Von Prof. Dr. Rolf Tilmes, CFP®, FPSB Deutschland
Angesichts unsicherer Zeiten suchen Investoren sichere Anlagen. Doch haben diese häufig eine feste Laufzeit. Werden sie fällig, dann bekommen Anleger oftmals nur noch eine niedrigere Verzinsung als bei der ursprünglichen Investition. Es gibt aber einige Wege, dieses Wiederanlagerisiko zu umgehen.
Schon seit Jahrzehnten gibt es den Economic Policy Uncertainty Index, der die ökonomische Unsicherheit in der Welt misst. Und noch nie war er so hoch wie in diesem Jahr. Und das ist kaum verwunderlich. Denn wir haben es mit enormen geopolitischen Unsicherheiten zu tun, während zugleich die Zollpolitik der USA einen erheblichen Risikofaktor darstellt. Derzeit liegt der durchschnittliche Zollsatz der USA bei etwa 13 % – zu Beginn der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump lag er bei rund 2,5 %. Noch ist unklar, wie sich das auf die Inflation oder das Wirtschaftswachstum auswirken wird. Dazu kommen Risikofaktoren wie die weltweit hohe Staatsverschuldung oder die nicht mehr ganz günstige Bewertung am Aktienmarkt, insbesondere bei Unternehmen, die mit der künstlichen Intelligenz in Zusammenhang stehen.
In diesem Umfeld ist es womöglich nicht überraschend, wenn Anleger sich nach sicheren Anlagen umsehen. Im Fokus stehen dabei häufig Bankeinlagen oder Sparbücher, wo die Bundesbürger hierzulande laut Berechnungen der DZ BANK insgesamt fast 3.500 Mrd. Euro oder 36,9 % ihres Geldvermögens investiert haben. Und ein nicht unerheblicher Teil davon dürfte auch als Festgeld angelegt sein. Denn das so investierte Kapital ist nicht nur sicher, sondern wirft für die gesamte Laufzeit einen vorab festgelegten Zinskupon ab, der häufig über der Verzinsung anderer Spareinlagen liegt. Doch gerade Festgeld ist ein sehr gutes Beispiel für das Wiederanlagerisiko.
Wiederanlage-Risiko nicht nur bei Festgeld
Anfang 2024 gab es für Festgeld noch über 4 % Zinsen. Für sicherheitsbewusste Anleger ein sehr attraktives Angebot. Doch hat die Europäische Zentralbank (EZB) seitdem den Leitzins von 4,25 bis auf 2,15 % gesenkt. Und das wiederum wirkt sich auf die kurzfristigen Zinssätze aus, weshalb es aktuell bei den meisten Banken nur noch zwischen 1 und 2,5 % gibt – und somit deutlich weniger als Anfang 2024. Wer also im vergangenen Jahr einen größeren Betrag in Festgeld investiert hatte, bekommt heute nicht mehr den gleichen Zinssatz wie damals – und hat damit das Problem der Wiederanlage.
Doch betrifft dieses Wiederanlagerisiko nicht nur Festgeldanlagen. Auch bei festverzinslichen Wertpapieren kann es auftreten, weil auch Anleihen irgendwann fällig werden. Und ein weiteres bei den Bundesbürgern sehr beliebtes Anlagevehikel ist davon ebenfalls betroffen: Versicherungen. Dort sind laut der DZ BANK rund 2.500 Mrd. Euro oder 26,7 % des Geldvermögens investiert. Doch auch Versicherungsverträge laufen aus. Im vergangenen Jahr zum Beispiel waren es fast 102 Mrd. Euro, die allein deutsche Lebensversicherer an ihre Kunden ausgezahlt haben, wie aus den Zahlen des Gesamtverbandes der Versicherer hervorgeht.
