Die Fed ist der Taktgeber unter den Notenbanken

Fed

Von Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank

Die Fed hat sich Inflationsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben. Was aus amerikanischer Sicht Sinn ergibt, kann für den Rest der Welt aber schwere wirtschaftliche Konsequenzen haben. Als Mutter aller Notenbanken trägt sie nicht nur nationale, sondern auch große internationale Verantwortung. 

In den USA hat das viele und zinsgünstige Geld, dem nur begrenzte Waren und Dienstleistungen gegenüberstehen, längst die Verbraucherinflation erreicht. Und so hat die Fed ihr Herz für Preisstabilität entdeckt. Da sie zu lange an das Märchen der nur vorübergehenden Inflationsbeschleunigung glaubte, verfolgt sie einen herzhaften Leitzinserhöhungskurs. 

Dass wirklich sinkende Preisraten bislang noch nicht zu erkennen sind, spricht ad hoc für eine weiter harte Zinsknute der Fed.

„Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem“

Genau hier beginnt die internationale Verantwortung der US-Geldpolitik. Als Hüterin der Weltleitwährung US-Dollar ist sie die Primadonna unter den Zentralbanken. Zieht sie die Zügel an, führt dies weltweit zu Dominoeffekten.  

Zinserhöhungen der Fed sind ein geeignetes Mittel, um die nationale Inflation zu drücken. Und da sie den US-Dollar ansteigen lassen, wird Amerika auch noch importseitige Inflationsentspannung beschert.

In anderen Ländern jedoch findet der genau umgekehrte Effekt statt. Davon kann der Euro ein Liedchen singen, der seit Jahresende 2021 gegen die US-Valuta um ca. 20 % abgewertet hat. Die ohnehin gestiegenen Rohstoffpreise in Europa werden, da sie in US-Dollar notieren, massiv geboostert.

Und je mehr sich also die Fed der Inflationsbekämpfung verpflichtet, umso mehr erhöht sich ebenso der importierte Preisdruck.

Am Fliegenfänger der US-Notenbank hängen vor allem die Schwellenländer. Galoppierende Importpreise machen auch ihnen das Leben schwer. Dazu sind sie zudem noch massiv in US-Dollar ver- bzw. überschuldet. Steigende US-Zinsen bei steigender US-Währung machen ihnen somit den Schuldendienst schwer. Nicht zuletzt leiden sie unter einem wirtschaftsschädigenden Kapitalabfluss in das zinsattraktive und aufwertende Amerika. 

Zur Minderung von importiertem Preisdruck und Kapitalabfluss sind auch sie gezwungen, ihre Leitzinsen zu erhöhen. Doch da der US-Dollar immer noch das Maß aller Währungsdinge und Amerika immer noch der sicherste Anlagehafen ist, muss ihr Zinserhöhungskurs markant höher ausfallen, um im Kampf gegen Währungsabwertung überhaupt Wirkung erzielen zu können. Tatsächlich haben Zinsrestriktionen in den Schwellenländern eine ganz andere Dimension als in Industrieländern.

The Fed got the whole world in its hands 

Wenn aber in einer globalisierten Welt wie jetzt der von der Fed ausgehende Zinserhöhungs-Kollektivismus ausbricht, schaukeln sich die negativen Folgen für die gesamte Weltwirtschaft immer höher. Im Extremfall sorgen sich gegenseitig trendverstärkende Schädigungseffekte dafür, dass aus dem gewünschten Effekt der nationalen Inflationsberuhigung ein unerwünschtes Welt-Deflationsszenario mit hoher Risikoaversion an den Finanzmärkten wie 2008 entsteht. 

Bis heute findet über diese sich gegenseitig beeinflussenden Wirkungszusammenhänge zu wenig Austausch bzw. Absprache unter den weltweiten Notenbanken statt. Bunte Abende und unverbindliche Plauderrunden wie z. B. das jährliche Treffen der Geldpolitiker in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming sind nicht ausreichend. Da muss zukünftig deutlich mehr kommen.

In der Zwischenzeit muss die Fed ihrer gewaltigen Verantwortung für die gesamte (Finanz-)Welt gerecht werden. Sie kann nicht nur die enge nationale Brille aufsetzen. Die weite, ganz weite Panoramabrille ist gefragt.

Robert Halver war bei Delbrück & Co als Chefstratege für die Anlagepolitik zuständig. Danach wechselte er zur Schweizer Bank Vontobel. Seit 2008 ist Herr Halver Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Er verfügt über breite Börsenerfahrung und ist durch zahlreiche Medienauftritte bekannt.

Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 10/2022.

Foto: © Bader Bank AG

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