ESG-Kriterien: Fonds betreiben oft „grünes Marketing“

ESG Dr. Alexander Orthgieß

Von Dr. Alexander Orthgieß, BAGUS Global Balanced Dachfonds

Wenn es ums Thema ESG geht, haben viele Fondsgesellschaften denselben Sprech: „Das haben wir schon immer so gemacht, das liegt in unserer DNA“. Offenbar haben sie den gleichen Marketingberater.

Beginnen wir bei der DNA einer Fondsgesellschaft. Eine Fondsgesellschaft ist ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht. Eine gute Wertentwicklung der Fonds, die im Laufe der Zeit ein hohes Volumen an anvertrauten Geldern nach sich zieht, ist hierfür Voraussetzung. Stimmt dagegen die Performance nicht, wie bei einigen „Prominenten-Fonds“, heißt das Zauberwort Marketing – Hauptsache, die Story stimmt.

Damit sind wir beim Thema ESG. Diese drei Buchstaben stehen bekanntlich für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Seit der Regulator beschlossen hat, dass auch die Finanzindustrie nachhaltig werden soll, ist die Branche in heller Aufregung. Die Offenlegungsverordnung verpflichtet nun darzulegen, ob und welche Nachhaltigkeitsziele mit einem Fonds verfolgt und wie diese erreicht werden sollen. 

Was ESG für Fonds bedeutet

Wie im Supermarkt werden alle Fonds mit Bio-Labels versehen und klassifiziert: Artikel 8 der Offenlegungsverordnung der EU ist gut und signalisiert Nachhaltigkeit, Artikel 9 ist sehr gut und steht für aktive Einflussnahme. Artikel 6 ist dagegen böse, denn ein solcher Fonds verfolgt Nachhaltigkeitsziele in nicht ausreichendem Maß. Dabei ist es völlig egal, ob der Fonds ausschließlich in „sündhafte“ Unternehmen investiert, es für den Großteil der Portfoliopositionen noch kein entsprechendes Rating gibt oder der Fondsinitiator den administrativen Aufwand scheut, worüber hinter vorgehaltener Hand übrigens alle klagen.

Soll ein Fonds mindestens nach Artikel 8 klassifiziert werden, bedeutet dies meist kleinere oder größere Veränderungen am Investmentansatz und im Portfolio. Ein beliebter Weg sind Ausschlüsse der üblichen Verdächtigen wie Öl, Tabak, Glücksspiel etc. Das beruhigt das Gewissen, verändert aber nichts, denn nun halten andere die Aktien. 

Ein zweiter Weg ist die Strategie „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Dabei werden gerade so wenige Anpassungen wie notwendig vorgenommen, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen. Zudem wird es immer Fonds geben, die sich nicht nach Artikel 8 klassifizieren lassen können, da diese beispielsweise ausschließlich in Minenaktien investieren. Ironischerweise handelt es sich dabei genau um solche Rohstoffe, die für die Energiewende dringend benötigt werden. Die Förderung aus der Erde ist noch böse, im Elektroauto wird daraus dann ein gutes Investment im Sinne des Regulators.

Anleger vertrauen dem grünen Marketing oft blind

Vermutlich wissen die meisten Anleger gar nicht, was eigentlich die Anforderungen sind, damit ein Fonds nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung klassifiziert wird. Aber sie folgen dem Vorschlag der Berater und dem Marketing der Fonds dennoch wie Lemminge. Im 1. Quartal dieses Jahres, als Anleger in der Mehrheit Fondsanteile zurückgegeben haben, hatten Artikel-9-Fonds sogar Zuflüsse. Inzwischen werden rund ein Viertel der Gelder in deutschen Publikumsfonds nach solchen Nachhaltigkeitskriterien angelegt. 

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist sehr zu begrüßen, dass sich auch die Finanzbranche für eine nachhaltige Zukunft engagiert. Aber es besteht Verbesserungspotenzial, was die Regulatorik angeht ebenso wie die glaubhafte Umsetzung des Themas seitens der Fondsgesellschaften. Aus Anlegersicht wären wirklich nachhaltig gute Investitionsangebote sinnvoller als eine drohende Überregulierung, die durch MiFID II noch an Momentum gewinnt, und ESG-Feigenblatt-Marketingkampagnen der Fondsindustrie. 

Zum Autor

Dr. Alexander Orthgieß verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Auswahl von Investmentfonds. Er war Vorstand bei der renommierten Münchner Vermögensverwaltung Döttinger/Straubinger und nach der Fusion mit dem Hamburger Family Office Spudy&Co Mitglied der Geschäftsleitung bei Auretas Family Trust. Seit 2019 berät er den BAGUS Global Balanced Dachfonds.

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Foto: © Oliver Jung 

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