Dr. Daniel Stelter
Statt auf Umverteilung sollten wir auf Vermögensbildung setzen. Vor allem auch auf eine andere Verteilung des Vermögens zwischen Bürgern und Staat.
Die Bundestagswahl naht und die Parteien des linken Spektrums überbieten sich mit Forderungen nach höheren Abgaben für die „Reichen“. Diese sollten, so die Argumentation, endlich einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Getragen wird die Argumentation von einem weit verbreiteten Gefühl in der Bevölkerung, dass es in Deutschland immer ungerechter zuginge.
Bei den verfügbaren Einkommen stimmt dieses Gefühl nicht. Bei den Vermögen besteht hingegen eine Ungleichverteilung. Hier liegt Deutschland mit einem Gini-Koeffizienten von 0,82 (0 = alle haben gleich viel, 1 = einer hat alles, alle anderen nichts) in einer Gruppe mit Staaten mit ähnlich gut ausgebautem Sozialsystem, wie die Niederlande, Schweden und Dänemark. Dies ist nachvollziehbar, reduziert der Sozialstaat doch die Notwendigkeit der privaten Vorsorge.
Bezieht man in Deutschland die Renten- und Pensionsansprüche der Bürger bei der Bemessung der Vermögen mit ein, sinkt der Gini-Koeffizient nach Berechnungen des ifo-Instituts auf einen Wert von 0,53. Damit ist Deutschland auch bei den Vermögen eines der „gleichsten“ Länder der Welt.
Deutsche sind relativ arm
Relativ zur Wirtschaftsleistung haben die deutschen Privathaushalte deutlich weniger Vermögen als die Bürger der meisten anderen Euroländer. Überschlägig fehlen uns zwischen dem 1,2- bis 2,0-Fachen des BIP an Vermögen, um zu Frankreich und Italien aufzuschließen. Das wären rund 4.000 bis 6.900 Mrd. Euro an zusätzlichem Privatvermögen. Pro Kopf beeindruckende 48.000 bis 83.000 Euro. Selbst wenn wir alle Vermögen in Deutschland umverteilen würden und jeder Bundesbürger gleich viel Vermögen besäße, bestünde diese Lücke weiterhin.
Dabei sind unsere Reichen nicht besonders reich. Nach Erhebungen der EZB liegen die Top 10 % der Vermögenden mit 861.500 Euro nur geringfügig vor den Reichen in Spanien (839.900 Euro), Frankreich (803.200 Euro) und Italien (700.900 Euro). Ganz anders die Gruppe der 20 bis 40 % Ärmsten: Diese haben in Deutschland ein Vermögen von nur 11.900 Euro. In Spanien (51.900 Euro), Italien (44.400 Euro) und Frankreich (23.700 Euro) verfügt diese Gruppe über deutlich mehr Vermögen.
Vermögensbildung statt Umverteilung
Offensichtlich brauchen wir ein Programm zur Vermögensbildung. Neben geringeren Steuern und Abgaben, besserer Aufklärung über die Vorteile der Kapitalanlage in Aktien geht es vor allem um die Förderung des Erwerbs von Immobilieneigentum. Maßnahmen, die alle wirken, aber nur langsam.
Besser wäre es, wir würden einen Altersvorsorgefonds gründen, in den der Staat für jeden Bürger unter 65 Jahren 25.000 Euro einbezahlt. Die Bürger können über das Geld verfügen, nachdem das Geld mindestens zehn Jahre angelegt wurde und sie das 65. Lebensjahr erreicht haben. Der Fonds würde ähnlich wie der norwegische Staatsfonds das Geld global gestreut in Aktien, Immobilien und Infrastruktur investieren.
Damit würden wir vier Ziele auf einen Schlag realisieren: Verhindern der Altersarmut, gleichmäßigere Vermögensverteilung, inflationsgeschützte Geldanlagen der Deutschen und eine höhere deutsche Staatsverschuldung – aber immer noch unter dem Durchschnitt der Eurozone –, was mit Blick auf die Tatsache, dass wir in der Eurozone vor einer Monetarisierung der Schulden stehen, hoch attraktiv wäre. Wir würden mitmachen, statt Geisterfahrer zu spielen.
Studien zeigen, dass höhere Vermögen mit einer größeren Zufriedenheit der Bürger einhergehen. Auch Menschen mit geringem Einkommen sind zufriedener, sobald sie über Vermögen verfügen. Politik, die sich zum Ziel setzt, dass es allen besser geht, sollte hier ansetzen: Mehr Vermögen für alle!
Zum Autor
Dr. Daniel Stelter ist Makroökonom und Strategieberater und dazu Autor zahlreicher Expertenbeiträge und aktueller Sachbücher. Dazu betreibt er die Seite think-beyondtheobvious.com.
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