Wie wettbewerbsfähig ist Deutschland?

Deutschland wettbewerbsfähig

Nur noch Platz 24 im Ländervergleich, weniger Direktinvestitionen und mehr Insolvenzen – das alles wirft Zweifel daran auf, wie wettbewerbsfähig Deutschland ist. Gänzlich überraschend kommt diese Entwicklung nicht.

Die schlechten Nachrichten reißen nicht ab: Deutschland ist im aktuellen World Competitiveness Ranking der Schweizer IMD Hochschule weiter abgerutscht (um zwei Plätze) und belegt jetzt nur noch Platz 24. Ein weiteres Zeichen für die nachlassende Wettbewerbsfähigkeit sind die deutlich gesunkenen Direktinvestitionszuflüsse. Gleichzeitig steigt seit 2021 die Zahl der Unternehmensinsolvenzen kontinuierlich an. Insbesondere der hohe Anteil an Großinsolvenzen macht hier Sorgen.

Bürokratie, Steuern, Energiewende

Was sind aber die Gründe dafür, dass Deutschland weniger wettbewerbsfähig ist? Die wachsende Bürokratie scheint einer der Hauptgründe zu sein. Laut dem KfW-Mittelstandspanel 2024 sehen 59 % der befragten Unternehmen sie als das größte Risiko für den internationalen Erfolg. Das ist ein Anstieg um elf Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Eine ifo-Umfrage aus 2024 bestätigt dieses Bild: Auch dort wird Bürokratie als zentraler Faktor für die negative Entwicklung genannt. Unternehmen fordern weniger und einfachere Regulierungen sowie eine stärkere Digitalisierung der Verwaltungsprozesse.

Eben da liegen weitere Defizite. Denn nicht nur Brücken und Schulen sind hierzulande marode, sondern auch die staatliche digitale Infrastruktur. Im Bereich digitale öffentliche Dienste für Unternehmen beispielsweise liegt Deutschland laut Digital Economy and Society Index (DESI) 2024 das dritte Jahr in Folge unter dem europäischen Durchschnitt. Hinzu kommt der Standortnachteil im Steuerwettbewerb, da viele große Industrienationen in den vergangenen Jahren ihre Steuersätze deutlich gesenkt haben.

Und der einstige Wettbewerbsvorteil Deutschlands – eine starke industrielle Basis – wird zunehmend zum Nachteil. Mit rund 19 % trägt die Industrie doppelt so viel zur deutschen Wirtschaft bei wie etwa in Frankreich, Großbritannien oder den USA. Über Jahrzehnte erzielten in Deutschland Schlüsselbranchen wie die Autoindustrie, die chemisch-pharmazeutische Industrie und der Maschinenbau hohe Umsätze, da auch viele Schwellenländer diese Produkte nachfragten. Doch diese Länder stellen inzwischen immer mehr selbst her. 

IMMER TOP INFORMIERT ...

... mit unserem kostenlosen Newsletter. Melden Sie sich noch heute an - Wir freuen uns auf Sie und halten in unserer Begrüßungsmail ein Rabattangebot für Sie bereit!



    Zudem ist die deutsche Industrie stark energieintensiv. Im Zuge steigender Energiepreise und des Wegfalls günstiger Gaslieferungen wird das nun zum Problem. Laut Statistischem Bundesamt war 2023 mit 28 % der Hauptenergieträger in der Industrie Erdgas. An zweiter Stelle folgte Strom mit 21 %. Zwar lag Deutschland im Jahr 2022 beim durchschnittlichen Industriestrompreis EU-weit im Mittelfeld, aber die Preise waren dennoch deutlich höher als in Asien und den USA. 

    Die angestrebte Energiewende könnte dieses Problem langfristig entschärfen, da Strom aus erneuerbaren Energien in der Regel günstiger ist. Der Nachteil liegt jedoch in seiner Verfügbarkeit: Erneuerbare Energiequellen liefern nicht kontinuierlich Strom. Um das Potenzial erneuerbarer Energien besser auszuschöpfen und die Stromnetze zu stabilisieren, wären mehr Stromspeicher und der verstärkte Einsatz von Smart Metern erforderlich. Doch in diesen Bereichen gibt es noch erheblichen Nachholbedarf.

    Fachkräfte und Rohstoffe

    Der Fachkräftemangel stellt eine weitere Herausforderung dar. Im Jahresdurchschnitt 2024 waren in Deutschland rund 46,1 Millionen Menschen erwerbstätig. Ein Rekord seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig ist die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden seit 1990 allerdings unverändert, da zunehmend in Teilzeit gearbeitet wird. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert, dass das Erwerbspersonenpotenzial hierzulande bis 2060 auf 40,4 Millionen sinken könnte. Schon jetzt fehlen jedoch Fachkräfte, besonders in Gesundheits- und Sozialberufen sowie im Handwerk. Dadurch wird ein deutlicher Anstieg der Lohnkosten befürchtet. Dabei liegen die Arbeitskosten in Deutschland laut dem Statistischen Bundesamt im EU-Vergleich schon seit Jahren im oberen Drittel.

    Allerdings, auch bisher setzten deutsche Produkte auf den Weltmärkten weniger auf Kostenführerschaft, sondern überzeugten vor allem durch Qualität. Doch das Image des Siegels „Made in Germany“ verblasst zunehmend. Besonders deutlich zeigt sich das in der Autoindustrie. In den vergangenen Jahrzehnten basierte das Wachstum der Branche größtenteils auf Auslandsmärkten, insbesondere in Asien. Doch viele Staaten verabschieden sich allmählich vom Verbrennungsmotor. Im Bereich der E-Autos holt die chinesische Konkurrenz inzwischen jedoch deutlich auf sowohl in Qualität als auch bei den Preisen. Ein entscheidender Vorteil ist hier die Batteriefertigung, da China direkten Zugriff auf die für die Produktion benötigten Rohstoffe hat.

    Gerangel um Dominanz

    Die alte Weltordnung sortiert sich gerade neu. Die USA, China und Russland ringen um die Vormachtstellung, während Europa Gefahr läuft, dazwischen zerrieben zu werden. Das geopolitische Spiel verfängt sich zunehmend in einer Eskalationsspirale. Ein Beispiel dafür ist Chinas Entscheidung, den Export wichtiger Rohstoffe für die Chipherstellung in die USA einzuschränken, nachdem die USA ihrerseits den Export von Hochleistungschips nach China aus Sicherheitsgründen blockiert hatten. Die nächste Runde zeichnet sich bereits ab: Ein Zollkrieg, dem sich auch die EU voraussichtlich nicht entziehen kann Für ein rohstoffarmes Exportland wie Deutschland käme dieser zusätzliche Druck durch die Eskalationsspirale zu den zuvor beschriebenen Herausforderungen noch hinzu.

    Die Kapital Medien GmbH, der Verlag der Finanzzeitschriften AnlegerPlusAnlegerPlus News und AnlegerLand ist eine 100-%-Tochter der SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.

    Foto: © Valentin Sonntag from Pixabay

     

    AnlegerPlus