Von Dr. Thorsten Kuthe & Madeleine Zipperle, Rechtsanwälte bei Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln
Die finale Fassung des Deutschen Corporate Governance Kodex („DCGK“) 2022 ist am 27. Juni in Kraft getreten. Das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmensführung und -überwachung hat damit eine Aufwertung erfahren.
In § 161 AktG ist der DCGK als sog. „Soft Law“ gesetzlich verankert. Eine Pflicht, seine Empfehlungen zu befolgen, gibt es zwar nicht, allerdings sind die Gesellschaftsorgane von im regulierten Markt notierten Gesellschaften verpflichtet, sich in ihren turnusmäßigen (Jahres-)Entsprechenserklärungen auf den Kodex zu beziehen und anzugeben, ob den Kodexempfehlungen entsprochen wird. Bei Nichtbefolgung der Empfehlungen ist eine Begründung offenzulegen.
Der Fokus des neuen DCGK 2022
Bereits im Entwurf zum DCGK 2022 Anfang des Jahres zeichnete sich ab, dass Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführung (Environmental Social Governance – „ESG“) das Hauptaugenmerk der Neuerungen sind. Schon in der Präambel des neuen Kodex heißt es nun, dass Vorstand und Aufsichtsrat die Auswirkungen, die die Tätigkeit des Unternehmens auf Mensch und Umwelt hat, bei der Führung und Überwachung im Rahmen des Unternehmensinteresses berücksichtigen. Hinsichtlich der Nachhaltigkeitsbegriffe könnten sich die Unternehmen an den Zielen der UN für nachhaltige Entwicklung orientieren, so die Kodexbegründung.
Die Neuerungen im Überblick
Dieses Hauptaugenmerk findet sich auch in der neuen Empfehlung A.1 wieder. So sollen nunmehr ökologische und soziale Ziele neben den langfristigen wirtschaftlichen Zielen angemessen in der Unternehmensstrategie berücksichtigt werden. Die Unternehmensplanung soll entsprechende finanzielle und nachhaltigkeitsbezogene Ziele umfassen. Insbesondere soll der Vorstand systematisch analysieren, inwiefern Sozial- und Umweltfaktoren individuell für das eigene Unternehmen Risiken und Chancen bringen, aber auch, ob die Unternehmenstätigkeit externe Auswirkungen auf ökologische und soziale Aspekte hat.
Das korreliert mit der Empfehlung des Kodex, ein an der Risikolage des Unternehmens ausgerichtetes Compliance-Management-System einzuführen. Hier sind dann die sich aus der Analyse ergebenden für das Unternehmen relevanten Faktoren unter ESG-Gesichtspunkten zu integrieren, die dazu führen sollen, dass keine Risiken aus dem Bereich entstehen.
Das hat zunächst unmittelbare Konsequenzen für die Zusammensetzung des Aufsichtsrats. Das Kompetenzprofil des Aufsichtsrats, der eine umfassende Beratung und Überwachung dieser Ziele gewährleisten muss, soll künftig zudem über Expertise zu den für das betreffende Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen verfügen (Empfehlung C.1 Satz 3). Außerdem wird Grundsatz 6 ergänzt: Die Überwachung und Beratung durch den Aufsichtsrat umfasst insbesondere auch Nachhaltigkeitsfragen. Auch hinsichtlich der Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates bestimmt also der Nachhaltigkeitsfaktor die Änderungen. Es steht zu erwarten, dass Aktionäre fragen werden, wer auf welche Weise im Aufsichtsrat diese Kompetenz einbringt. Für die Kommunikation zu künftigen Aufsichtsratswahlen wird das sicherlich ebenfalls relevant.
Aber der Kodex fordert selber schon, dies näher offenzulegen: In der Erklärung zur Unternehmensführung soll der Stand der Umsetzung der Ziele zur (u. a.) Kompetenz des Aufsichtsrats in Form einer Qualifikationsmatrix offengelegt werden. Es empfiehlt sich also für Unternehmen, sich hierzu jetzt unmittelbar Gedanken zu machen.
Fazit
Der Fokus des neuen DCGK 2022 liegt klar im Bereich der Nachhaltigkeit. Die ökologischen und sozialen Ziele sind (anders als im Entwurf des DCGK 2022) nur neben langfristigen wirtschaftlichen Zielen zu berücksichtigen. Ignorieren kann das Thema, wie die aktuelle Praxis zeigt, aber kaum noch ein Unternehmen.
Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 8/2022.
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