Die viel gescholtene Private Krankenversicherung (PKV) hat allen Unkenrufen zum Trotz ein Comeback hingelegt. Bereits das fünfte Jahr in Folge wechseln wieder mehr Menschen von der Gesetzlichen (GKV) in die PKV als umgekehrt.
In Deutschland besteht gehaltsabhängige Krankenversicherungspflicht in der GKV für alle Arbeitnehmer oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze bis zur sog. Versicherungspflichtgrenze (2023: 66.600.00 Euro p. a. / 5.550 Euro mtl.). Wird diese überschritten, kann der Angestellte seinen Versicherungsstatus frei wählen, ebenso wie grundsätzlich Beamte, freiberuflich Tätige, Selbstständige und auch Studenten.
Inhaltsverzeichnis
Vorteile der Privaten Krankenversicherung
Vorurteile gegenüber der Private Krankenversicherung
Beitragsermittlung
Die Beiträge für PKV-Versicherte unterliegen einer individuellen, einkommensunabhängigen Kalkulation. Diese beruht auf einer Vielzahl von Faktoren wie Eintrittsalter, Gesundheitszustand bei Abschluss, individueller Tarifwahl und Kostenentwicklung. Der Beitrag in der GKV wird bis zur Jahresarbeitsentgeltsgrenze in Höhe von 59.850 Euro brutto (4.987,50 Euro mtl.) prozentual vom Einkommen berechnet. Eine Beispielrechnung für einen kinderlosen 35-jährigen Arbeitnehmer mit 4.987.50 Euro mtl. Brutto zeigt die Unterschiede:
Beispielrechnung GKV | Beispielberechnung PKV | ||
KV-Beitrag (allgemein, 14,6 %) | 728,18 € | 637,95 € | Premium-Tarif inkl. KT |
Pflegepflicht-Beitrag (allgemein) | 169,58 € | 66,22 € | Pflegepflicht-Beitrag privat |
Zusatzbeitrag (AN Ø 1,6 %) | 79,80 € | – | entfällt bei PKV |
Gesamtbeitrag GKV (mtl.) | 977,56 € | 704,17 € | Gesamtbeitrag PKV inkl. PV |
Beitragsentwicklung
In der Diskussion um GKV oder PKV trifft man häufig auf das Argument, die PKV mag zwar zu Beginn billiger sein, die Beiträge steigen aber viel stärker als in der GKV. Viele Privatversicherte werden dieser These gefühlt zustimmen, tatsächlich ist dieses Argument aber falsch. In den letzten zehn Jahren sind die Beiträge der GKV jährlich um durchschnittlich 3,4 % gestiegen, der der PKV im Durchschnitt nur um 2,8 %.
Dieser Trend könnte sich in den nächsten Jahren sogar noch deutlich zugunsten der PKV entwickeln. Erst im Herbst 2022 musste ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und Bundesmittel von der Bundesregierung auf den Weg gebracht werden, um die allergrößten Finanzierungslücken in der GKV zu schließen. In einer Studie der Bundesregierung wird über eine jährliche Steigerung des Zusatzbeitrags um 0,2–0,3 % zur Deckung der Finanzlücken ab 2024 nachgedacht. Dies würde für unseren Beispielkunden eine Steigerung des GKV-Beitrags auf bis zu ca. 1.100 Euro (plus Pflege) in den nächsten zehn Jahren bedeuten.
Vorteile der Privaten Krankenversicherung
Doch die Entscheidung zugunsten einer PKV sollte niemals beitragsgetrieben sein. Die wesentlichen Vorteile der PKV sind nämlich individuell vereinbarte Leistungsoptionen anstatt eines starren Leistungskorsetts, u. a.:
- im ambulanten Bereich freie Arztwahl mit direktem und schnellem Zugang zu Spezialisten mit modernen und innovativen Behandlungsmethoden;
- im stationären Bereich kann privat(fach-/chef-)ärztliche Behandlung inklusive Ein- oder Zweibettzimmer gewählt werden;
- erheblich höhere Erstattungen als bei der GKV im Dentalbereich;
- einmal zugesagte Tarifleistungen im Vertrag sind garantiert und können nie gekündigt werden, die GKV kann den Leistungskatalog ohne Zustimmung der Versicherten ändern.
Mit Ausnahme des häufig unterschätzten Punkts der Leistungsgarantie können viele dieser Leistungen zwar auch von GKV-Versicherten mittels einer Zusatzversicherung kostenpflichtig (ohne Arbeitgeberzuschuss) versichert werden, was den Kostenvergleich jedoch noch weiter zugunsten der PKV verschiebt.
