Für Schlagzeilen in den Medien sorgen meist nur die großen Konzerne. Doch als Motor für die deutsche Wirtschaft sind KMUs nicht minder wichtig. Viele sind familiengeführt – und oft fehlen geeignete Nachfolger. Wie sehen die Lösungen aus?
Die deutsche Wirtschaft ist von mittelständischen Unternehmen geprägt. Nicht alle KMUs, also kleinere und mittelgroße Unternehmen, sind „Hidden Champions“. Viele bewegen sich dennoch in einer starken und ausbaufähigen Marktposition. Und nicht selten werden die Mittelständler noch immer vom Gründer geführt.
Drohende Stilllegung
Beachtliche 3,8 Millionen KMUs zählt das Land. Für rund 200.000 muss jedes Jahr eine Nachfolgeregelung gefunden werden. Das fällt schon heute vielen Unternehmenslenkern immer schwerer. Laut der deutschen Förderbank KfW droht einem Viertel der betroffenen KMUs die unfreiwillige Stilllegung oder eine weitere Verschiebung der Nachfolgelösung. Das könnte für die betroffenen Unternehmen zu einem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führen. Gerade KMUs sind agil und anpassungsfähig, aber eben nur, wenn die Führung beispielsweise Entscheidungen über Investitionen, Produktentwicklungen oder Marktstrategien treffen und diese beherzt umsetzen kann.
Doch warum fällt es so schwer, frühzeitig Nachfolger an die Aufgabe als Unternehmenslenker heranzuführen? Die Antwort ist, es fehlt vielen potenziellen Nachfolgern schlicht am Unternehmertum. Die Gründer oder, wenn man weiter zurückgeht, die mehr oder weniger erfolgreiche zweite oder dritte Generation, die das Unternehmen aufgebaut, entwickelt oder zumindest erhalten haben, finden in den eigenen Reihen keine Nachfolger, die ein ähnlich stark ausgebildetes Unternehmergen an den Tag legen, den gleichen Elan und die Lust am Kalkulieren, Gestalten und Führen haben.
Die interne Nachfolge ist daher meistens eine Illusion, ein Verkauf erscheint realistischer. Dazu muss ein Käufer gefunden werden. Bei kleinen Unternehmen mit weniger als 50 Mitarbeitern ist dies noch relativ leicht, da der Kaufpreis selten die Millionen-Euro-Marke übersteigt. Begleitend stehen bei kleineren Transaktionsgrößen außerdem funktionierende Unternehmensbörsen zur Verfügung, wie nexxt-change unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Infrage für den Kauf kommen leitende Mitarbeiter, die das Geschäft kennen und die Finanzierung stemmen können. Sogenannte Management-Buy-outs (MBO) sind in Deutschland jedoch immer noch selten. Das gilt ebenso für das Gegenstück, den Buy-in (MBI), bei dem ein externer Manager, oder ein Managerteam, das Unternehmen kauft und fortführt.
Unternehmensnachfolge frühzeitig angehen
Auch bei größeren Unternehmen sind familieninterne Nachfolger, MBO und MBI mögliche Lösungen, die den Fortbestand und möglichst das weitere Prosperieren des Unternehmens sicherstellen sollen. Zusätzlich kommen Finanzinvestoren oder industrielle Käufer ins Spiel. Doch nicht jeder Unternehmer will sein Lebenswerk auch im Interesse der Angestellten an „Finanzhaie“ oder Großkonzerne abgeben. Es ist eine Frage der Prioritäten. Wertoptimierung, Zukunftssicherung oder Fortführung der Unternehmenskultur im Sinne des Gründers können ausschlaggebende Faktoren sein. Da wird nicht immer rational entschieden. Nicht selten gibt es auch langwierige Grabenkämpfe zwischen Fraktionen der Erben. Das kann sogar so weit gehen, dass das Unternehmen wegen mangelnder Führung in eine kritische Lage gerät.
Die patriarchalischen Strukturen in der Domäne der Familiengesellschaften sind ebenfalls nicht unbedingt hilfreich im Hinblick auf Nachfolgelösungen. Es gibt viele Geschichten von 80- und 90-jährigen „Patrons“, deren 60-jährige Söhne „noch nicht so weit“ sind, die Leitung zu übernehmen. Stirbt der Patron, hinterlässt er ein Vakuum, das niemand ausfüllen kann. Oft kaufen dann opportunistische Industrieadressen oder Hedgefonds in der Krise zu sehr tiefen Preisen.
