Die Circus SE (ISIN DE000A2YN355) mit Sitz in Hamburg scheut auf der eigenen Homepage nicht vor ambitionierten Aussagen zurück: „Das deutsche Unternehmen Circus SE verändert die Foodservice-Industrie mit KI-gesteuerten Robotern und schafft dabei ein globales Netzwerk von autonomen Küchen.“ Die Geschäftsidee des Hamburger Start-ups fußt dabei auf dem Personalmangel in der Systemgastronomie, dem es mit seinen Küchenrobotern begegnen möchte.
Zunächst einmal gilt es aber festzuhalten, dass eine KI-Story derzeit immer mit Vorsicht zu genießen ist. Denn einerseits bietet jede geschäftliche Schnittstelle mit dem Thema sicherlich großes Potenzial, andererseits ist das Werben mit KI-Applikationen gerade groß in Mode und sollte immer hinterfragt werden. Ehrlicherweise nicht ganz klar ist uns, inwieweit KI bei Circus eine Rolle spielt. Aber wenn der Roboter prinzipiell verlässlich, gaumenschmeichelnd und skalierbar kocht, könnte das Geschäftsmodell eine Zukunft haben.
Circus-CEO mit Expertise
CEO der Hamburger ist Nikolas Bullwinkel, einer der Co-Founder des Lieferdienstes Flink und damit jemand mit solidem Track Record und entsprechender Expertise. Gleichzeitig ist der Online-Auftritt und insbesondere auch der Investor-Relations-Bereich übersichtlich und „anwenderfreundlich“ gestaltet. Das macht einen professionellen Eindruck und hat prinzipiell „Institutional Quality“. Ein nicht unwichtiges Merkmal, denn für den langfristigen Erfolg der bisher extrem illiquiden Aktie sind Investoren institutioneller Natur letztlich unabdingbar.
Das fertige Produkt der Circus SE sind „Kochboxen“, die dem Eindruck nach hinsichtlich ihrer Größe in etwa den Raucherboxen ähneln, die man an Flughäfen findet. Diese Roboterboxen stellen am Ende integrierte Kochstationen dar, die mit ihren zwei Roboterarmen, 50 Motoren sowie 25 Lichtschranken automatisiert und auf Knopfdruck Mahlzeiten innerhalb von wenigen Minuten zubereiten und verpacken können sollen. Wenn dann beispielsweise in einem Werk die Belegschaft zur Mittagspause in die Kantine geht oder ein gelangweilter Mittdreißiger aus Bochum sich gegen 15 Uhr eine Pizza Napoli bestellt, kann „die Box“, die von der Firma selbst als „CA1 Food-Roboter“ betitelt wird, diese Gerichte ohne menschliche Hilfe zubereiten.
„Wir sehen viele Anwendungsmöglichkeiten in der öffentlichen Bildungs- und Verkehrsinfrastruktur, also in Universitäten, Schulen, Krankenhäusern, Flughäfen oder Bahnhöfen, aber auch im Lebensmitteleinzelhandel. Wir wollen überall da stattfinden, wo sich Menschen im Alltag bewegen und Hunger haben – und das rund um die Uhr“, so CEO Bullwinkel in der Börsenzeitung. Je nach Konfiguration und Markt kostet nach Angaben des CEO ein Küchenroboter zwischen 100.000 und 250.000 Euro.
Kooperation mit Uber
Den Unternehmensmitteilungen zufolge wurde unter anderem eine Partnerschaft mit Uber arrangiert. Hier werden Essensbestellungen online angenommen, die dann von der Maschine gekocht und schließlich von Uber ausgeliefert werden. Die Herstellungskosten gängiger Gerichte wie Pizza und Pasta lassen sich so angeblich um bis zu 50 % reduzieren. Ob das Essen dann auch schmeckt, können wir leider nicht sagen. Aber selbst, wenn nicht, sollte es relativ schnell möglich sein, in der Rezeptur nachzubessern, um automatisiert eine gute Pizza herzustellen.
Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt derzeit im Bereich um die 700 Mio. Euro. Über Bloomberg findet man bisher kaum Informationen zum Titel und über Xetra wird die Aktie erst seit Anfang des Jahres gehandelt. Teil der Story ist derzeit, dass Circus früh den Schritt aufs Börsenparkett gewagt hat. CEO Bullwinkel begründete dies gegenüber der Börsenzeitung damit, künftig auch Möglichkeiten für ein anorganisches Wachstum mithilfe von Übernahmen zu haben, und außerdem um Mitarbeitenden Aktienoptionen bieten zu können und sich damit am Arbeitsmarkt attraktiv zu machen. Für Investoren bedeutet dies wiederum, dass mit der Aktie praktisch ein Unternehmen aus dem Venture-Capital-Bereich an der Börse gehandelt wird. Wobei handeln angesichts der bereits erwähnten teilweise mikroskopisch kleinen Umsätze auf Xetra oder Tradegate wohl das falsche Wort ist.
Marktenge Aktie
Aufgrund der Vergütung des 111-köpfigen Personals (Stand 2023) teilweise über Aktienoptionen müssen Aktionäre mit einer späteren Verwässerung ihrer Anteile rechnen. Von den bisher ausstehenden knapp 23 Millionen Aktien gehören knapp 70 % dem Management, ursprünglichen Investoren und Business Angels. Zudem wurden für diese Anteile Lock-up-Perioden festgelegt (3+ Jahre). Das bedeutet letztlich, dass das Angebot an frei handelbaren Aktien im Moment sehr begrenzt ist, was die starken Kursbewegungen erklärt. Die vereinbarten Lock-up-Perioden unterstreichen andererseits wohl aber die langfristigen Absichten der „alteingesessenen“ Geldgeber und machen einen lehrbuchreifen „Pump & Dump“-Coup eher unwahrscheinlich.
Die Nachrichtenlage der letzten Monate ist derweilen sehr gut. Es wurden angeblich gestaffelte Verträge mit einer Pekinger Bildungseinrichtung über immerhin 5.400 Kochrobotern geschlossen, zudem unter anderem noch ein Vorvertrag mit dem Flughafen Berlin-Brandenburg. Wie hoch Umsatz und Marge letztlich aber ausfallen werden, ist derzeit wohl kaum prognostizierbar. Die positiven Nachrichten erschienen größtenteils innerhalb der letzten vier bis fünf Monate. Hinzu kam das Xetra-Listing im Februar und eine anschließende Kursrally von 10 Euro auf derzeit 27 Euro. Man könnte salopp gesagt von einem ziemlich heißen Trade im aktuellen Stadium sprechen, der gut schmecken kann, an dem man sich aber auch die Finger verbrennen könnte.
Zum Autor
Benjamin Suermann interessiert sich seit seinem 18. Lebensjahr für die globalen Finanzmärkte. Nach seinem VWL-Studium in Göttingen gründete er zunächst ein Start-up in Berlin, woraufhin Praktika bei Investmentfonds und Hedgefonds folgten. Seit 2024 ist er Portfoliomanager bei der nordIX AG, wo er u. a. ein Mandat für Negative-Basis-Trades betreut. Gleichzeitig handelt er aktiv über sein wikifolio „alpaca turtle“.
Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlus, AnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
Bild von Dimitrios K auf Pixabay