Dividenden sind was Feines, jeder Aktionär freut sich darüber. Aber was, wenn die Dividende nicht verdient wurde und aus der Substanz gezahlt werden muss? Eine SdK-Analyse.
Die Dividende, ob und in welcher Höhe eine solche ausgeschüttet werden soll, darüber lässt sich trefflich streiten. Das Abstimmungsreglement der SdK zu entsprechenden Hauptversammlungsbeschlüssen orientiert sich am Konzernjahresüberschuss. Empfohlen wird in diesem Zusammenhang grundsätzlich eine Ausschüttung in der Bandbreite von 40 bis 60 %.
Eine SdK Auswertung der 160 Indexunternehmen zeigt, dass diese Empfehlung nur wenige Unternehmen erfüllen. Nur 29 Firmen liegen innerhalb der definierten Spanne. Weitere 32 Unternehmen haben für 2022 gar keine Dividendenausschüttung vorgenommen. Wir haben uns die „Ausreißer“ näher angesehen: acht Gesellschaften, die trotz eines Verlustes ausgeschüttet haben, sowie acht Gesellschaften, deren Ausschüttungsquote über 100 % liegt.
Um deren Dividendenpolitik auf Plausibilität zu überprüfen, werden weitere Kennzahlen wie Free Cashflow und die Nettoverschuldung herangezogen. Zusätzlich sollte man sich auch noch die Relation zwischen Eigenkapital und Goodwill (Stichwort Bilanzstärke) ansehen. Wie diese zu bewerten ist, zeigen wir im letzten Abschnitt dieses Beitrags anhand zweier Gesellschaften mit hohem Goodwill in Bezug auf das Eigenkapital, die jedoch u. a. wohl aus diesem Grund keine Dividenden ausschütten.
Mehr Dividende als Gewinn
Bei den Kandidaten dieser Kategorie (siehe Tabelle) scheinen die Relationen bei PATRIZIA und Bilfinger aufgrund der nominal schlichtweg sehr geringen Ausschüttungen unproblematisch zu sein. Die Dividende konnte sowohl aus dem Free Cashflow als auch einer bestehenden Nettoliquidität ausgeschüttet werden. Ähnlich verhält es sich bei SAP, Telefónica Deutschland und freenet, deren Ausschüttungen „nur“ 38 %, 49 % und 62 % des Free Cashflows ausmachten.
Unternehmen | Index | Ausschüttungsquote |
ZEAL Network | SDAX | 470 % |
PATRIZIA | SDAX | 395 % |
HAMBORNER REIT | SDAX | 287 % |
Continental | DAX | 268 % |
freenet | MDAX | 244 % |
TelefónicaDeutschland | MDAX | 231 % |
Bilfinger | SDAX | 188 % |
SAP | DAX | 140 % |
Bleiben noch drei Unternehmen unter genauerer Beobachtung. Dass sich die HAMBORNER REIT branchenbedingt – zu Vonovia und Deutsche Wohnen gleich noch mehr – in unruhigem Fahrwasser befindet, zählt nicht zu den ganz großen Börsengeheimnissen. In den vergangenen zehn Jahren kannten die Immobilienpreise nur eine Richtung. Viele Immobiliengesellschaften haben die vermeintlich sichere Preisentwicklung ordentlich mit Fremdkapital gehebelt. Das erweist sich nun vielerorts als Bumerang.
Bei der HAMBORNER REIT ging es in Sachen Dividende ordentlich an die Substanz: 287 % des Gewinns oder 141 % des Free Cashflows wurden ausgeschüttet und das bei einer die Marktkapitalisierung weit übersteigenden Nettoverschuldung von 629 Mio. Euro. Bei Continental wurde ebenfalls tief in die Substanz gegriffen: 268 % des Gewinns oder 333 % des Free Cashflows betrug die Dividende und das bei einer Nettoverschuldung von 4,7 Mrd. Euro. Bei ZEAL Network sind die Relationen bei den Quoten sogar nochmal deutlich höher. Dafür wurde die Dividende zumindest zu 42 % von der Nettoliquidität getragen.
