Rund ein Jahr nach der Parlamentswahl schaffte es der Börsenindex FTSE 100 im April und Mai, einen neuen Rekord aufzustellen. Das britische Leitbarometer schloss 15 Handelstage in Folge im Plus ab und markierte somit die längste Gewinnserie in der gesamten Indexhistorie.
In Großbritannien fanden 2024 Unterhauswahlen statt. Gewonnen hat diese die Labour-Partei. Sie stellt seither fast zwei Drittel der Abgeordneten. Dabei hatten „nur“ 34 % der Wähler für Labour abgestimmt und 24 % für die bis dahin regierenden Tories. Möglich macht dies das britische Wahlsystem. Für die große Unterhausmehrheit reichten der Labour-Partei gerade einmal 1,9 % mehr Stimmen, als sie bei der letzten Wahl erhalten hat. Die Tories mussten dagegen Stimmverluste von 20 % hinnehmen.
Wie Frankreich kämpft auch das Vereinigte Königreich mit vielen wirtschaftlichen Problemen. Und wie in Frankreich drücken die Briten hohe Staatschulden. Weil beispielsweise das Justizsystem vor dem Kollaps stand, mussten sogar Straftäter vorzeitig entlassen werden.
Aktien mit bescheidener Performance
Der Kapitalmarkt hat ebenfalls schon bessere Zeiten gesehen. Für britische Aktien verlief das Jahrtausend bislang extrem bescheiden. Der britische Leitindex FTSE 100 notiert aktuell kaum höher als zur Jahrtausendwende. Seine Performance bleibt damit beispielsweise deutlich hinter der des Kurs-DAX zurück. Insgesamt entpuppten sich britische Aktien für europäische Anleger sogar als Verlustgeschäft. Denn das britische Pfund wertete im selben Zeitraum um stattliche 29 % gegenüber dem Euro ab.
Ausschlaggebend für die deutliche Underperformance war neben der anhalten Deindustrialisierung die erhebliche Abhängigkeit der britischen Wirtschaft von der Londoner City, wobei der FTSE 100 lange für die hohe Gewichtung von Finanzaktien im Index bekannt war. Da viele britische Geldinstitute vergleichsweise lange benötigten, um sich von der Lehman-Krise zu erholen bzw. einige Banken noch immer unter den langfristigen Auswirkungen leiden, war es wenig verwunderlich, dass UK-Aktien international aus dem Fokus vieler Investoren gerieten. Allerdings könnte mittelfristig wieder deutlich mehr Schwung in den Finanzplatz London kommen, da einige Schwergewichte aus anderen Sektoren zunehmend einen Aufwärtstrend herausbilden.
Weltweite Vernetzung
Dass dem so ist, ist auch der Vergangenheit geschuldet, als Großbritannien noch eine führende Weltmacht war. Im FTSE 100 sind nämlich unter anderem mit Fresnillo, Glencore und Rio Tinto weltweit führende Minenkonzerne enthalten, die von der globalen Vernetzung der City of London stark profitiert haben. Gleiches trifft beispielsweise auf die Finanzgiganten HSBC und Standard Chartered zu, die unter anderem in Ostasien weitaus stärker als deutsche Institute am Markt präsent sind.
Als weiterer Faktor kommt hinzu, dass der britische Militärsektor eine Wiederbelebung erfährt, was sich am Kursverlauf der Aktie der britischen BAE Systems widerspiegelt, eines der größten Rüstungsunternehmen der Welt. Das hat nicht nur einen positiven Einfluss auf den Gesamtmarkt, sondern könnte sogar die gesamte britische Volkswirtschaft spürbar beleben.
Mit einem BIP-Wachstum von 3,4 % zwischen dem 4. Quartal 2019 und dem 4. Quartal 2024 belegt die britische Wirtschaft im G7-Vergleich lediglich den 6. Platz. Dennoch muss Großbritannien den Vergleich mit Deutschland in keinster Weise scheuen, da die Ökonomie hierzulande im gleichen Zeitraum um insgesamt 0,1 % schrumpfte. Zudem traut die OECD den Briten für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,1 % zu, während Deutschland wohl weiterhin stagnieren wird.
Strukturelle Probleme in Großbritannien
Ob mit der Gewinnserie beim FTSE 100 jetzt eine Hausse eingeleitet wird, bleibt abzuwarten. Schließlich hat auch da das Vereinigte Königreich mit einer Reihe von strukturellen Problemen zu kämpfen. Und dass die Perspektiven für den britischen Leitindex im Vergleich zum DAX keinesfalls schlechter aussehen, liegt derzeit hauptsächlich an der deutschen Wirtschaftsschwäche. Dennoch sind ausgewählte Investments in den britischen Aktienmarkt insbesondere für deutsche Privatanleger, die bislang eine ausgeprägte Heimatverbundenheit bei der Einzeltitelauswahl zeigten, gut geeignet, um das Depot stärker zu diversifizieren. Denn auch in vielen globalen Anlagestrategien sind UK-Aktien zumeist höher als deutsche Anteilscheine gewichtet.
In den AnlegerPlus News 5/2025 stellen wir zwei britische Aktien und einen ETF mit Fokus Großbritannien vor.
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