Wir schaffen uns ab

Harald Rotter

Unser Wirtschaftsstandort ist nicht mehr attraktiv. Das zeigt sich im deutschen Maschinenbau, einer der deutschen Schlüsselindustrien. Dort herrscht Auftragsflaute. Mit drei Ausnahmen sinkt der Auftragseingang im 12-Monats-Vergleich schon seit März 2022, zuletzt im August um 21 %.

Schauen wir zurück in den Mai 2022. Da sanken die realen Auftragseingänge gegenüber dem Vorjahresmonat um 10 %, weil das traditionell wichtige Auslandsgeschäft ein dickes Minus von 18 % einfuhr. Vor allem unsere europäischen Nachbarn zeigten sich zurückhaltend. Die Auftragseingänge aus dem Euroraum gingen um statte 36 % zurück. Im zweiten Halbjahr erwartete der Branchenverband VDMA daher weniger Umsatz und eine sinkende Produktion. 

Anzeige

Der Maschinenbau steht exemplarisch für den Zustand des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Er ist schlichtweg nicht mehr gefragt. Beleg dafür sind auch die ausländischen Investitionen. Laut einer EY-Studie stieg im Jahr 2022 die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte in Europa um 1 %, in Deutschland sank sie um 1 %. Und zwar auf das niedrigste Niveau seit dem Jahr 2013. Die ausländischen Investoren zieht es stattdessen in die Türkei, Portugal oder Polen. Frankreich hat uns in Sachen Investitionsprojekte längst abgehängt. Laut der Studie ist dies Folge wirtschaftsfreundlicher Reformen, die Präsident Macron in unserem Nachbarland angestoßen hat.

Konkret in Zahlen hat dies das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) gefasst: Rund 125 Mrd. Euro mehr investierten deutsche Unternehmen 2022 im Ausland als ausländische Unternehmen in Deutschland. Diese Summe stellt laut IW die höchsten Netto-Abflüsse dar, die jemals hierzulande verzeichnet wurden. Das Dramatische daran: Nur noch rund 10,5 Mrd. Euro investierte das Ausland in Deutschland. Auch hier dasselbe Bild: Vor allem unsere europäischen Nachbarn haben die Lust auf Made in Germany verloren. 

Der Bundesverband der Deutschen Industrie e. V. (BDI) sieht in Direktinvestitionen eine Stärkung der deutschen Wirtschaft, die Arbeitsplätze sichern und den Wohlstand fördern. Das ging uns 2022 also nahezu komplett verloren. Die Deindustrialisierung in Deutschland ist keine theoretische Option, sie ist im vollen Gange. Der Staat muss deshalb mit Subventionsgeldern einspringen und ihm entgehen gleichzeitig erhebliche Steuereinnahmen. Alles Geld, das für das Erreichen der selbstgesteckten Klimaziele bzw. der Entlastung der Bürger für die dadurch entstehenden Kosten fehlen wird.

Es wird Zeit, dass die neue Deutschlandgeschwindigkeit endlich Fahrt aufnimmt. Atemberaubend ist in den letzten Jahren nur die Geschwindigkeit, mit der ständig neue Bürokratiemonster auf die Wirtschaft zurollen. Dabei brauchen wir schnellstmöglich einen Abbau der Bürokratie, die neben den hohen Energiepreisen die Kosten für den Wirtschaftsstandort Deutschland enorm in die Höhe treibt. Immer neue Gesetze, Auflagen und Genehmigungsverfahren legen der Wirtschaftsentwicklung laufend große Steine in den Weg. Dort sollte die Politik ansetzen und sie sollte vor allem damit aufhören, der Welt den moralischen Zeigefinger entgegenzuhalten. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ hieß unser WM-Slogan von 2006 und Deutschland gab ein sympathisches Bild nach außen ab. Heute will keiner mehr im Land der Besserwisser investieren. So weit haben wir es gebracht.

Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

Foto: © Kapital Medien

AnlegerPlus

SDK Flyer