Die Bundesregierung erwägt, ein staatlich gefördertes Altersvorsorgedepot einzuführen. Wie könnte diese zusätzliche Säule der Altersvorsorge aussehen und wie regeln es andere Länder? Der folgende Beitrag gibt einen Überblick.
Das legendäre Zitat „Die Rente ist sicher“ des ehemaligen Bundesarbeitsministers Norbert Blüm hat schon lange an Wahrheitsgehalt eingebüßt, zumindest wenn man auf die dahinterliegende Intention abstellt. Denn die gesetzliche Rente ist für viele Menschen alles andere als sicher, da sie in vielen Fällen nicht für ein auskömmliches Leben im Alter reicht. Deshalb sollte jeder auch privat fürs Alter vorsorgen. Und die Politik muss dringend bessere Rahmenbedingungen hierfür schaffen.
Riester-, Rürup- und Betriebsrente
Staatlich geförderte Möglichkeiten zur privaten Altersvorsorge existieren in Deutschland bereits. Die derzeit gängigsten geförderten privaten Altersvorsorgeprodukte in Deutschland sind die Riester-Rente und die Rürup-Rente. Beide bieten steuerliche Vorteile, aber sie sind oft mit Garantien und niedrigen Renditen verbunden, was sie weniger attraktiv für langfristige Kapitalanlagen wie Aktien macht. Die betriebliche Altersvorsorge spielt in Deutschland ebenfalls eine wichtige Rolle, wenn es um die private Vorsorge geht, jedoch ist sie in vielen Fällen stark reglementiert und bietet wenig Flexibilität für individuelle Kapitalmarktinvestitionen.
Unzufrieden mit Status quo
Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen mit den bestehenden Möglichkeiten der privaten Altersvorsorge unzufrieden ist. Einer Online-Erhebung des Bundesverbands für strukturierte Wertpapiere (BSW, nicht zu verwechseln mit der Partei von Sarah Wagenknecht) zufolge bewerten über 60 % der Umfrageteilnehmer die Wertpapierkultur und die private Altersvorsorge in Deutschland negativ.
Daher gibt es in Deutschland bereits seit einiger Zeit Pläne, eine weitere Säule der Altersvorsorge zu etablieren. Diskutiert wird dabei ein Altersvorsorgedepot, wie es in zahlreichen Ländern bereits existiert. Ein Altersvorsorgedepot ist ein Wertpapierdepot, das zur langfristigen Altersvorsorge dient. Es ermöglicht Sparern, in verschiedene Finanzprodukte, vor allem Aktien und aktienbasierte Anlageklassen, zu investieren und dabei Steuervorteile in Anspruch zu nehmen.
Empfehlungen von Regierungsexperten
Eine von der Bundesregierung eingesetzte Fokusgruppe hat 2023 Empfehlungen für eine Reform der privaten Altersvorsorge ausgesprochen. Einer der zentralen Punkte war die Einführung eines Altersvorsorgedepots. Folgende Merkmale müsste es der Fokusgruppe zufolge vereinen:
- Verzicht auf Garantien: Anders als bei der Riester-Rente soll ein Altersvorsorgedepot keine gesetzlich vorgeschriebenen Beitragsgarantien oder Mindestverzinsungen beinhalten, um höhere Aktienquoten und damit höhere Renditen zu ermöglichen.
- Steuerliche Förderung: Es wird vorgeschlagen, die steuerliche Absetzbarkeit für Beiträge zum Altersvorsorgedepot deutlich attraktiver zu gestalten, um die breite Nutzung zu fördern.
- Breites Angebot und Flexibilität: Altersvorsorgedepots sollen unbürokratisch von regulierten Finanzinstituten angeboten werden und sowohl Standardprodukte als auch die Möglichkeit zur individuellen Zusammenstellung bieten.
