Aktuell haben die USA und China die Nase vorn im Wettlauf um die Schlüsseltechnologie künstliche Intelligenz (KI). Ehrgeizige Strategien entwickeln aber auch andere Länder. Deutschland und die EU setzen dabei auf eine vertrauenswürdige KI „Made in Europe“.
In den letzten Jahren entwickelten viele Länder ihre eigene nationale Strategie im Umgang mit künstlicher Intelligenz. Denn darin besteht weitgehend Einigkeit: Sie wird der Schlüssel für künftigen Wohlstand sein. Deshalb haben sich die Investitionen in diese Technologie vervielfacht.
Tal der Techkonzerne
Traditionell sind in den USA die privaten Investitionen sehr stark aufgestellt. Daher überrascht es nicht, dass dort nach Angaben der Stanford University im Jahr 2022 mit 47,4 Mrd. US-Dollar mehr als dreimal so viel Geld in KI investiert wurde wie in China, der Nummer zwei bei den privaten KI-Investitionen.
Im kalifornischen Silicon Valley tummeln sich nicht nur die großen Technologiekonzerne und zahlreiche Start-ups, sie arbeiten auch eng vernetzt mit renommierten Universitäten zusammen. Bereits 2019 bekannte sich die US-Regierung zu KI-Zielen, die sich stark an der freien Marktwirtschaft orientieren. Sie sollen die Führungsrolle der USA in der KI-Forschung und -entwicklung festigen. Dabei stehen vor allem die Chancen für Menschen und Wirtschaft im Vordergrund. Zudem soll KI in den amerikanischen Behörden eingesetzt werden und selbstverständlich im Dienst der nationalen Sicherheit stehen.
Wurden lange Zeit die Möglichkeiten und Chancen der neuen Technologie beschworen, mahnen neuerdings prominente KI-Pioniere zur Regulierung. Tatsächlich könnte dies eine Mischung aus echter Sorge, Öffentlichkeitsarbeit und der Absicht, auf Beschränkungen Einfluss nehmen zu können, sein. Um den technologischen Wandel nicht zu behindern, setzen die USA nun auf freiwillige Selbstverpflichtungen.
In den USA arbeiten nach Angaben der Denkfabrik MacroPolo fast 60 % der führenden KI-Forschenden. Und immer noch zieht es die Toptalente über den Atlantik. Dort hat sich mit der Schaffung von neuen Forschungszentren sowie der Einrichtung von KI-Lehrstühlen still und leise Kanada zu einem führenden Standort für KI-Forschung entwickelt. Es hat auch als erstes Land eine nationale Strategie für künstliche Intelligenz vorgelegt und stellt dabei die Entwicklung ethischer Standards in den Vordergrund. Die breite Anwendung in der Industrie geht hingegen noch langsam voran.
KI-Kontinent Asien
Immer mehr KI-Experten, die in Indien und China ausgebildet wurden, sehen ihre Zukunft jedoch in ihren Heimatländern. Die chinesische Führung gab das Ziel aus, bis 2030 das führende Land im Bereich künstlicher Intelligenz zu werden. Ob dies realistisch ist, lässt sich schwer einschätzen. Einerseits sind in der Volksrepublik mit seiner großen Einwohnerzahl riesige Datenmengen verfügbar und der Datenschutz ist weniger streng. Andererseits müssen KI-Modelle mit vielen Daten trainiert werden, deren Qualität in China durch die Zensur stark eingeschränkt ist.
Private Investitionen in KI
Im Übrigen ist das Thema Sicherheit wichtiger Teil der chinesischen KI-Strategie, die 2017 veröffentlicht wurde. Alle von der KI produzierten Inhalte dürfen die nationale Einheit nicht gefährden oder die offizielle Autorität untergraben.
Die Ränge vier bis sechs bei den privaten KI-Investitionen im Jahr 2022 belegen Indien und Israel mit jeweils 3,2 Mrd. US-Dollar sowie Südkorea mit 3,1 Mrd. US-Dollar. Diese Länder beeindrucken insbesondere durch ihre lebendige Start-up-Szene, die entsprechend gefördert wird. Auch Japan unterstützt seine Start-ups. Das Inselreich hat kurz nach Kanada seine KI-Strategie, die sich ebenfalls stark an ethischen Prinzipien orientiert, präsentiert. Für die japanische Regierung ist zudem die schrumpfende Erwerbsbevölkerung Anlass, in KI-Technologie zu investieren. Mit einer der ältesten Bevölkerungen der Welt setzt das Land künstliche Intelligenz zunehmend im Gesundheitsbereich ein.
Europäischer Rahmen
In Europa ist neben Medizin der Verkehr Schwerpunktbereich für KI. Darum spielen Zuverlässigkeit und Datenschutz hier eine große Rolle. Das spiegelt sich in dem jüngst vom EU-Parlament verabschiedeten KI-Gesetz wider, das als risikobasierter Ansatz ausgestaltet ist.
KI-Systeme mit unannehmbarem Risiko sind demzufolge verboten. Das können etwa Anwendungen zu kognitiven Verhaltensmanipulationen, zur biometrischen Identifizierung oder soziale Bewertungssysteme sein. Streng reguliert werden außerdem Hochrisiko-KI-Systeme, die ein hohes Risiko für die Gesundheit und Sicherheit oder für die Grundrechte natürlicher Personen darstellen. Für KI-Systeme mit begrenztem Risiko –etwa Chatbots – gelten geringere Transparenzpflichten. Systeme mit dem geringsten Risiko sind unreguliert. Dazu gehören beispielsweise KI-gestützte Videospiele.
Beim Transfer von der Forschung in die Anwendung sowie beim Wagniskapital haben allerdings Europa und Deutschland Nachholbedarf. Während Großbritannien mit London als wichtigem Finanzplatz mit 4,4 Mrd. US-Dollar immerhin den dritten Platz der privaten Investitionen 2022 im KI-Bereich belegt, kommt Deutschland mit 2,4 Mrd. US-Dollar erst an siebter Stelle. Daher legte Deutschland im vergangenen Jahr einen Aktionsplan vor. Als Update der nationalen Strategie, welche im Jahr 2018 veröffentlicht wurde, wird darin ein verbesserter Wissenstransfer in die Praxis angestrebt sowie die europäische Einbettung „Made in Europe“ betont. Denn die europäische KI-Strategie will nichts weniger als die EU „zu einem Drehkreuz von Weltrang für KI“ machen.
Zur Autorin
Birgit Groschwitz-Fiebig ist Diplom-Volkswirtin (Univ.), gepr. Bilanzbuchhalterin (IHK), Certified IFRS Accountant (advanced) und Studienbriefautorin für die Deutsche Journalisten-Akademie.
Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlus, AnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
Foto: © Vicki Hamilton auf Pixabay