Berlin (pts027/08.10.2020/14:15) – Der Vorfall ereignete sich am 15. Mai, dem ersten Tag, an dem Restaurants wieder Gäste empfangen durften. Ein Nobelrestaurant in der Französischen Straße in Berlin-Mitte hatte mit seinen prominenten Gästen gegen die Corona-Regeln verstoßen. Es passierte nichts. Der Verstoß hatte keine Folgen, weder Bußgeld noch Schließung des Lokals und schon gar nicht Strafen für die VIPs.
„Hier versagten die Behörden gewaltig“, kritisiert der Berliner Gastronom Josef Laggner die Wirkung auf die Berliner Gastronomie. Denn die Nicht-Ahndung sei „ein Freibrief für alle anderen“ gewesen. „Das hatte eine verheerende Signalwirkung. Wenn sogar das Promi-Restaurant keine Strafe kriegt, fehlt jegliche Abschreckung. Was lernen Gastwirte daraus? Wenn die das machen können, kann ich das auch!“
Hätte man das stadtbekannte Lokal – wie vorgeschrieben – richtig abgestraft, etwa mit Bußgeld oder und einer zweiwöchigen Schließung, hätte das andere Wirte abgeschreckt. Wie aber könne man ein strenges Vorgehen erwarten, wenn die verantwortlichen Entscheidungsträger selbst drinnen gesessen seien, fragt Laggner rhetorisch. Unter den Gästen seien Politiker und sogar führende Personen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA gewesen – „also genau die, die eigentlich Vorbild sein sollten! Und jetzt muss ganz Berlin darunter leiden!“.
Anstatt gezielt Problembezirke wie Neukölln und Friedrichshain/Kreuzberg zu kontrollieren, wo aus ideologischen Gründen sogar Bundeswehrsoldaten als Corona-Helfer abgelehnt worden seien, lege man lieber die ganze Stadt lahm und setze die Arbeitsplätze von mehreren Tausend Leuten aufs Spiel, betont Laggner.
Die Außenwirkung sei höchst problematisch. Berlin, das von Tourismus lebe, werde von ausländischen Gästen bereits als „coronaverseucht“ gemieden, wie Laggner auf seiner jüngsten Auslandsreise feststellen musste.
Die verschärften Corona-Regeln gelten in Berlin ab Samstag, dem 10. Oktober. Der Berliner Senat hatte eine Sperrstunde von 23 bis 6 Uhr beschlossen. Das betrifft vor allem Restaurants, Bars und sogenannte Spätis. Diese Vorschrift kommt einem nächtlichen Alkoholverbot gleich.
Laggner sieht darin keinen Sinn. „Die jetzigen Regeln bewirken doch nur, dass sich das Feiern in Privaträume, Wohnungen und Keller verlagert.“ Die Sperrstunde könne umgangen werden, indem Gäste eine Hotelsuite anmieten, um die Nacht durchzufeiern. Dort lassen sich Partys nicht unter Kontrolle bringen, ebenso wenig wie in Parks. „Wer feiern will, wird feiern.“
Im Gegensatz dazu, so Laggner, lassen sich die Gaststätten und Bars gut kontrollieren. Die verantwortungsvollen Wirte würden die Gäste registrieren, ihnen den Platz zuweisen, die Abstandsregeln einhalten und das Personal mit Mund- und Nasenbedeckung arbeiten lassen. „Es ist eine Frechheit gegenüber Gastronomen, die acht geben, nur weil einzelne dagegen verstoßen und die Behörden versagen.“
Auch die unterschiedliche Behandlung in den Bezirken spießt Laggner auf. „Es darf doch nicht sein, dass das Ordnungsamt viel lieber in Mitte kontrolliert, weil es hier gesittet zugeht – wogegen sich die Kontrolleure nicht nach Neukölln oder Friedrichshain/Kreuzberg trauen, wo sie sich nicht sicher fühlen. Sie befürchten, bedrängt, angepöbelt und bespuckt zu werden“, weiß Laggner aus offenen Gesprächen mit Beschäftigten des Ordnungsamts.
Der gebürtige Salzburger Josef Laggner betreibt zahlreiche Restaurants in der Hauptstadt sowie die legendäre Newton-Bar am Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte. Die Restaurants seien von der 23-Uhr-Sperrstunde kaum betroffen, die Newton-Bar hingegen sehr. „Es sind doch auch die Bars, die das Berliner Abend- und Nachtleben attraktiv gemacht haben.“
„Sollten durch die neuen Verbote Bars zum Aufgeben gezwungen sein, habe der Staat, also der Steuerzahler, für den Schaden aufzukommen“, findet Laggner. Das Verschulden liege eindeutig bei den Behörden, weshalb es nötig sei, entsprechenden Gegendruck aufzubauen. Mit seiner Stimme will Laggner eine Lanze für die gesamte Branche brechen, in der es derzeit jeder Gastronom, Hotelier, Clubbetreiber und Veranstalter auf seine eigene Weise schwer habe, und will positive Veränderungen bewirken.
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