Zwischen Marginalismus und schöpferischer Zerstörung

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Die Neoklassik folgte zwar dem Gleichgewichtsgedanken der Klassik, trat jedoch für einen subjektiven Ansatz ein. Dieser Marginalismus lag auch der Österreichischen Schule zugrunde. Beide Denkschulen lehnten Eingriffe in den freien Markt überwiegend ab.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann der Aufstieg des Marginalismus, die Grenzproduktivität und der Grenznutzen rückten ins Zentrum der Diskussion: Wie ändert sich die Produktionsmenge (Output) oder der Nutzen, wenn der Input bzw. der Konsum um eine kleinste Einheit steigt?

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Hermann H. Gossen (* 1810; † 1858) formulierte zuvor schon zwei Gesetze zur Grenznutzentheorie. Seinem Sättigungsgesetz zufolge stiftet jede zusätzliche Einheit eines Gutes dem Verbraucher einen geringeren Nutzen als die vorhergehende, bis schließlich Sättigung eintritt. Nach dem Genussausgleichsgesetz – dem zweiten Gossenschen Gesetz – ist der Gesamtnutzen am größten, wenn der Nutzen der zuletzt gekauften Güter gleich groß ist.

Es dreht sich beim Marginalismus also um Gewinn- und Nutzenmaximierung und um die alternative Verteilung knapper Ressourcen. Damit verabschiedete sich die Neoklassik vom objektiven Ansatz der Klassik und stellte, ergänzt um die Konsumseite, die subjektive Wertschätzung in den Mittelpunkt.

Ideale Rechenmodelle?

Léon Walras (* 1834; † 1910) sprach von einer Wissenschaft der Ökonomik. Die Realität wurde zunächst in idealtypischen Modellen mathematisch abgebildet, um anschließend auf deren Grundlage praktische Probleme zu lösen. Die Neoklassik stand somit im Kontrast zur Historischen Schule. Diese lehnte allgemeingültige, abstrakte Theorien ab, weil alle wirtschaftlichen Erscheinungen raum- sowie zeitabhängig seien und nur empirisch-statistisch untersucht werden können.

Carl Menger (* 1840; † 1921), Gründer der Österreichischen Schule, die sich allmählich von der mathematiklastigen, statischen Neoklassik löste, focht daher mit dem deutschen Ökonom Gustav Schmoller (* 1838; † 1917) einen zähen Methodenstreit aus. Auch Alfred Marshall (* 1842; † 1924) aus Cambridge wandte ein, dass reine Fakten einer Theorie bedürfen. Er machte die Darstellung der fallenden Nachfrage- und steigenden Angebotskurve populär. Nachfolger auf dem Lehrstuhl Marshalls wurde Arthur Pigou (* 1877; † 1959). Er sprach sich basierend auf dem Sättigungsgesetz für eine Umverteilung des Einkommens zugunsten kleiner Einkommen aus, solange die Gesamtwohlfahrt nicht sinken würde. Bekannt ist der Ökonom allerdings für seinen Vorschlag, die sogenannte Pigou-Steuer für negative externe Effekte (z. B. Umweltverschmutzung) einzuführen.

Systemdebatte

Nach dem Methodenstreit entbrannte mit der Systemdebatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine weitere Auseinandersetzung. Die jüngere Generation der Österreichischen Schule betrat die Bühne. Ludwig von Mises (* 1881; † 1973) argumentierte, dass eine Wirtschaftsrechnung im Sozialismus nicht möglich sei. In einer Marktwirtschaft schlügen sich die subjektiven Wertschätzungen durch freiwilligen Tausch in den Preisen nieder. Im Sozialismus hingegen fänden diese Tauschprozesse zwischen zahlreichen Eigentümern nicht statt und die Preise seien meist staatlich festgelegt.

Eine zentrale Behörde könne daher nie über die Informationen aller Marktteilnehmer, die in einer Marktwirtschaft in den Preisen gebündelt seien, verfügen. Das würde zu wirtschaftlichen Fehlentwicklungen führen, da eine rationale Entscheidung unmöglich sei.

Mises Haltung gegenüber staatlichen Eingriffen war kompromisslos: „Es gibt eben keine andere Wahl als die: entweder von isolierten Eingriffen in das Spiel des Marktes abzusehen oder aber die gesamte Leitung der Produktion und der Verteilung an die Obrigkeit übertragen. Entweder Kapitalismus oder Sozialismus; ein Mittelding gibt es eben nicht.“

Dynamik

Die subjektive Sichtweise führte bei Joseph A. Schumpeter (* 1883; † 1950) schließlich zum Unternehmer. Der dynamische Unternehmer sei quasi Treiber der Konjunktur. Er würde wichtige Innovationen durchsetzen und damit einen Aufschwung einleiten. Diese Basisinnovationen hätten eine lange Reihe von Anschlussinnovationen zur Folge und alte Technologien, Produkte oder Geschäftsmodelle würden verdrängt.

Schumpeter bezeichnete diesen Prozess als schöpferische Zerstörung. Wirtschaftseinbrüche seien somit ein notwendiges Übergangsphänomen und die Wirtschaft würde nicht kontinuierlich, sondern in Zyklen wachsen. Schumpeter nannte diese langen Wellen Kondratieff-Zyklen. Denn bereits Nikolai Kondratjew (* 1892; † 1938) – ein russischer Ökonom und Befürworter der Neuen Ökonomischen Politik – beschrieb erstmals eine in langen Wellen verlaufende globale Konjunktur.

Nach Schumpeter sei eine wichtige Quelle der Kapitalbildung der Unternehmergewinn, der nicht völlig wegbesteuert werden dürfe. 1974 erhielt schließlich Friedrich A. Hayek (* 1899; † 1992), ein Vertreter der jüngeren Generation der Österreichischen Schule, den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften. Für Hayek waren Fehlinvestitionen der Unternehmen und der Banken als Resultat einer verfehlten Geld- und Wirtschaftspolitik verantwortlich für die Weltwirtschaftskrise nach 1929. Er lehnte eine Globalsteuerung der Wirtschaft ab und wurde zum wichtigsten Widersacher von John Maynard Keynes (* 1883; † 1946), dessen Theorien nach dem Zweiten Weltkrieg populär wurden.

Bild: © Orbon Alija – istockphoto.com

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