Von Prof. Dr. Alexander Ludwig, European University Institute
Der demografische Wandel wird oft als Ursache für steigende Inflation diskutiert. Doch eine differenzierte Betrachtung zeigt, dass die Auswirkungen komplexer sind und nicht zwangsläufig zu höheren Preisen führen müssen.
Ich las es erneut: Der demografische Wandel, die demografische Alterung der Gesellschaft in den nächsten 15–20 Jahren und ein sinkender Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird zu Inflation führen. In der Debatte werden häufig zwei Argumente angeführt, beide mit Unzulänglichkeiten.
Das erste Argument lautet, dass ein Arbeitskräftemangel Löhne und damit Kosten der Unternehmen erhöht. Dies führe zu höheren Preisen. Zum einen ist dies jedoch ein realer Kostenschub, der zu einem realen Preisschub führen könnte. Dies hat aber nichts mit einem allmählichen Rückgang der Kaufkraft des Geldes, also mit Inflation, zu tun. Zum anderen ist die Übertragung eines solchen realen Kostenschubs auf reale Output-Preise nicht perfekt: Statt die Preise zu erhöhen, kann eine Firma ja auch die Gewinne senken, wenn es zu Kostensteigerungen kommt, oder auch anderweitig Kosten einsparen.
Das zweite Argument: Ältere konsumieren viel. Daher würde ein Anstieg dieser Bevölkerungsgruppe die Gesamtnachfrage erhöhen. Dies ignoriert, dass der Konsum der Älteren finanziert werden muss. Und ein großer Teil davon wird durch steigende Sozialversicherungsbeiträge der Erwerbsbevölkerung finanziert. Deren reale Nettoeinkommen werden also trotz steigender Bruttolöhne sinken, nicht steigen. Als Nettoeffekt wird es keinen Nachfrageschub geben.
Demografischer Wandel mindert Wachstum
Der demografische Wandel wird vielmehr die Wirtschaftstätigkeit verringern. Weniger Arbeitnehmer bedeutet weniger Produktion. Nettolöhne und Renten werden fallen, sei es durch steigende Sozialversicherungsbeiträge oder ein sinkendes Rentenniveau. Die Produktivität des Kapitals wird sinken. Es wird weniger Innovationen geben. All dies führt zu niedrigeren Kapitalrenditen, zu sinkenden Realzinsen. Abfedernd wird der auf neue Technologien wie KI ausgerichtete technische Wandel wirken. Wie stark, bleibt abzuwarten, dies wird aber kaum die negativen Auswirkungen überkompensieren.
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Was ist mit der Inflation? Aus demselben Grund, nämlich der geringeren Dynamik in alternden Gesellschaften und wegen einer No-Arbitrage-Beziehung zwischen realen Kapitalrenditen und nominalen Renditen auf Staatsanleihen, erwarte ich eine niedrige Inflation. Die realen und die nominalen Zinssätze werden also in den nächsten 15 Jahren niedrig sein oder weiter sinken.
Habe ich recht?
Meine Aussagen zu Realzinsen beruhen auf makroökonomischen Prognosemodellen, die den Trendrückgang der Realzinsen seit 1980 korrekt erfassen. Im April 2022 sagte ich einen vorrübergehenden Anstieg der Inflation auf mehr als 5 % voraus und im September 2023 einen Rückgang der Inflation auf unter 3 % 2024, da Corona und Krieg vorübergehende Angebotsschocks verursachten.
Werde ich also recht behalten? Prognosen für die nächsten 15 bis 20 Jahre sind immer ein unsicheres Unterfangen. Doch meine Aussagen beruhen auf fundierter makroökonomischer Modellierung und kritischer Reflexion.
Zum Autor
Prof. Dr. Alexander Ludwig ist seit 2024 Professor für Public Macroeconomics am European University Institute (EUI, Florenz). Zuvor war er Professor für Finanzwissenschaft und makroökonomische Dynamik an der Goethe-Universität Frankfurt. Seine Forschungsschwerpunkte sind dynamische Makroökonomie, öffentliche Finanzen und demografische Ökonomie. Zudem ist er Mitgründer der Frankfurt Quantitative Macro Group und in mehreren internationalen Forschungsprojekten aktiv.
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