Digitaler Euro – innovatives Zahlungsmittel in digitaler Wirtschaft

Dr. Joachim Schmalzl

Dr. Joachim Schmalzl

BigTech-Unternehmen arbeiten an privaten Bezahlmethoden. Das Internet der Dinge entwickelt sich weiter. Bargeld wird zunehmend weniger genutzt. Dies sind drei der Entwicklungen, die unser aktuelles System vor neue Herausforderungen stellen. Sie liefern gleichzeitig Argumente für ein digitales Geldangebot. Aber der Reihe nach.

Private Unternehmen machen mit Projekten wie Diem erste Schritte in Richtung digitale Geldangebote. Das Geldsystem gehört aber in die Hände souveräner Staaten: Zentralbanken, Regierungen, Parlamente und Regulierungsbehörden müssen die Spielregeln bestimmen. Die Kreditwirtschaft ist ebenfalls gefordert und nimmt ihre Verantwortung wahr: Institute in Deutschland und Europa haben eine zentrale Rolle im Wirtschaftskreislauf und leisten einen unverzichtbaren Beitrag bei der effizienten Versorgung von Unternehmen und Verbrauchern mit Finanzmitteln.

Payment ist eine sensible Infrastruktur, die eine gesamtvolkswirtschaftliche Verantwortung in sich trägt. Als Instanz mit dem notwendigen Know-how bei hoch verfügbarer Zahlungsabwicklung und schon heute weitreichenden Sicherheitsstandards sowie einer engmaschigen Aufsicht kommt der Kreditwirtschaft in Deutschland und Europa eine zentrale Rolle hierbei zu.

Digitales Geld hat – losgelöst von der Frage nach einem digitalen Euro – das Potenzial, die Art, wie wir zahlen und wie wir Werte aufbewahren, zu verändern. Umso wichtiger ist es, einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu erzielen, wie der Wandel organisiert werden kann. Dass sich Geld verändert, ist dabei keine neue Entwicklung. Seit seiner Erfindung wurde es immer wieder gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen angepasst. Deshalb gilt: Um akzeptiert zu werden, muss der digitale Euro gleichermaßen für Verbraucher und Unternehmen wichtige Aufgaben erfüllen und in einem erweiterten Ökosystem neben anderen digitalen Geldformen seinen Mehrwert einbringen. Und nicht zuletzt sollte die Programmierbarkeit des Digitalgeldes in die bestehenden Finanzsysteme integriert werden.

Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) hat in einem Grundlagenpapier einen proaktiven Vorschlag zur Weiterentwicklung des Ökosystems innovativer Geldformen unterbreitet. Aus unserer Sicht ist der globale Trend in Richtung digitales Zentralbankgeld (CBDC) unübersehbar und stellt eine Chance und zugleich Herausforderung dar. Ein digitaler Euro als alleinige Antwort, wie ihn die EZB andenkt, reicht dafür nicht aus.

Neben CBDC werden auch weiterentwickelte kreditwirtschaftliche Zahlungsverkehrslösungen in Zukunft eine wichtige Rolle spielen: Über einen Giralgeldtoken und die Verknüpfung bestehender Zahlungssysteme auf Geschäftsprozesse, die auf Distributed-Ledger-Technologie (DLT) fußen, sollten komplementäre Zahlungsverkehrslösungen zu CBDC geschaffen werden.

Für Verbraucher sollte der digitale Euro ein zeitgemäßes, für alle Bürger des Euroraums einfach zugängliches, komfortables und für den Alltagsgebrauch inklusive E-Commerce einsetzbares Zahlungsmittel sein. Er muss für Verbraucher funktionieren wie eine digitale Banknote. Wie Bargeld sollte er weder verzinst werden noch programmierbar sein. Auch sollte ein digitaler Euro offlinefähig sein, sodass Zahlungen ohne Internetzugang möglich sind. Der digitale Euro sollte den Menschen in Europa durch Kreditinstitute über elektronische Portemonnaies, also „CBDC-Wallets“, zur Verfügung gestellt werden. Dabei sollte die Menge an digitalen Euro durch eine Obergrenze limitiert werden, die sich beispielsweise am typischen Zahlungsbedarf orientieren könnte. Nicht zuletzt muss die EZB in ihrem Projekt die Anonymität des digitalen Euro betrachten, die Verbraucher am Bargeld sehr schätzen.

