Was Anleger über künstliche Intelligenz wissen müssen

Künstliche Intelligenz

Von Matthias Krapp, ABATUS VermögensManagement

Die meisten Menschen denken beim Thema künstliche Intelligenz (KI) wahrscheinlich an ChatGPT. Denn wohl keine KI-Anwendung hat so viel Aufmerksamkeit erregt. Doch KI gibt es schon lange, z. B. in Science-Fiction-Filmen der Neunzigerjahre. Aus Anlegersicht ist diese künstliche Intelligenz im Vergleich zur Schwarmintelligenz bedenklich.

Einen Wendepunkt erreichte die KI-Entwicklung erstmals 1997, als mit Deep Blue der erste Computer einen Schachgroßmeister besiegte. Und Siri oder Alexa gehören für viele Menschen inzwischen zum Alltag. ChatGPT ist im Grunde also nichts Neues.

Was haben all diese KI-Systeme gemeinsam? Sie sind Werkzeuge, die Daten verarbeiten und organisieren, Muster erkennen, Informationen zusammenzufassen oder Vorschläge machen. Interaktionen mit KI sind allgegenwärtig: Wenn das Smartphone bei der Fahrt ins Büro unaufgefordert die voraussichtliche Ankunftszeit anzeigt oder das Textverarbeitungsprogramm Grammatikkorrekturen vorschlägt, ist man bereits KI-Nutzer.

In der Vermögensanlage hat KI bereits eine lange Geschichte. Aktive Anleger wollten sich schon lange mit KI, die Daten erfasst und verarbeitet, einen Informationsvorsprung verschaffen. Programme, die die Stimmung in den sozialen Medien messen, Texte aus Finanzberichten von Unternehmen analysieren, gibt es schon sehr viel länger als ChatGPT.

Mehr Rendite durch künstliche Intelligenz?

Anleger versuchen, mithilfe dieser Programme die besten Aktien zu identifizieren. Ob sich KI-Programme jedoch wirklich zur konstanten Generierung von Mehrrenditen eignen, ist fraglich. Informationen, die sich durch KI-Anwendungen generieren lassen, sind höchstwahrscheinlich nicht mehr als eine Teilmenge aller Informationen, die dem Markt in seiner Gesamtheit bekannt und eingepreist sind. Kommen neue Informationen hinzu, werden diese ebenfalls durch Kauf- und Verkaufstransaktionen sofort im Preis berücksichtigt. Der Informationsvorsprung, der sich durch KI erzielen lässt, wird umso kleiner, je mehr Anleger diese Instrumente nutzen.

Noch etwas spricht meines Erachtens eher gegen den Einsatz von KI bei Timing-Strategien: Marktprognosen sind keine Stärke von KI-Programmen. KI eignet sich sehr gut, um relativ stabile Muster auszuwerten, um daraus Vorhersagen abzuleiten. Die Navi-App des Handys „errät“ oft sehr genau, wann man zur Arbeit fährt, wenn man jede Woche an denselben Tagen das Büro aufsucht. Navigationsprogramme fürs Auto wissen, dass die Geschwindigkeit reduziert werden muss, wenn ein Stoppschild zu sehen ist, denn diese visuellen Hinweise sind immer gleich.

Exakte Vorhersagen unwahrscheinlich

Veränderungen in komplexen Systemen wie den Aktienmärkten machen erfolgreiche KI-Vorhersagen jedoch unwahrscheinlich. Eine KI, die Börsenkurse vorhersagt, wäre wie ein selbstfahrendes Auto, das Stoppschilder mit täglich wechselnden Farben, Standorten und Formen interpretieren kann. Immer neue Informationen, die für die Kurse relevant sind, sind aber das Gegenteil von statischen, vorhersehbaren Mustern.

Künstliche Intelligenz kann die Unternehmen effizienter machen, wenn sie als Werkzeug eingesetzt wird, was Professor Robert C. Merton als „assisted implementation“ bezeichnet: Datenauswertung, Kundenbetreuung, Prozessoptimierung. Für KI gilt genauso wie für jedes andere Werkzeug: Man muss wissen, wie man es einsetzt. Wenn man damit z. B. Daten wesentlich einfacher analysieren kann, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine solche Analyse zu brauchbaren Ergebnissen führt. Der Einsatz von KI kann für Unternehmen, die über sehr viele Kundendaten verfügen, enorm hilfreich sein. Beispielsweise können diese herausfinden, was ihre Kunden wahrscheinlich als Nächstes kaufen werden, und ihr Marketing darauf ausrichten.

KI vertraut sich selbst nicht

Kürzlich habe ich ChatGPT befragt, ob ich ihr bei meinen künftigen Investitionen vertrauen könne. Die Antwort lautete: „Im Allgemeinen ist es sicherer, sich auf den Marktpreismechanismus zu verlassen als auf ein KI-Modell, das Fehlbewertungen von Aktien und Anleihen zu erkennen versucht.

Der Marktpreismechanismus beruht auf den Entscheidungen aller Marktteilnehmer und preist alle verfügbaren Informationen in die Wertpapierkurse ein. Für einzelne Anleger oder ein KI-Modell ist es daher schwierig, den Markt durch die Identifizierung von Fehlbewertungen dauerhaft zu übertreffen.“

Zum Autor

Matthias Krapp ist Dipl.-Bankbetriebswirt, Podcaster, Buchautor und GF der ABATUS VermögensManagement. Das Unternehmen begleitet Unternehmer/n, Privatiers, Stiftungen, kirchliche Institutionen und private Investoren. Krapp betreibt den Finanz-Podcast „Wissen schafft Geld“.

Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

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