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Was also tun mit dem Geld? Tatsächlich ist das Zinsniveau aufgrund der Leitzinssenkungen derzeit eher niedrig. Zehnjährige Bundesanleihen bieten Mitte November zwar rund 2,6 %. Doch da die Inflation derzeit bei etwa 2 % liegt, bieten sichere Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit real, also nach Abzug der Teuerungsrate, gerade mal eine Rendite von 0,6 % pro Jahr. Bei Fest- oder Tagesgeld ist die reale Verzinsung noch niedriger.
Aktien unbedingt berücksichtigen
Ganz umgehen lässt sich Wiederanlagerisiko zwar nicht, aber es kann sehr wohl hilfreich sein, verstärkt Anlagen im Portfolio zu berücksichtigen, bei denen es kein Ablaufdatum und keinen festen Rückzahlungstermin gibt. Das ist zum Beispiel bei Aktien der Fall, in die Anleger breit gestreut über Exchange Traded Funds (ETFs) oder Investmentfonds investieren können. Und wer einen langfristigen Anlagehorizont hat, kann, da das Verlustrisiko mit der Anlagedauer sinkt, einen großen Teil seines Vermögens dort anlegen. Zusätzlich attraktiv kann es sein, die thesaurierende Variante eines Fonds oder eines ETFs zu wählen. Denn dabei werden potenzielle Ausschüttungen sofort reinvestiert, womit Anleger zusätzlich vom Zinseszinseffekt profitieren.
Allerdings sind viele Investoren mit dem Wiederanlagerisiko bereits konfrontiert. Wem aus einer solchen Anlage in nächster Zeit eine größere Summe zufließt und wer damit einen Anlagezeithorizont von fünf Jahren oder mehr hat, sollte das Geld zumindest zum überwiegenden Teil wie oben beschrieben in Aktien anlegen. Komplexer wird es jedoch dann, wenn jemand schon nach kurzer Zeit auf das Geld angewiesen ist, beispielsweise wenn man bereits im Rentenalter ist und das Vermögen zur Deckung der Lebenshaltungskosten oder zur Ergänzung der Altersbezüge kurzfristig benötigt.
Bilden verschiedener Töpfe
In diesem Fall besteht die Möglichkeit verschiedene Töpfe zu bilden. Für den ersten Topf, aus dem die kurzfristigen Ausgaben gedeckt werden sollen, kann sich ein Geldmarkt-ETF oder Tagesgeld eignen. Hier ist sichergestellt, dass es zu keinen deutlichen Kursverlusten kommt und jederzeit sofort verfügbar ist. Für den zweiten Topf könnte ein Portfolio aus Anleihen mit sehr guter Bonität und gestaffelten Laufzeiten zwischen zwei und zehn Jahren, eine sogenannte Anleiheleiter, gebildet werden. Damit können Anleger mit diesem Teil des Geldes über die Inflationsrate hinaus noch einen kleinen Zusatzertrag erwirtschaften. Da diese Gelder dann nach und nach frei werden, kann daraus der erste Topf bei Bedarf ergänzt werden.
Der dritte Topf wäre dann schließlich ein möglichst global gestreutes Aktienportfolio. Da dieses längerfristig gehalten werden kann, werden sich kurzfristige Wertschwankungen wieder ausgleichen und so kann dieser Bereich für realen Kapitalzuwachs sorgen. Diese drei Blöcke können dann – abhängig von der persönlichen Risikotragfähigkeit und der individuellen Risikoneigung – unterschiedlich gewichtet werden. Ganz einfach umzusetzen ist eine solche Strategie vor allem für weniger erfahrene Anleger allerdings nicht. Wer ein frei werdendes Vermögen sinnvoll einsetzen, idealerweise vergrößern und damit das Wiederanlagerisiko vermeiden möchte, sollte sich deshalb seriöse und fundierte Beratung, wie beispielsweise durch einen CERTIFIED FINANCIAL PLANNER®-Professional, holen.
Zum Autor
Prof. Dr. Rolf Tilmes ist Vorstand des FPSB Deutschland und Academic Director Finance, Wealth Management & Sustainability Management an der EBS Executive School, Oestrich-Winkel.
Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlus, AnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.




