Neue Wege in der Unternehmensnachfolge

Unternehmensnachfolge

Es ist ein bekanntes Problem, die Nachfolge in mittelständischen Unternehmen. Nicht nur in der DACH-Region, sondern in ganz Europa und weltweit. Sogenannte Search Funds bieten eine moderne Lösung für die Unternehmensnachfolge.

Der Mangel an geeigneten Nachfolgern im deutschen Mittelstand wird seit Jahrzehnten beklagt. Gemeint sind Unternehmerinnen und Unternehmer, Familienmitglieder oder externe Manager, die bestehende Betriebe weiterführen, wenn die bisherigen Eigentümer altersbedingt ausscheiden. Die staatliche Förderbank KfW, die seit ihrer Gründung den deutschen Mittelstand unterstützt, weist regelmäßig auf die Dringlichkeit funktionierender Nachfolgeregelungen hin. Sie gelten als entscheidend, um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu sichern.

Inzwischen zeigt sich zwar mehr Bewegung im Markt. Verkäufer und Käufer finden über spezielle Plattformen zueinander, und es haben sich erfahrene Berater und Finanzierer etabliert. Dennoch bleiben viele Bereiche weiterhin unerschlossen. Da Finanzinvestoren meist erst ab Unternehmensgrößen von mehreren Hundert Millionen Euro tätig werden, fallen kleinere und mittlere Betriebe (KMU) häufig durch das Raster. Besonders gering ist in Deutschland die Zahl der sogenannten Management-Buy-ins, also Firmenübernahmen durch externe Führungskräfte. Nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung gelten von den rund 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen hierzulande jährlich etwa 140.000 als übergabereif, doch nur 30.000 davon sind tatsächlich übergabefähig. Und lediglich 20.000 erreichen einen Jahresumsatz von mehr als einer halben Million Euro.

Erfolgreiches Lösungsmodell

Einen möglichen Ansatz zur Lösung der Nachfolgefrage im Mittelstand bieten sogenannte Search Funds. Dieses Modell hat sich in den vergangenen Jahren zu einer erfolgreichen Alternative entwickelt, wie eine 2024 veröffentlichte Untersuchung der Stanford University zeigt. Dafür wurden sämtliche 681 Search-Fund-Transaktionen in den USA seit dem Jahr 1984 ausgewertet.

Das Prinzip hat sich in der Praxis vielfach bewährt. Private Investoren, häufig Family Offices sowie ehemalige Unternehmerinnen, Unternehmer oder Führungskräfte, stellen Kapital zur Verfügung. Ein oder zwei unternehmerisch ambitionierte Absolventen wirtschaftlicher Studiengänge mit erster Führungserfahrungen suchen damit gezielt nach einem mittelständischen Unternehmen, dessen Eigentümer eine Nachfolge sucht. Nach der Übernahme führen sie das Unternehmen fort, entwickeln es weiter und schaffen auf dieser Basis Wertzuwachs. Die Kapitalgeber bringen dazu ihre Erfahrung und Netzwerke ein. 

Dass Investoren die oft bis zu zwei Jahre dauernde Suchphase (s. Grafik) finanzieren, gilt als Ausdruck großen Vertrauens in die künftigen Manager. Der durchschnittliche Kaufpreis der in den USA übernommenen Unternehmen lag laut Studie bei rund 14,4 Mio. US-Dollar, das Verhältnis von Unternehmenswert zu Betriebsergebnis (EBITDA) betrug im Schnitt das Siebenfache.

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In Deutschland noch Neuland

Die Ergebnisse des Search-Fund-Modells zur Unternehmensnachfolge in den USA sind bemerkenswert. Seit 1984 verzeichneten nur rund 15 % der Übernahmen Verluste oder Wertminderungen, während in gut 10 % der Fälle sogar eine Verzehnfachung des eingesetzten Kapitals erreicht wurde. Die große Mehrheit der übernommenen Unternehmen entwickelte sich nach der Übernahme positiv und damit ganz im Sinne der bisherigen Eigentümer. Ihnen kommt entgegen, dass die Haltedauer bei Search Funds nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, sondern ausdrücklich auf eine langfristige Weiterentwicklung.

In den USA, dem Ursprungsland der Search Funds, beträgt die durchschnittliche Haltedauer der Firmen bis zu zehn Jahre. In Deutschland ist sie teils noch länger. Das passt zur hierzulande verankerten Unternehmerkultur, die von Beständigkeit und sozialer Verantwortung geprägt ist. Auch in Frankreich und Spanien spielt diese Haltung eine wichtige Rolle. Dennoch ist das Modell dort weiter verbreitet als hierzulande. Laut der jüngsten Stanford-Studie wurden in Frankreich bisher 15 und in Spanien 32 Unternehmensnachfolgen über Search Funds realisiert, in Deutschland bislang nur zehn.

Von der Forschung in die Praxis

Neben der Stanford University widmet sich auch die IESE Business School in Barcelona der Forschung zu Search Funds. Das Ergebnis dieser Arbeit zeigt sich unter anderem darin, dass das Konzept „Entrepreneurship through Acquisition“, kurz ETA, in Barcelona ebenso wie an mehreren US-Universitäten fester Bestandteil des Lehrplans ist. Auf diese Weise fließt die vermittelte wirtschaftliche Kompetenz direkt in eine wachsende Zahl tragfähiger Nachfolgelösungen ein.

Befürchtete kulturelle Unterschiede haben sich in der Praxis dabei kaum als Hindernis erwiesen. Verkaufsbereite Unternehmerpersönlichkeiten in Europa zeigen sich offen gegenüber dem amerikanischen Ursprung des Modells und gegenüber der Idee, ihr Lebenswerk an jüngere Führungskräfte zu übergeben, die in der Regel um die 35 Jahre alt sind und über einen Hochschulabschluss verfügen. 

Norma Bühling von Thallo Unternehmensnachfolge in Berlin bestätigt diese Erfahrung: „Wir haben bisher keinerlei Vorbehalte gegen Konzept oder Herkunft des Search Fund-Modells bei Unternehmerinnen und Unternehmern gespürt. Die Reaktionen beim Kennenlernen und Verhandeln waren im Gegenteil sogar ausgesprochen positiv.“ Bühling und ihre Unternehmenspartnerin Pia Surhoff suchen schon seit rund 20 Monaten nach einem geeigneten Unternehmen mit einem Jahresumsatz zwischen 5 und 30 Mio. Euro und einer Marge von mindestens 15 %. Bislang haben sie aber noch kein passendes Zielunternehmen gefunden. „Wie bei einem Puzzle muss am Ende alles zusammenpassen. Nicht nur das Finanzielle und Organisatorische, sondern auch die Erwartungen, die Kommunikation und die ganze Chemie müssen stimmen“, fasst Bühling den Suchprozess zusammen. 

Hinter den beiden Unternehmerinnen steht eine Gruppe erfahrener ehemaliger Firmeninhaber, die den Search Fund finanzieren und ihre Erfahrung einbringen. Bei erfolgreichem Abschluss erhalten Bühling und Surhoff einen branchenüblichen Anteil von rund 30 % am übernommenen Unternehmen. Ein späterer Verkauf dieser Anteile spielt in ihren Überlegungen aber erstmal keine Rolle. Im Vordergrund steht, das künftige Unternehmen langfristig zu entwickeln und erfolgreich zu führen.

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Foto: © Gerd Altmann auf Pixabay

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