Von Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH
Nach dem Durchschreiten eines Konjunkturtals im Winterhalbjahr dürfte sich die Nachfrage in vielen Regionen der Welt wieder erholen. Für langfristig orientierte Anleger überwiegen die Chancen.
Bei allen Unwägbarkeiten könnten Investoren am Ende des kommenden Jahres zu dem Schluss kommen: 2024 hat sich in etwa so angefühlt wie 2023, nur etwas stabiler. Das neue Normal der Zinsen dürfte unter dem aktuellen Niveau, aber über dem der vergangenen Jahre liegen. Dennoch werden die großen Trends der digitalen Welt wohl erneut die Marktdynamik dominieren.
Die lang erwartete Rezession fällt in den USA aber (milde) aus. Europa wird wohl erst im Sommer wieder positive Wachstumsraten ausweisen. Die Gründe für die auch 2024 wohl robustere Entwicklung der US-Wirtschaft sind auf der Angebots- wie auf der Nachfrageseite zu finden. So liegt das Wachstumspotenzial in den USA relativ stabil bei etwa 2 % p. a. In Deutschland ist es auf nur noch 0,5 % gesunken. Im weiteren Jahresverlauf stehen die Aussichten auf eine konjunkturelle Belebung in beiden Regionen dann gut. In Europa spricht der Rückgang der Inflation für eine Erholung der realen Kaufkraft und ein Comeback des Konsums. In den USA stehen die Chancen für einen Investitionszyklus trotz höheren Zinsen gut. Voraussetzung ist, dass sich die Inflation schrittweise weiter zurückbildet auf ein Niveau, welches von den Notenbanken und der Gesellschaft mittelfristig toleriert werden kann. Dieser Prozess dürfte in Europa rascher verlaufen, da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage bereits spürbar nachgegeben hat. Eine rasche und nachhaltige Rückkehr zu den 2%-Zielen ist wenig wahrscheinlich. Im Jahresdurchschnitt dürfte die Inflation in den USA deshalb nur auf etwa 3 % sinken, in Europa auf etwa 2,5 %.
Mit Blick auf die Geldpolitik ist die Gretchenfrage 2024, wie weit Fed und EZB ihre Zinsen in den kommenden Jahren wieder senken werden. In Summe halten wir ein neues Normal der US-Leitzinsen im Bereich zwischen 3 und 4 % für realistisch. Angesichts der Divergenz der konjunkturellen Entwicklung und des stärkeren Abwärtsdrucks auf die Preise könnte die EZB den Zinssenkungszyklus erstmals früher beginnen als die Fed.
In diesem Umfeld sind die Ertragsaussichten für gemischte Portfolios deutlich attraktiver geworden. Der höhere Zinssockel gewährt Anleihen guter Bonität in einem Mischportfolio eine neue Daseinsberichtigung, da diese nun eine auskömmliche Rendite aufweisen und zudem als Stabilitätsanker im Portfolio fungieren. Eine reine Aktien-Anleihen-Gewichtung wird in Zukunft nicht ausreichen, weshalb wir diese „multidimensional“ über entsprechende Investment-Grade-Anleihen und weniger High Yield Exposure umsetzen. Wenngleich die Aktienrisikoprämien, insbesondere in den USA, derzeit historisch niedrig sind, sollte die positive Gewinndynamik im Zuge des neuen Investitionszyklus zu Produktivitätsgewinnen führen. Der hohe Anteil an Technologieinvestitionen führt zu entsprechendem Gewinnwachstum und höheren Gewinnrenditen. Bei einer entsprechend konstruktiven Portfolioausrichtung mit offensivem Wachstumsschwerpunkt weisen Aktien auch aufgrund von strukturellen Faktoren mittelfristig ein hohes Renditepotenzial auf.
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