Derzeit arbeitet der Gesetzgeber daran, einen rechtlichen Rahmen für die Einführung von Altersvorsorgedepots in Deutschland zu schaffen. Dieser könnte sich an erfolgreichen Modellen aus anderen Ländern orientieren. Dabei wird diskutiert, eine Mindestaktienquote als Voraussetzung für die Nutzung eines Altersvorsorgedepots festzulegen, um die Vorteile der Aktienanlage optimal zu nutzen. Die genaue Ausgestaltung und Einführung hängen jedoch von zukünftigen gesetzlichen Regelungen ab, die derzeit in Planung sind.
Großes Interesse am Altersvorsorgedepot
Einer kürzlich veröffentlichen Postbank-Umfrage zufolge wäre das Interesse an einem staatlich geförderten Altersvorsorgedepot groß. 58 % der befragten Erwerbstätigen erwägen demnach, ein solches Angebot wahrzunehmen. Unter den Umfrageteilnehmern die bislang nicht am Kapitalmarkt anlegen, würden 47 % dank des geplanten Förderprogramms erstmalig Geld in Wertpapiere investieren, um für das Alter vorzusorgen. Eine große Mehrheit von 86 % der Befragten, die bereits in Fonds und Aktien für die Altersvorsorge investieren, würden durch das Angebot einer staatlichen Förderung noch mehr Geld anlegen. Nur 22 % aller Umfrageteilnehmer würden ihr Anlageverhalten deshalb nicht ändern.
Empfehlungen aus der Wirtschaft
Eine Studie des Deutschen Aktieninstituts in Kooperation mit der Deutschen WertpapierService Bank AG gibt Empfehlungen zur Einführung eines förderfähigen Altersvorsorgedepots in Deutschland, das auf Aktien setzt und langfristig höhere Erträge bieten soll:
- Aktienanlage erleichtern, auf Garantien verzichten: Die Studie empfiehlt, auf gesetzliche Garantien zu verzichten, um eine höhere Aktienquote und damit langfristig bessere Renditen zu ermöglichen.
- Unbürokratisch ein breites Angebot ermöglichen: Altersvorsorgedepots sollten ohne zusätzliche bürokratische Hürden angeboten werden, idealerweise von hochregulierten Finanzinstituten.
- Standardprodukte und individuelle Zusammenstellung: Es sollten Standardprodukte angeboten werden, die einfach und verständlich sind, aber auch die Möglichkeit zur individuellen Gestaltung bieten.
- Steuerliche Förderung attraktiver gestalten: Die steuerliche Förderung sollte erhöht werden, um die Nutzung von Altersvorsorgedepots attraktiver zu machen. Eine Anhebung der steuerlichen Absetzbarkeit auf mindestens 6.000 Euro wird empfohlen.
- Flexibilität in der Auszahlungsphase gewährleisten: Es sollten flexible Auszahlungsoptionen angeboten werden, die es ermöglichen, weiterhin in Aktien investiert zu bleiben.
Die Studie betont, dass die Nutzung des Kapitalmarkts, insbesondere durch Aktien, ein wesentliches Instrument für eine erfolgreiche Altersvorsorge ist. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Herausforderungen in Deutschland. Den Studienautoren zufolge sollte ein gesetzlicher Rahmen geschaffen werden, der auf positiven internationalen Erfahrungen aufbaut und den Kapitalmarkt stärker in die Altersvorsorge integriert.
Überblick zu ausländischen Konzepten
Die Studie des Aktieninstituts gibt auch einen Überblick zu staatlich geförderten Altersvorsorgemodellen in fünf Ländern.
Australien
- System: Das australische Altersvorsorgemodell, bekannt als „Superannuation“, ist ein obligatorisches System, das seit 1993 existiert. Es kombiniert betriebliche und private Altersvorsorge.
- Aktienquote: Altersvorsorgedepots in Australien haben eine durchschnittliche Aktienquote von etwa 49 %. Es gibt keine verpflichtenden Garantien, was eine höhere Rendite ermöglicht.
- Steuerliche Förderung: Beiträge zur Superannuation werden aus versteuertem Einkommen geleistet, jedoch gibt es Steuervergünstigungen je nach Einkommenshöhe. Die Erträge werden in der Auszahlungsphase gering besteuert.