Der weitsichtige Unternehmer muss daher sein Ego zurückstellen und über die Zeitspanne seines Arbeitslebens hinausblicken können. Je früher ein schlagkräftiges und in der Praxis erprobtes Management, familienintern oder extern, gelernt hat, Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen, umso größer ist die Chancen für eine nahtlose Unternehmensentwicklung nach der Übergabe. Insofern scheint auch die Empfehlung der Deutschen Industrie- und Handelskammer, drei Jahre vor der geplanten Übergabe mit der Suche des Nachfolgers zu beginnen, als zu kurzsichtig.
Mangelndes Unternehmertum
Der evolutionären Lösung sowie der MBO- oder MBI-Lösung stehen jedoch zwei Hindernisse entgegen: Es mangelt hierzulande an geeigneten Kandidaten und am Entrepreneurship. Das lässt sich nur zum Teil mit der demografischen Entwicklung erklären. Schließlich standen vor 20 und 30 Jahren auch schon Nachfolgelösungen an. Damals befand sich die gut ausgebildete Generation der Babyboomer im Zenit ihrer Schaffenskraft. Dennoch waren die damals ausgemachten Ursachen für das Problem der Nachfolgelösungen den heutigen sehr ähnlich.
Es scheint daher also eher eine Kulturfrage zu sein. In den angelsächsisch geprägten Ländern hat Unternehmertum einen höheren Stellenwert als das Beamtendasein oder eine sichere Anstellung. Dazu gehört auch die „Kultur des Scheiterns“ – und wieder Aufstehens. Ein gutes Beispiel ist Donald Trump, der es trotz mehrerer Unternehmenspleiten sogar zum US-Präsidenten geschafft hat. Ein deutlich höherer Prozentsatz der arbeitenden Bevölkerung ist in den USA selbstständig oder unternehmerisch tätig als hierzulande.
Aktive Nachfolgeplanung
Von den laut Deutschem Aktieninstitut 1.363 deutschen Aktien, die 2021 an der Börse gehandelt wurden, stellen KMUs mit 1.300 die absolute Mehrheit. Was bei privat gehaltenen Unternehmen auch beim Thema Nachfolge privat bleibt, ist bei Publikumsgesellschaften eine öffentliche Angelegenheit. Beispielsweise wird in den Medien rege diskutiert, wie sich die Kinder von Bernard Arnault beim Luxusgüterkonzern LVMH im Management machen. Ein regelrechter Wettbewerb um die Nachfolge scheint entbrannt. Warren Buffett hat zwar Kinder, doch die haben kein Interesse, in die großen Fußstapfen des über 90-Jährigen zu treten. Auf operativer Ebene sind bei Berkshire Hathaway jedoch schon mehrere von Buffett ausgesuchte und geprüfte Nachfolger etabliert. Ein positives KMU-Beispiel für Deutschland ist Sixt. Hier haben die Söhne des langjährigen Unternehmenslenkers Erich Sixt die glaubwürdige Nachfolge bereits angetreten.
Gut geführte, profitable und wachsende KMUs zeichnen sich ebenso wie große Konzerne dadurch aus, dass sie einer langfristigen strategischen Unternehmensplanung folgen. Die Investoren schätzen Unsicherheiten bezüglich der Unternehmensführung nicht. Aktien solcher Unternehmen werden deshalb eher mit einem Abschlag gehandelt. Umgekehrt führen gut vorbereitete und funktionierende Nachfolgeregelungen zu einer angemessenen Bewertung oder sogar einer Prämie an der Kurstafel.
Rückwirkend lässt sich der demografische Engpass in Deutschland nicht korrigieren. Dagegen können die abschreckende Bürokratie reduziert und die Bildung in Sachen Wirtschaft, Kapitalmarkt und Unternehmertum praxisnäher und sehr viel besser gestaltet werden. Elitäre Lehrstühle für Entrepreneurship genügen da nicht. Das Thema muss in der Mitte der Gesellschaft ankommen.
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