Vor gut zehn Jahren haben wir in diversen Beiträgen in unserem Magazin vor den Risiken der Nullzinspolitik gewarnt, insbesondere dem Risiko, dass Unternehmen von den niedrigen Zinsen abhängig werden könnten.
Nach einem Jahrzehnt niedriger Zinsen zeigen sich nun die Folgen dieser Geldpolitik mehr als deutlich. Bereits im Jahr 2022 funkten vor allem Gesellschaften aus dem Immobiliensektor wegen steigender Refinanzierungskosten und fallender Immobilienpreise SOS. Nun geraten aber auch zunehmend Unternehmen aus anderen Branchen in wirtschaftliche Turbulenzen.
Das weltweit tätige Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal (A&M) hat Mitte Juli seinen halbjährlich erscheinenden Alvarez & Marsal Distress Alert (ADA) veröffentlicht, in dem die Ertrags- und Finanzlage von mehr als 8.200 Unternehmen in Europa bewertet wird. Und die Ergebnisse der Analyse sind wenig erfreulich. Die Zahl der europäischen Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten ist demnach gegenüber dem Vorjahr um 10 % gestiegen. Der Anteil der Unternehmen mit schwacher Finanzlage erreicht einen Rekordwert von 31,2 %. Insbesondere für Unternehmen mit hoch verschuldeten Kapitalstrukturen ist die Situation kritisch.
Unter den „Problemfirmen“ sind in der A&M-Analyse neben britischen Unternehmen, die nach wie vor unter dem Brexit leiden, auffällig viele deutsche Firmen zu finden. Die Börse spiegelt dies mittlerweile fast wöchentlich wider. Erst kürzlich hat der angeschlagene deutsche Batteriehersteller VARTA angekündigt, ein StaRUG-Verfahren zu Sanierung anzustreben. Die Aktionäre würden in diesem Fall komplett leer ausgehen. Und mit dem Münchner Agrarkonzern BayWa steht der nächste Kandidat für eine Sanierung bereits in den Startlöchern.
Die Gründe dafür sind unterschiedlicher Art. VARTA ist durch die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Konkurrenz ins Schlingern geraten. Bei BayWa hingegen scheint in nahezu allen Geschäftsbereichen die Konjunktur wegzubrechen. Das größte Problem resultiert aber aus der hohen Verschuldung des Konzerns in Verbindung mit dem starken und schnellen Zinsanstieg. Das Gift des billigen Geldes hat hier wohl massiven Schaden angerichtet. Hoffentlich wird im Fall der BayWa eine Sanierung mit statt gegen die Aktionäre mittels StaRUG stattfinden.
Jeder Anleger sollte aber nun gewarnt sein und seine Depotkandidaten dahingehend durchleuchten, ob diese möglicherweise hochverschuldete Kapitalstrukturen in den Bilanzen aufweisen. Denn in diesem Fall könnte von heute auf morgen ein Totalverlust eintreten.
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