Reinhold Hilbers, Finanzminister der niedersächsischen Landesregierung
Nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik kann dem Land dabei helfen, die pandemiebedingten Schulden wieder abzubauen. Dafür muss die Unternehmensbesteuerung ein Update für das 21. Jahrhundert erhalten.
Die Covid-19-Pandemie verlangt uns allen viel ab. Die Größe der Herausforderungen und die Höhe der Steuerausfälle sind ohne eine Neuverschuldung in der aktuellen Situation nicht zu bewältigen. Ich bin gleichwohl der Meinung, dass Deutschland die Kraft hat, zügig wieder zu ausgeglichenen Haushalten zurückzukehren. Ohne Einhaltung der Schuldenbremse kehren wir zurück zur strukturellen Staatsverschuldung. Das ist nicht nachhaltig, gefährdet die Stabilität und verlagert Verteilungskonflikte auf die nächste Generation.
Wie nach der Finanzkrise kann nur eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik dem Land dabei helfen, die Schulden mittel- bis langfristig wieder abzubauen. Die Wachstumskräfte der Wirtschaft müssen belebt und dürfen nicht mit Steuererhöhungsdebatten im Keim erstickt werden. Die vom Bundesfinanzminister geforderte Vermögensteuer oder eine Erhöhung der Ertragsteuern halte ich für kontraproduktiv. Wir sollten nicht diejenigen zusätzlich beschweren, die augenblicklich den Karren ziehen müssen. Jeder weiß, dass es eine enorme Belastung insbesondere für einige Branchen, den Mittelstand, aber auch die Industrie gibt.
„Wachstum kann man nur durch steuerliche Reformen und Entlastungen erreichen.“
Allein mit Hilfen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen ist es nicht getan. Sinnvoll ist, dass steuerliche Anpassungen erfolgen, die die Liquidität und den weiteren Bestand von Unternehmen – und damit die Steuereinnahmen der Zukunft – nachhaltig sichern. Um den Standort Deutschland auch in der Zukunft für Investitionen interessant zu halten, ist für die Unternehmensbesteuerung ein Update für das 21. Jahrhundert erforderlich.
„Das Ziel sollte eine Senkung der steuerlichen Gesamtbelastung auf 25 % sein.“
Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer zusammen erreichen zurzeit einen Satz von rund 30 %. Damit liegen wir im internationalen Vergleich der OECD-Länder weit oben – und sind auf Dauer damit nicht wettbewerbsfähig. Das Ziel sollte eine gleichmäßige Senkung der steuerlichen Gesamtbelastung auf 25 % sein, die sowohl Kapitalgesellschaften als auch Personenunternehmen zugutekommt. Die Möglichkeit einer teilweisen Anrechnungsfähigkeit der Gewerbesteuer auch bei der Körperschaftsteuer sollte dabei ebenso in die Überlegungen einbezogen werden wie eine Überprüfung und Modernisierung der Thesaurierungsrücklage.
Zudem sind Investitionen von Unternehmen in die Digitalisierung zu unterstützen. So könnten Investitionsanreize durch eine weitere Verbesserung von Abschreibungsbedingungen für digitale Investitionsgüter geschaffen werden.
Auch eine – befristete – Ausdehnung der Rahmenbedingungen zur Verlustverrechnung kann die Liquidität der Unternehmen verbessern. Hierfür könnten die Weichen insbesondere durch Ausdehnung des Rücktragzeitraums auf das Vorvorjahr neu gestellt werden. Die aktuell vorgenommene Erhöhung des Rücktragvolumens hat diese Richtung bereits eingeschlagen.
Ich plädiere für die Anhebung der Grenzen für geringfügig Beschäftigte, also den Satz für pauschale Abgaben von Steuern und Sozialleistungen. Das ist seit Jahren nicht mehr angefasst worden. Der Mindestlohn steigt unterdessen.
„Wenn es den Unternehmen gut geht, geht es auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gut.“
Dieser Zusammenhang ist ganz wesentlich und wird die politische Debatte in den nächsten Jahren bestimmen. Stabile Finanzen, sichere Arbeitsplätze und eine gute wirtschaftliche Entwicklung werden zentrale Themen für die nächste Wahlperiode sein.
Kurzvita
Reinhold Hilbers ist seit dem 22.11.2017 niedersächsischer Finanzminister. Der Diplomkaufmann hat vor seiner hauptberuflichen politischen Karriere als Verwaltungsleiter der Lebenshilfe Nordhorn gGmbH sowie in verschiedenen Bereichen der Volksbank Lingen eG Erfahrungen gesammelt.
Bild: © MF/Henning Stauch