Der Zusammenbruch des ehemaligen DAX-Konzerns Wirecard hat zu Gesetzesreformen geführt. Dazu zählt unter anderem die Neuaufstellung der Bilanzkontrolle. Denn das bisherige zweistufige System mit der BaFin und DPR war für eine effektive Bilanzkontrolle nicht geeignet.
Seit 1. Januar ist die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) Geschichte und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin allein für die Bilanzkontrolle zuständig. Ob die BaFin „mehr Biss“ hat als die alte „Bilanzpolizei“, wird sie erst noch beweisen müssen.
Umbau bei der BaFin
Die Bundesbehörde hat die Gruppe „Bilanzkontrolle“ personell verstärkt: 60 Mitarbeiter zeichnen künftig dafür in vier Referaten zuständig (vgl. Schaubild). Es könnte aber sein, dass noch nicht alle Stellen besetzt sind. Dies mag mitunter daran liegen, dass bisher nur etwa die Hälfte an Personal in diesem Tätigkeitsfeld arbeitete. Dabei sind die Mitarbeiter der abgeschafften DPR schon einbezogen.
Alle vier Referate haben somit die Bilanzkontrolle als ihre Kernaufgabe. Ziel der Arbeitsaufteilung soll es sein, möglichst wenige Schnittstellen zu haben, gleichzeitig aber einvernehmliche Entscheidungen zu treffen. Ob sich die praktische Umsetzung dieser Struktur bewährt, wird die Praxis zeigen.
Dazu sollten die Mitarbeiter der Bilanzkontrolle regelmäßig befragt und ihre Anregungen ggf. berücksichtigt werden. Denn das hat meines Erachtens u. a. eine Zeugenbefragung einer Mitarbeiterin der Bilanzkontrolle bei der BaFin in Sachen Wirecard gezeigt: Probleme bei der praktischen Umsetzung und mögliche Lösungswege sehen zuallererst die betroffenen Mitarbeiter.
Neuaufstellung des Hinweisgebersystems
Ein weiteres Problem der BaFin im Zuge des Wirecard-Skandals war der Umgang mit Whistleblowern, deren Hinweise von der BaFin mehrfach ignoriert wurden. Dabei werden Bilanzskandale häufig durch Hinweisgeber und nicht bei der Abschlussprüfung aufgedeckt.
Die BaFin hat darauf reagiert. Man hat die sogenannte Market Contact Group neu geschaffen und dort ein Hinweisgebersystem angesiedelt. Auf der Website werden explizit Journalisten angesprochen, sich bei entsprechenden Auffälligkeiten an die Behörde zu wenden. Auch hier hat die BaFin unmittelbar auf Fehler im Zusammenhang mit der Wirecard-Pleite reagiert. Denn der Finanzjournalist Dan McCrum wurde im Rahmen seiner Recherchen zu dem Bilanzskandal beschattet und bedroht, ohne entsprechendes Gehör bei den Behörden zu finden. Es ist bedauerlich, dass seine Aussagen hierzu im Wirecard-Untersuchungsausschuss am 5. November vergangenen Jahres in einer nicht-öffentlichen Sitzung erfolgten. Es bleibt zu hoffen, dass Journalisten und Hinweisgeber künftig mehr Gehör bei der BaFin finden werden.
Fazit
Um in Deutschland eine effektive Bilanzkontrolle durch staatliche Behörden auf die Beine zu stellen, bleibt noch viel zu tun. Erste praktische Erfahrungen werden zeigen, ob und an welchen Stellen bei den Kontrollmaßnahmen noch nachgebessert werden muss.
Die Pandemie und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Jahresabschlüsse der Unternehmen führen darüber hinaus zu weiteren Herausforderungen für die Abschlussprüfung und die Bilanzkontrolle. Anleger müssen also weiter auf der Hut sein und sich vor einem Investment ausgiebig mit dem Zielunternehmen beschäftigen.
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen AnlegerPlus-Ausgabe 3/2022.
Foto: © BaFin