Die Inflation klug bekämpfen

Harald Rotter

Erst vorübergehend und nun kurzfristig, so schätzt die EZB die hohe Inflation ein. Beides durchaus dehnbare Begriffe. Dem vertraglich festgeschriebenen Mandat der EZB, Preisstabilität zu gewährleisten, wird beides in keiner Weise gerecht. Vielleicht will man damit die Inflationserwartungen dämpfen. Aber vorübergehend sind mit der Inflation verbundene Preiserhöhungen eben nicht. Vielmehr verfestigen sich die Preise im günstigen Fall auf dem höheren Niveau. Aufgrund des Basiseffekts sieht die ursprünglich hohe Inflation nach zwölf Monaten möglicherweise dann wieder versöhnlicher aus. Die Geldentwertung der Vergangenheit aber bleibt. 

Die aktuelle Inflation zeigt im Gegenüber von Nachfrage und Angebot an, dass die Wirtschaft an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Die Preiserhöhungen wirken wie eine zusätzliche Steuer, die Konsumenten zum Verzicht bewegt. Wer den Gürtel nicht enger schnallen möchte, greift auf Kredite oder Erspartes zurück. Das ist der Zeitpunkt, in dem die Geldpolitik die Zinsen erhöhen sollte. Diese wirken ebenfalls wie eine Steuer. Der Konsument muss für seinen kreditfinanzierten Konsum neben höheren Preisen auch höhere Kreditzinsen berappen oder auf höhere Zinserträge verzichten, wenn er sein Erspartes lieber verkonsumiert.

Die Inflationsraten steigen seit mehreren Monaten, schon bevor der Krieg in der Ukraine begann. Die preistreibenden Auswirkungen des Krieges haben sich in den Konsumentenpreisen in der Breite noch gar nicht niedergeschlagen. In dieser Gemengelage entlastet die Ampel-Koalition die Verbraucher oder anders ausgedrückt, stärkt deren Kaufkraft mit Blick auf die hohen Energiepreise. Das mag beim Wähler gut ankommen, ordnungspolitisch ist das im aktuellen Inflationsumfeld eher kontraproduktiv. Hervorgerufen wurde das aktuelle Inflationsszenario schließlich mit durch die expansive Geldpolitik der EZB, die die Staaten zu einer expansiven Fiskalpolitik befähigte. Und diese heizte neben der Staatsnachfrage die des privaten Sektors an. Gleichzeitig traf die angeheizte Nachfrage auf ein wegen Lieferkettenproblemen und Rohstoffknappheit begrenztes Angebot. Der optimale Nährboden für eine Inflationsspirale.

Angesagt wäre daher im Moment eine Konsumeinschränkung. Natürlich sollte dem Berufspendler bei den Benzinkosten unter die Arme gegriffen werden oder den sozial Schwächeren beim Schultern der Heizkosten. Aber warum darüber hinaus? Die „Stütze“ müsste ordnungspolitisch gezielt auf der Angebotsseite eingesetzt werden, wie das z. B. in Japan geplant ist. Das würde inflationshemmend wirken und davon hätten alle Verbraucher etwas. Einige Beispiele: Bei vielen Lebensmitteln haben wir dank unserer Landwirtschaft einen hohen Grad an Selbstversorgung. Doch hohe Dünger-, Energie- und Futtermittelpreise begrenzen und verteuern das Angebot. Die Transportbranche ächzt unter hohen Treibstoffkosten, Unternehmen fallen aus. Die Folge, Lieferengpässe und leere Regale sorgen für steigende Preise. Hohe Energiekosten belasten außerdem viele Industriebetriebe und führen zu einem Zurückfahren der Produktion. Statt „russische Energie“ durch anderes „Despoten-Gas“ kurzfristig teuer zu ersetzen, sollte man über eine Verlängerung der Atomkraft in Deutschland nachdenken.

Wir befinden uns in einem sehr schwierigen Szenario. Die Politik hat es wirklich nicht leicht, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. Dennoch, immer wieder in gleiche Denkmuster und Fehler zu verfallen, können wir uns nicht leisten. Ordnungs- und wirtschaftspolitische Weitsicht ist gefragt. Mit der FDP verband man die Hoffnung, diese in der Regierung zu haben. Doch offenbar ist das nicht der Fall. Schade für den Standort Deutschland.

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