Vorurteile gegenüber der Privaten Krankenversicherung
Unabhängig von Beitrag und Leistungen halten sich immer noch hartnäckig diverse Vorurteile kontra PKV. Zwei davon seien hier kurz skizziert. Einmal: „Die PKV ist im Alter nicht mehr bezahlbar, die GKV ist viel billiger.“ Das Vorurteil hält sich hartnäckig seit den 90er-Jahren, als es tatsächlich einige Beitragsauswüchse in der privaten Krankenversicherung gegeben hat. Als Reaktion darauf wurde bereits im Jahr 2000 ein gesetzlicher Pflichtzuschlag in Höhe von 10 % des Beitrags für alle PKV-Versicherten eingeführt. Die aus dem gesetzlichen Zuschlag resultierenden Mittel werden verzinslich angelegt und ohne Abzug von Kosten dafür verwendet, Beitragserhöhungen im Alter abzufedern. Darauf aufbauend bilden Versicherer noch individuelle Altersrückstellungen für jeden Versicherten, welche ebenfalls der Dämpfung von Beitragserhöhungen im Alter entgegenwirken sollen. Insgesamt hat die PKV Altersrückstellungen in Höhe von 316 Mrd. Euro (Stand 2022) aufgebaut!
Darüber hinaus sind auch folgende Punkte zu berücksichtigen:
- Auch PKV-Versicherte erhalten einen Zuschuss in Höhe von 7,3 % des Rentenanspruchs, maximal 50 % des PKV-Beitrags ab Rentenbeginn durch den Rentenversicherungsträger.
- Pflichtversicherte GKV-Rentner profitieren zwar von der Berechnung nur des halben Krankenversicherungsbeitrags aus ihrer gesetzlichen Rente, müssen aber etwaige Betriebsrenten voll verbeitragen (aktuell 14,6 % plus halben Zusatzbeitrag).
- Weitgehend unbekannt: Freiwillig versicherte GKV-Rentner bezahlen darüber hinaus ihren Krankenkassenbeitrag (14,6 % plus halben Zusatzbeitrag) auch noch aus allen weiteren Einnahmen wie Mieteinnahmen und Erträgen aus Kapitalanlagen!
Das zweite Vorurteil: „Ein Wechsel in die Private Krankenversicherung ist unsozial.“ Auch dieses ist leicht zu widerlegen. In Deutschland können alle Patienten auf ein gemeinsames Versorgungssystem aus Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken zurückgreifen. Da jedoch für Privatversicherte unter anderem die Behandlungskosten ohne Budgetgrenzen erstattet werden, zahlen sie für viele medizinische Leistungen höhere Honorare. Diese Mehrzahlungen ermöglichen es z. B. Ärzten und Krankenhäusern, in moderne Geräte und innovative Behandlungsmethoden zu investieren. Das kommt auch gesetzlich Versicherten zugute. 2020 flossen beispielsweise über 37 Mrd. Euro durch Privatpatienten in das deutsche Gesundheitssystem. Wären sie gesetzlich versichert, gingen ca. 11,5 Mrd. Euro verloren. Außerdem erhalten die gesetzlichen Krankenkassen jährlich Milliardenzuschüsse aus Steuergeldern, welche von allen Steuerzahlern, auch von Privatversicherten erbracht werden. Die PKV erhält im Gegensatz dazu keinerlei Steuerzuschüsse. Seit 2010 flossen insgesamt 202 Mrd. Euro aus Steuermitteln an die GKV, allein für 2023 ein Steuerzuschuss in Höhe von 16,5 Mrd. Euro.
Fazit
Die PKV ist besser als ihr Ruf. Personen, die das Privileg der freien Wahl der Krankenversicherung haben, sollten ihre Entscheidung trotzdem keinesfalls nur anhand von Kostenaspekten treffen. Für die PKV sollten sich Personen entscheiden, die sich dauerhaft Zugang zu exzellenter, medizinischer Versorgung sichern möchten, dafür gesund genug sind und auch bereit und in der Lage sind, dauerhaft entsprechende Beiträge zu bezahlen, denn eine Billiglösung ist die PKV trotz aktueller Beitragsvorteile sicher nicht.
Dieser Artikel stammt aus der AnlegerPlus-Ausgabe 2/23.
Foto: © unsplash.com, Online Marketing