ein. Den Erkenntnissen der Sonderprüfer zufolge basierte der Ausweis der Bruttoumsätze größtenteils auf den Aussagen des Vorstandes. Diese Aussage deutet nicht unbedingt darauf hin, dass bei der Abschlussprüfung von EY gewissenhaft gearbeitet wurde. Schließlich wäre bei einem derart hohen Anteil der Umsatzerlöse aus dem Drittpartnergeschäft die Vorlage der entsprechenden Verträge – sofern sie denn überhaupt jemals existiert haben – erforderlich gewesen.

Der Wirtschaftsprüfer KPMG, den Wirecard ehemals selbst als Sonderprüfer berufen hatte, um mediale Vorwürfe an das Unternehmen zu entkräften, konnte übrigens keine abschließende Beurteilung vornehmen, ob die Brutto-Bilanzierung des Drittpartnergeschäftes angemessen war. Denn erforderliche Unterlagen wie beispielsweise Verträge zwischen den Händlern und den TPA-Partnern wurden KMPG nicht vorgelegt.

Fehlende Unterlagen oder die Weigerung des Managements, diese den Wirtschaftsprüfern vorzulegen, ist übrigens eines von vielen Warnzeichen für Bilanzfälschung. Wie aus dem Wambach-Bericht ersichtlich wird, ist EY entsprechenden Indikatoren jedoch nicht in dem Umfang nachgegangen, wie man dies von einem ordentlichen Abschlussprüfer erwarten würde. Die Gelackmeierten waren, wie in diesen Fällen immer, die geschädigten Anleger.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe AnlegerPlus 01/2022.

Foto: © unsplash

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