- Flexibilität: Es gibt verschiedene Auszahlungsoptionen, darunter Leibrenten, Auszahlungspläne und Einmalauszahlungen. Die jährlichen Mindestentnahmen werden gesetzlich vorgeschrieben.
USA
- System: In den USA gibt es die „Individual Retirement Accounts“ (IRAs), die seit 1975 bestehen. Diese privaten Altersvorsorgedepots machen etwa 35 % des gesamten Altersvorsorgevermögens in den USA aus.
- Aktienquote: Die IRAs haben eine hohe Aktienquote von etwa 65 %. Auch hier gibt es keine verpflichtenden Garantien, was eine größere Renditechance bietet.
- Steuerliche Förderung: Beiträge zu traditionellen IRAs sind steuerlich absetzbar, und die Auszahlungen werden im Rentenalter versteuert. Es gibt keine festen Auszahlungspläne, jedoch sind Mindestentnahmen ab einem bestimmten Alter vorgeschrieben.
- Flexibilität: Es gibt verschiedene Auszahlungsoptionen, und die Sparer können das Kapital in verschiedene Anlageklassen investieren, darunter auch alternative Anlagen wie Immobilien oder Edelmetalle.
Kanada
- System: Kanada bietet seit 1957 den „Registered Retirement Savings Plan“ (RRSP) an, der ein weit verbreitetes privates Altersvorsorgesystem ist.
- Aktienquote: Im RRSP kann in eine Vielzahl von Finanzprodukten investiert werden, einschließlich Aktien. Garantien gibt es nicht, was zu einer potenziell höheren Rendite führt.
- Steuerliche Förderung: Beiträge zum RRSP sind bis zu einer Grenze von 18 % des Einkommens steuerlich absetzbar. Nicht genutzte Abzugsmöglichkeiten können in die kommenden Jahre übertragen werden.
- Flexibilität: Es gibt verschiedene Auszahlungsformen, einschließlich eines Auszahlungsplans oder einer Leibrente. Die Flexibilität ist hoch, da Gelder auch vor dem Rentenalter für bestimmte Zwecke abgerufen werden können.
Frankreich
- System: Frankreich hat 2019 den „Plan d’Épargne Retraite“ (PER) eingeführt, der eine private Altersvorsorge darstellt.
- Aktienquote: In den PER gibt es keine Beschränkungen bei der Wahl der Finanzprodukte, was eine flexible Anlage, einschließlich einer hohen Aktienquote, ermöglicht.
- Steuerliche Förderung: Beiträge zu einem PER können vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden, mit Höchstgrenzen von 10 % des Einkommens.
- Flexibilität: Es gibt verschiedene Auszahlungsoptionen, einschließlich der Möglichkeit, das Kapital vorzeitig für den Kauf eines Eigenheims oder in besonderen Lebenssituationen abzuheben.
Irland
- System: Irland bietet seit 2002 die „Personal Retirement Savings Accounts“ (PRSA) an, die eine private Altersvorsorge ermöglichen.
- Aktienquote: PRSAs bieten eine breite Auswahl an Anlageprodukten, und es gibt keine verpflichtenden Garantien.
- Steuerliche Förderung: Die Beiträge sind steuerlich absetzbar und steigen mit dem Alter an, wobei bis zu 40 % des Einkommens für ältere Sparer absetzbar sind.
- Flexibilität: Es gibt standardisierte Auszahlungsoptionen, und Mindestentnahmen sind ab einem bestimmten Alter vorgeschrieben.
In allen dargestellten Ländern spielen Altersvorsorgedepots eine wesentliche Rolle in der privaten Altersvorsorge. Diese Modelle sind durch hohe Aktienquoten, fehlende gesetzliche Garantien und attraktive steuerliche Anreize gekennzeichnet. Die Flexibilität bei der Auswahl der Anlageprodukte und der Auszahlungsoptionen ermöglicht es den Sparern, ihre Altersvorsorge individuell zu gestalten und von den langfristigen Erträgen des Kapitalmarktes zu profitieren.
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