Gut vier Monate neue Bundesregierung – eine wirtschaftspolitische Zwischenbilanz

Bundesregierung wirtschaftspolitische Zwischenbilanz

Von Carsten Mumm, Donner & Reuschel

Im März 2025 beschloss der Bundestag eine Grundgesetzänderung und schuf damit die Basis für ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro. Damit soll in Infrastruktur, Klimaneutralität und Verteidigungsfähigkeit investiert werden. Noch nie zuvor stand einer Bundesregierung zu Beginn ihrer Amtszeit ein vergleichbares Finanzpolster zur Verfügung.

Gemäß Ökonomenpanel, einer vom ifo-Institut und der FAZ lancierten Umfrage unter 170 Volkswirtschaftsprofessoren und -professorinnen, fällt die wirtschaftspolitische Zwischenbilanz der neuen Bundesregierung nach 100 Tagen Regierungsarbeit ernüchternd aus. Nur ein Viertel der Befragten bewertete die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen als positiv. Dem stehen mehr als 40 % mit einem negativen Fazit gegenüber.

Zwar wurden eindeutig positive Impulse zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland beschlossen, beispielsweise die Aussicht auf dringend notwendige staatliche Investitionen, verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, die ab 2028 sinkende Körperschaftsteuer oder die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes. Parallel dazu wurde ein schrittweiser Bürokratieabbau eingeleitet: Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien sowie die Vergabe öffentlicher Aufträge wurden vereinfacht und digitalisiert. Verbraucher sollen durch den Wegfall der Gasspeicherumlage und niedrigere Netzentgelte entlastet werden. Positiv für das Ansehen Deutschlands in der Welt ist auch das akzentuierte Vorgehen von Kanzler Merz und anderer Regierungsvertreter in außenpolitischen Fragen zu bewerten, insbesondere bei den Themen Handels- und Sicherheitspolitik sowie bei Verbesserung des Verhältnisses zu Frankreich.

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Allerdings wurden wesentliche Ankündigungen, wie die Senkung der Stromsteuer für private Haushalte nicht umgesetzt. Kritisch sehen Ökonomen die Senkung der Einkommenssteuer in der Gastronomie, denn es ist unklar, ob damit ein positiver konjunktureller Impuls erreicht werden kann. Die Ausweitung der Mütterrente muss volkswirtschaftlich als rein konsumtiv verbucht werden. Und dringend notwendige Reformen beispielsweise der Renten- und Sozialversicherungen oder der Schuldenbremse wurden bisher lediglich an Kommissionen delegiert.

Stimmungsindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex signalisieren seit Monaten verbesserte künftige Geschäftserwartungen, jedoch verharrt die Beschreibung der aktuellen Lage bei vielen Unternahmen auf sehr schwachen Niveaus. Ein ausgeprägter Auftragsmangel, die Zurückhaltung beim privaten Konsum sowie Handelskonflikte und eine anhaltend schwache Exportnachfrage aus China belasten nach wie vor. Das deutsche Wirtschaftswachstum fiel im zweiten Quartal mit einem Minus von 0,3 % schwächer aus als erwartet. Und während US-Aktienindizes neue Höchstkurse markieren, hinkt der deutsche Leitindex DAX seit dem Sommer hinterher. 

Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHK) forderte vor kurzem einen „Herbst der Reformen“. Lange bekannte Standortschwächen wie eine langsame Verwaltung, überbordende Bürokratie, der ausgeprägte Fachkräftemangel und die hohe Abgabenlast sollten kurzfristig von der Bundesregierung adressiert werden, damit die Hoffnung auf wachstumsfördernde Strukturreformen aus dem Frühling jetzt tatsächlich in die Tat umgesetzt werden können.

Zum Autor

carsten mumm

Carsten Mumm ist seit 2017 Chefvolkswirt bei Donner & Reuschel und verantwortet das Asset Management des Traditionshauses. Er begann seine Karriere 1995 mit einer Ausbildung bei der Deutschen Bank, studierte anschließend Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und stieg 2003 bei Donner & Reuschel ein. Seit 2006 ist er Certified Financial Analyst (CFA).

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