Von Georg Redekop
1975 erfand der damals erst 24 Jahre alte Ingenieur Steven Sasson bei Kodak die Kamera, die heute als Vorreiter der Digitalkamera angesehen wird. Das Potenzial seiner Erfindung wurde von seinen Kollegen und Vorgesetzten jedoch nicht erkannt. Ganz im Gegenteil: Sasson wurde angewiesen, die Erfindung in der Schublade verschwinden zu lassen und nie wieder darüber zu sprechen. Er tat, wie ihm befohlen wurde.
Ob Sasson damals selbst die wahre Tragweite seiner Erfindung nicht greifen konnte oder ob ihm einfach der Mut fehlte seine Idee weiter zu verfolgen, sei dahingestellt. Jedenfalls war er seiner Zeit voraus. Jedoch gar nicht mal allzu weit voraus, wie aufmerksame Marktbeobachter damals hätten erkennen können.
Als 1999 die ersten brauchbaren Digitalkameras begannen den Markt zu fluten, prognostizierten die Verantwortlichen bei Kodak, dass der Markt für Digitalfotografie in zehn Jahren gerade einmal 5 % ausmachen würde. Die große Mehrheit von 95 % würde nach wie vor auf Analogfotografie setzen. Wahrscheinlich versuchten die Verantwortlichen sich durch die eigene Prognose selbst zu beruhigen und das aufgebaute, zu der Zeit hochprofitable Geschäftsmodell zu rechtfertigen. Kodak, damals Marktführer, unterhielt tausende von Fotoshops, in denen man Kameras und Fotofilme kaufen sowie seine Fotos entwickeln lassen konnte. Doch bis 2009 entwickelten sich die Marktanteile in der Fotografie genau andersherum, als von Kodak prognostiziert. 2012 musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.
Digitalisierung bei CEWE
Was die Verantwortlichen bei Kodak nicht wahrhaben wollten, erkannten dagegen die Manager eines niedersächsischen Unternehmens mit einem ähnlichen Geschäftsmodell. Die CEWE Stiftung unterhielt damals hunderte von Fotoshops in Deutschland und war gerade dabei, ins europäische Ausland zu expandieren. Doch die Digitalisierung der Fotobranche sollte diesem Vorhaben zunächst einen Strich durch die Rechnung machen. Die Verantwortlichen von CEWE erkannten die disruptive Wirkung der Digitalfotografie auf ihr Geschäftsmodell und begannen daher, ihr bestehendes Geschäftsmodell selbst zu kannibalisieren. Heute ist CEWE europäischer Marktführer für digitalen Fotodruck.
Die erfolgreiche Transformation des Geschäftsmodells von CEWE lässt sich am Aktienkurs ablesen, der lange Zeit nur den Weg nach oben kannte. Vom Höchststand 138,40 Euro aus dem vergangenen Jahr hat sich die Aktie in den letzten Monaten allerdings weit entfernt. Für die meisten Analysten ist der Titel nun unterbewertet.
Hürden der Transformation
Oliver Gassmann, Professor an der Universität St. Gallen, sieht drei Hürden, warum Unternehmen an der Transformation ihres Geschäftsmodelles scheitern:
- Dominierende Industrielogik
- Der Glaube, Geschäftsmodelle bedürfen neuer Technologie
- Fehlende kreative Systematik
Im Fall von Kodak kam die Technologie aus den eigenen Reihen und stellte daher keine Hürde dar. Was dem Unternehmen letztlich das Genick brach, war die dominierende Industrielogik. Anstatt zu spielen, um zu gewinnen, konzentrierten sich die Verantwortlichen auf die Verwaltung des Bestehenden. Investitionen der Vergangenheit sind jedoch kein Garant für künftigen Erfolg. Entscheidend ist einzig und allein die Investition von heute.
Zum Autor
Georg Redekop ist der Vermögens-Ingenieur. Als Speaker, Autor, Investor und Ingenieur denkt, spricht und schreibt er rund um die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts. Darüber hinaus ist er Teil der Digitalagentur Niedersachsen, die die Politik und Unternehmen in Niedersachsen bei der digitalen Transformation berät und begleitet.
Foto: © CEWE