Dividende ganz ohne Gewinn
Die Spitzenposition in dieser Kategorie nimmt das DAX-Schwergewicht BASF ein. Eine Ausschüttung in Höhe von 3 Mrd. Euro bei einem Jahresverlust von 391 Mio. Euro ist bemerkenswert. Zugutezuhalten ist dem Management, dass die Ausschüttung gerade so noch vom Free Cashflow getragen werden konnte. Dafür summiert sich die Nettoverschuldung mittlerweile auf nicht unerhebliche 20 Mrd. Euro. Summa summarum eine Dividende, die man durchaus infrage stellen kann.
Unternehmen | Index | Ausschüttungsquote |
BASF | DAX | -777 % |
Adtran Holding | SDAX | -319 % |
Vonovia | DAX | -101 % |
INDUS Holding | SDAX | -42 % |
ProSiebenSat.1 | MDAX | -23 % |
Deutsche Beteiligungs AG | SDAX | -15 % |
Drägerwerk | SDAX | -4 % |
Deutsche Wohnen | SDAX | -4 % |
Hingegen können Deutsche Wohnen, ProSiebenSat.1 und Drägerwerk aus dem Dividenden-Kreuzverhör entlassen werden. Bei allen dreien wurden nur minimale Ausschüttungen von 0,04 Euro, 0,05 Euro und 0,13/0,19 Euro je Aktie getätigt, die nicht groß ins Gewicht fallen. Grenzwertiger sieht es hingegen bei den zwei Beteiligungsgesellschaften aus. Immerhin konnte die Deutsche Beteiligungs AG die Dividende aus der Nettoliquidität bezahlen und die INDUS Holding gerade noch so aus dem Free Cashflow.
Bleibt ein weiterer großer DAX-Konzern, nämlich Vonovia. Trotz eines Verlustes von 669 Mio. Euro im Geschäftsjahr 2022 wurde den Aktionären eine Ausschüttung von 676 Mio. Euro serviert. Aus dem Free Cashflow war diese zwar gut zahlbar, dafür war die Verschuldung beim deutschen Immobilienriesen mit knapp 44 Mrd. Euro zum Bilanzstichtag gewaltig hoch. Dies machte die diesjährige Vonovia-Dividende auch medial zu einer der umstrittensten innerhalb der DAX-Familie.
Die Goodwill-Akrobaten
Der abschließende Bilanzblick richtet sich auf die Relation zwischen Eigenkapital und Goodwill. Ein hoher Goodwill ist natürlich nicht per se negativ. Dem Geschäftsmodell geschuldet haben IT-, Software- oder Biotech-Unternehmen im Gegensatz zu beispielsweise rein produzierenden Unternehmen viel immaterielle Vermögenswerte in der Bilanz. Übersteigen diese jedoch das Eigenkapital um ein Vielfaches, sollte man näher hinschauen.
Unternehmen | Index | Goodwill/EK |
MorphoSys | SDAX | 791 % |
TeamViewer | MDAX | 766 % |
Ströer* | MDAX | 224 % |
Delivery Hero | MDAX | 208 % |
CompuGroup* | SDAX | 192 % |
Uns sind bei der Analyse besonders die beiden Konzerne TeamViewer (Goodwill/EK = 766 %) und MorphoSys (Goodwill/EK = 791 %) aufgefallen. Bei TeamViewer wurde skurrilerweise der Rückgang des Eigenkapitals von 320 Mio. Euro 2021 auf nur noch 115 Mio. Euro 2022 sozusagen bewusst selbst verschuldet. Verantwortlich dafür sind die verschiedenen Aktienrückkäufe und -Einziehungen. Zwar konnten diese aus dem Free Cashflow gestemmt werden. Doch angesichts von Finanzverbindlichkeiten in Höhe von 633 Mio. Euro war das nicht unumstritten.
Bei MorphoSys erscheint es uns sogar noch einen Tick extremer. Einem 2022er-Umsatz von 278 Mio. Euro stand hier ein Konzernverlust von 151 Mio. Euro gegenüber. Diese Gegebenheiten wohl nicht ganz außer Acht lassend, schüttete MorphoSys wie auch TeamViewer für 2022 keine Dividende aus.
Nicht alles Gold, was glänzt
Fest steht: Die Frage nach der Angemessenheit und Höhe der Dividende ist sehr komplex. Und letztlich ist es stets die Entscheidung der Aktionäre, wie viel Geld entweder aus Vorsichtsgründen oder rein opportunistisch im Unternehmen belassen und wie viel Geld ausgeschüttet werden soll. Um diese Entscheidung treffen zu können, sollte jeder Aktionär einen Blick ins Zahlenwerk werfen.
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