Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO AG wurde vom Landgericht Hamburg zu einer Schadensersatzzahlung von mindestens 40 Mio. Euro verurteilt. Das hat nicht nur einen massiven Reputationsverlust zur Folge, auch finanziell könnte es für BDO eng werden.
Von 2003 bis 2005 hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (WPG) BDO die Jahresabschlüsse des inzwischen insolventen Flugzeugmotorenherstellers Thielert geprüft. Bereits 2006 wies die SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. darauf hin, dass diese Abschlüsse aus ihrer Sicht massive Bilanzmanipulationen enthielten. Den Verantwortlichen wurde vorgeworfen, durch fiktive Umsätze und Aktivierung von Forderungen eine falsche und deutlich zu positive Unternehmensdarstellung erzeugt zu haben. Die entsprechenden Geschäftsberichte wurden 2008 in erster Instanz für nichtig erklärt. Die Manipulationen seien zwar, wie juve.de berichtet, Unternehmensgründer Frank Thielert zuzurechnen, BDO trage allerdings als Abschlussprüferin eine Teilschuld. Das Landgericht Hamburg verurteilte BDO deshalb im Juni in erster Instanz zur Zahlung von 40 Mio. Euro inkl. Zinsen. Ursprünglich forderten Thielert-Insolvenzverwalter Dr. Achim Ahrendt nebst dem niederländischen Investor Stichting Bewaarbedrijf Guestos 132 Mio. Euro aus Prospekthaftung sowie Pflichtverletzungen und unerlaubter Handlung.
Im selben Prozess, der die BDO betraf, wurde auch Frank Thielert dazu verurteilt, die von den Klägern geforderten 5 Mio. Euro in voller Höhe zu bezahlen. Er wurde außerdem kurz darauf aufgrund von „Fluchtgefahr“ während eines parallel laufenden strafrechtlichen Prozesses, in dem es um Kapitalanlage- und Kreditbetrug sowie Urkundenfälschung geht, festgesetzt und befindet sich nun in Untersuchungshaft. Auch der frühere Leiter der Buchhaltung bei Thielert Matthias H. wurde im Zuge dessen verhaftet, die ehemalige Finanzchefin Roswitha G. konnte die Verhandlung dagegen auf freiem Fuß verlassen.
„Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage“
Reeno Grummer, Leiter Markets, Sales & Communications bei BDO, betonte auf Nachfrage von AnlegerPlus, dass das „Urteil des Gerichts […] ersichtlich auf einer Fehleinschätzung der Sach- und Rechtslage“ beruhe. BDO sei davon überzeugt, dass das Urteil in der nächsten Instanz keinen Bestand haben werde. BDO hat nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bereits Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt.
Dass BDO die Sache bisher offenbar eher auf die leichte Schulter genommen hat, erkennt man daran, dass mindestens ein Wirtschaftsprüfer, der in die Thielert-Affäre involviert war, noch immer bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellt ist. Wolfgang Freiherr von Thermann fungierte für den manipulierten Thielert-Geschäftsbericht aus dem Jahr 2005 als verantwortlicher Wirtschaftsprüfer und ist laut Berufsregister für Wirtschaftsprüfer auch heute noch für BDO tätig.
Eigenkapital und Rückstellungen würden nicht ausreichen
Das Urteil ist, obwohl noch nicht rechtskräftig, für den Ruf der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nicht sehr förderlich – und BDO hat viel zu verlieren. 2012 kamen die Aufträge für Abschlussprüfungen unter anderem von Kunden wie Vossloh, SolarWorld und der Software AG. Insgesamt kam BDO laut Geschäftsbericht vom 30.6.2012 auf einen Umsatz von 192 Mio. Euro.
In diesem Geschäftsbericht fällt allerdings noch etwas auf: Zwar sind in der Konzernbilanz „Sonstige Rückstellungen“ in Höhe von 24,4 Mio. Euro ersichtlich. Jedoch geht nicht daraus hervor, ob darin Rückstellungen für den Thielert-Prozess enthalten sind. Für den Fall, dass BDO trotz Berufung in diesem Prozess unterliegt, würden diese Rückstellungen zusammen mit dem Eigenkapital von etwa 12 Mio. Euro bei Weitem nicht ausreichen, um die mindestens 40 Mio. Euro Schadensersatz zu bezahlen. Daher dürfte wohl eine Kapitalerhöhung nötig sein, um bei Prozessniederlage einer Insolvenz zu entgehen.
Was würde bei einer Insolvenz passieren?
Was würde jedoch passieren, wenn BDO rechtskräftig verurteilt würde und die Schadensersatzzahlungen nicht stemmen könnte? Laut Prof. Dr. Ballwieser, Lehrstuhlinhaber für Rechnungswesen und Prüfung an der LMU München, würden im Fall einer „Insolvenz von BDO […] Auflösung und grds. Widerruf der Anerkennung als WPG“ folgen. Eine Insolvenz von BDO würde also zum Verlust der Anerkennung als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft führen. „Damit kann sie auch nicht mehr prüfen“, resümiert Prof. Ballwieser.
Reputationsverlust
Inwiefern Unternehmen, die bisher von BDO geprüft wurden, Konsequenzen aus diesem Urteil ziehen werden, ist noch nicht bekannt. Äußern wollte sich AnlegerPlus gegenüber bislang nur die SYZYGY AG. Sie erklärte, man verfolge die aktuellen Entwicklungen aufmerksam und stehe diesbezüglich in Kontakt mit BDO. Den Wahlvorschlag an die Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2014 werde man zu gegebenem Zeitpunkt sorgfältig prüfen. Aktuell sehe man aber keinen Anlass und keine Notwendigkeit, zu einem anderen Wirtschaftsprüfer zu wechseln, denn es seien keine Prüfer in das Thielert-Verfahren involviert, die für die SYZYGY-Prüfung zuständig sind.
Prof. Dr. Ballwieser ist der Meinung, dass potenzielle Auftraggeber mit Sicherheit darüber nachdenken würden, ob sie die BDO in Zukunft als Wirtschaftsprüferin beauftragen. Mit Einlegen der Berufung wird der Sachverhalt in der nächsthöheren Instanz neu verhandelt, in diesem Fall am Oberlandesgericht.
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