Christian Grötzbach, Senior Berater, Link Market Services GmbH
Mit der neuen Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) hatte es sich der Gesetzgeber zum Ziel gemacht, den Austausch und Informationsfluss zwischen Gesellschaft und Aktionär zu verbessen bzw. zu fördern. Rund ein Jahr nach dem Inkrafttreten ist es Zeit für ein erstes Resümee, was sich tatsächlich für den Aktionär verändert hat und wie sich die ARUG II auf die Kommunikation zwischen Gesellschaft und Aktionär praktisch auswirkt.
Im Gegensatz zu nicht-börsennotierten Gesellschaften sind börsennotierte Gesellschaften dazu verpflichtet, Maßnahmen, die die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Rechte beinhalten und die zugrundeliegende Aktie beeinflussen können, den Aktionären mitzuteilen. Zu den Unternehmensereignissen zählen neben der Gewinnausschüttung die Umtausch-, Bezugs-, Einziehungs- und Zeichnungsrechte sowie Wahlrechte bei Dividenden und die Hauptversammlung, für deren Einberufung § 125 AktG gilt.
Die Information ist direkt zuzuleiten, wenn die Aktionäre im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen sind (Namensaktien) oder über die Intermediäre (Depotbanken), die die Aktien der börsennotierten Gesellschaft verwahren (Inhaberaktien). Die Intermediäre sind verpflichtet, erhaltene Informationen über die Ausübung der Rechte der Aktionäre in Bezug auf ein Unternehmensereignis weiterzuleiten und an die Gesellschaft zu übermitteln (§ 67c AktG). So weit die Theorie.
Die Praxis
In der Praxis erhält der Aktionär nunmehr keine gedruckten HV-Einberufungen mehr, wie dies vor ARUG II der Fall war. Sondern der Anleger wird darüber informiert, dass auf der jeweiligen Internetpräsenz der Gesellschaft alle notwendigen Informationen zur bevorstehenden Hauptversammlung zu finden sind. Theoretisch muss diese Information den Aktionär innerhalb bestimmter Fristen erreichen, was sich in der Praxis noch nicht etabliert hat, da der Transformationsprozess gerade erst begonnen hat.
Ansonsten hat sich für den Aktionär selbst wenig geändert: Die Anmeldung zur Hauptversammlung erfolgt entweder direkt (Namensaktien) oder weiterhin über die Depotbank (Inhaberaktien). Dass jedoch im Hintergrund Intermediäre ihre Prozesse komplett neu strukturieren müssen, bekommen Aktionäre von Gesellschaften mit Inhaberaktien indirekt mit: durch längere Wartezeiten auf die Eintrittskarten/Zugangsdaten für virtuelle Hauptversammlungen. Die über Jahrzehnte etablierten Prozesse der Bescheinigung von Aktionärsbeständen liefern bei vielen Gesellschaften nicht sämtliche für eine ordnungsgemäße Anmeldung erforderlichen Angaben. Intermediäre übermitteln Aktionärsdaten daher nicht mehr über abgestimmte Schnittstellen als einlesbare EDV-Dateien. Sondern einzeln im PDF-Format, was dann manuell zu erfassen und zu prüfen ist. Häufig erfolgt die Übermittlung an die Anmeldestellen auch nicht umgehend, sondern gesammelt am Ende der Anmeldefrist.
Die Zukunft
Im Zuge dieses Transformationsprozesses wird in den letzten Monaten das neue ISO 20022 Format in verschiedenen Arbeitsgruppen auf seine inhaltliche Vollständigkeit nach der neuen Aktionärsrechterichtlinie geprüft und eine Anbindung diskutiert.
Eine wichtige Rolle spielt dabei das SWIFT-Informations-Zahlungsnetzwerk, über das internationale Nachrichten, aber auch Transaktionen geleitet werden.
So soll der Informationsfluss zwischen Emittenten, HV-Dienstleister und Intermediär auf der einen sowie dem Aktionär auf der anderen Seite noch schneller geschehen und in gewissem Maße auch automatisiert werden. Nur mit dieser Automatisierung kann eine schnelle Verarbeitung einhergehen. Der Letztintermediär kann die Inhalte der SWIFT-Nachricht aufbereiten und dem Aktionär schneller z. B. in seinem elektronischen Postfach zur Verfügung stellen.
Eine Etablierung des neuen Formats auf dem deutschen Markt wird nicht vor dem Jahr 2022 geschehen.
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