Um den Geschäftsverkehr mit digitalen Währungen aber nicht allein auf den privaten Gebrauch und den typischen Einkauf in diesem Bereich zu beschränken, müsste es den digitalen Euro auch als „Wholesale-CBDC“ geben, also in einer Ausprägung für die Kapitalmärkte und den Interbankenverkehr.

Die volle Ausbaustufe des neuen Bezahlens schließlich wird mit Lösungen für die Industrie 4.0, also für einen Geschäftsverkehr auf Basis vernetzter Systeme und mit einer Anbindung an die Distributed-Ledger-Technologie erreicht. Dies muss bereits bei den ersten Planungen zum digitalen Euro mitgedacht und parallel aufgebaut werden.

Die zukünftige Geschäftswelt wird davon geprägt sein, dass Maschinen ebenfalls direkt miteinander Informationen austauschen, Bestellungen auslösen und mit dem Vertrag gleich das Geld transferieren. Mit dieser neuen Form zu wirtschaften ändert sich auch der Anspruch daran, was Geld können muss.

Vertrag und Bezahlen rücken zusammen oder verschmelzen sogar. Diese Zukunft ist nah. Denn schon heute nutzen Unternehmen „smart contracts“, um ihre Prozesse effizienter zu gestalten. Solche Vereinbarungen entstehen dadurch, dass miteinander verkettete Informationen als Ganzes zum Vertrag erklärt und weiter ausgetauscht werden – automatisiert, digital und sehr schnell. Diese Technologie wird bereits in weiteren Geschäftsfeldern, wie etwa der Verwahrung und dem Handel elektronischer Wertpapiere, getestet.

Der Giralgeldtoken wäre als Weiterentwicklung des heutigen Giralgeldes auf DLTs einsetzbar und würde eine flexible Liquiditätsversorgung der Wirtschaft sowie Giralgeldschöpfung ermöglichen. Die Herausforderungen, die mit der technischen und ökonomischen Interoperabilität des Giralgeldtokens einhergehen, adressiert die DK mit drei möglichen Governance-Modellen.

Notwendige Voraussetzung für die Implementierung und breite Nutzung eines Giralgeldtokens seitens der Wirtschaft wäre ein europaweiter Standard und ein geeigneter regulatorischer Rahmen. Dabei ist die Unterstützung seitens der EZB und der Politik, aber auch der Diskurs mit der Industrie unabdingbar. Ein EZB-Projekt zum digitalen Euro sollte außerdem ein Diskussionsforum zur Standardfindung für einen von der Kreditwirtschaft entwickelten Giralgeldtoken zur Verfügung stellen.

Im Kontext bestehender Zahlungsverkehrslösungen arbeiten Institute und Dienstleister bereits erfolgreich an Angeboten, die auf die Bedürfnisse DLT-basierter Geschäftsprozesse von Firmenkunden ausgerichtet sind. Diese sogenannten Trigger-Lösungen zeichnen sich durch eine enge technische Verzahnung der DLT mit den Zahlungsverkehrsprozessen aus. Die damit einhergehende Komplexität und das Potenzial für Mehrwertangebote (z. B. Abdeckung des DvP-Bedarfs) machen eine enge Abstimmung der beteiligten Parteien notwendig. Gleichzeitig besteht Potenzial für eine weiterführende technologische Standardisierung, um (weitere) Effizienzgewinne auf Instituts- wie auf Kundenseite zu erzielen.

Eine generelle Herausforderung im Kontext programmierbarer Zahlungen stellen die Automatisierung von Zahlungsauslösungen und der diesbezügliche zivil- und zahlungsrechtliche Rahmen dar. Hier sind langfristig europäische gesetzgeberische Initiativen zur Förderung maschinengesteuerter Rechtsgeschäfte und ihrer zahlungsrechtlichen Aspekte notwendig.

Und was geschieht mit dem Bargeld? Im Zusammenhang mit den Plänen für den digitalen Euro kommt immer wieder die Frage auf, ob dieser Scheine und Münzen ersetzen sollte. Das sicherlich nicht.

Bargeld hat als Äquivalent für den Wert von Dingen seit Jahrhunderten eine enorme gesellschaftliche Bedeutung, die wir nicht unterschätzen sollten. Bargeld lässt sich anfassen und verkörpert nach wie vor das Gefühl von Unabhängigkeit. Es spielt auch eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen, wenn es darum geht, den Wert von Geld zu vermitteln. Der digitale Euro ist eine zukunftsgerichtete Ergänzung.

Bild: Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV)

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