Von Maximilian Kleyboldt, CFP®, FPSB Deutschland
Der digitale Nachlass ist ein wichtiger Aspekt der Finanzplanung, der häufig übersehen wird. Durch frühzeitige Planung und entsprechende Vollmachten kann man jedoch sicherstellen, dass das digitale Erbe gemäß den eigenen Wünschen verwaltet wird und Hinterbliebene entlastet werden.
Alles scheint nach dem Tod klar geregelt. Das Haus bekommt der Ehepartner, die vermietete Wohnung und das Wertpapierdepot die Kinder. Und eine größere Geldsumme geht ans Tierheim. Viele Menschen kümmern sich frühzeitig darum, was nach ihrem Ableben mit ihren Besitztümern geschehen soll. Was leider sehr häufig übersehen bzw. schlicht vergessen wird, ist das digitale Erbe. Das beinhaltet etwa Konten in sozialen Medien, E-Mail-Accounts, digitale Fotos, Online-Depots und vieles mehr.
Das bestätigt auch eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom aus dem vergangenen Jahr. Demnach haben nur die wenigsten Menschen hierzulande ihren digitalen Nachlass geregelt. Laut der Umfrage hat sich nur gut ein Drittel der Bundesbürger darum gekümmert, was nach ihrem Tod mit ihren E-Mail-Postfächern und Profilen in den sozialen Medien passiert. Lediglich 16 % haben demnach ihren digitalen Nachlass geregelt, 21 % haben dies teilweise erledigt. Rund die Hälfte der Internetnutzer schließt eine Regelung kategorisch aus. Weitere 15 % planen laut der Umfrage, sich künftig um den digitalen Nachlass zu kümmern.
Eine Erklärung für das Versäumnis könnte sein, dass viele Verbraucher zumeist gar nicht wissen, wo sie überall digitale Spuren hinterlassen und was genau dazu gehört. Dabei umfassen Nachlässe und Erbschaften immer häufiger auch digitale Bestandteile. Über die Jahre kommen da sehr viele Daten zusammen, zumal digitale Spuren auch unbewusst hinterlassen werden.
Die wenigsten Verträge enden mit dem Tod
Häufig übersehen werden beispielsweise virtuelle Geldbörsen (Wallets), der YouTube-Account mit möglichen Werbeeinnahmen, online abgeschlossene Verträge, etwa mit Versandhändlern oder Auktionsplattformen, sowie Zugriffsrechte auf ausschließlich online verwahrte Dokumente wie vielleicht Gehaltsabrechnungen, Kontoauszüge oder im Netz gespeicherte Gesundheitsdaten. Und die wenigsten dieser Verträge enden mit dem Tod. In der Regel verbleiben alle übermittelten und gespeicherten Daten auch nach dem Ableben beim jeweiligen Anbieter.
Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) geht das digitale Erbe komplett auf die erbberechtigten Hinterbliebenen über, sodass sie auf die Daten zugreifen dürfen – selbst wenn es sich um private Chats handelt. Laut BGH steht in diesem Fall das Erbrecht über dem postmortalen Persönlichkeitsrecht, dem Fernmeldegeheimnis sowie dem Datenschutz.
Wer erhält welche Daten?
Für den Erblasser ist es somit sehr bedeutsam zu regeln, wer nach seinem Ableben welche Daten erhält, in denen eventuell wertvolle Informationen über Vermögenswerte bis hin zu privatesten Geheimnissen gespeichert sind. Wichtig ist vor allem, dass auch die Erben Zugang im Todesfall erhalten und Kenntnis über den Zugang haben.
Nicht jeder Anbieter ist so fortschrittlich wie Apple. Der US-Konzern bietet für seine Kunden eine sogenannte digitale Nachlass-Verwaltung an. Die Nutzer von Apple-Geräten können so ihren persönlichen Nachlasskontakt bestimmen. Im Todesfall erhalten die Hinterbliebenen, nachdem sie dem Tech-Konzern die Sterbeurkunde des Verstorbenen übermittelt haben, Zugriff auf die in der iCloud gespeicherten Daten der verstorbenen Person. Und auch einige soziale Netzwerke wie Facebook bieten mittlerweile Möglichkeiten, Konten im Todesfall zu verwalten.
Allerdings reicht es nicht aus, auf weitere Angebote aus der Wirtschaft zu warten. Jeder einzelne von uns sollte vielmehr tätig werden. Denn es ist für die Hinterbliebenen nicht nur mühselig, Zugang zu allen Onlinekonten zu erhalten. Vielmehr besteht auch das Risiko, dass Kosten für Abos, Apps oder andere Dienste einfach weiterlaufen – die Kosten tragen dann die Erben. Außerdem sind viele Daten – ob Fotos, E-Mails, Kurznachrichten oder Gesundheitsdaten – zumeist unwiderruflich verloren, weil sie mit Passwörtern oder anderen Authentifizierungen geschützt sind.
Sorgsam mit digitalen Spuren umgehen
Was also ist zu tun? Die Herausforderung anzunehmen und sich schon zu Lebzeiten um Regelungen für den eigenen digitalen Nachlass zu kümmern, ist der wichtigste Schritt. Je sensibler und sorgfältiger bereits zu Lebzeiten mit den Spuren im Netz umgegangen wird, desto einfacher ist es für die Erben später, den digitalen Nachlass zu verwalten.
Sinnvoll ist es, zunächst eine Übersicht aller Accounts mit Benutzernamen und Kennwörtern zu erstellen. Eine solche Übersicht könnte man beispielsweise an einem sicheren Ort zu Hause aufbewahren oder in einer Vollmacht beziehungsweise in einem Testament hinterlegen. Es reicht nicht, den Schlüssel (das Passwort) in der Hand zu halten, aber das Schloss (die Benutzerkennung) nicht zu kennen oder umgekehrt. Ob man die Dokumentation schriftlich festhält und hinterlegt oder einen digitalen Passworttresor (in aller Regel in Form eines Masterpasswortes) nutzt, ist nicht entscheidend. Entscheidend ist allein, dass die Berechtige oder der Berechtigte weiß, wo sich die Informationen befinden und wie sie zugänglich sind.
Der Begriff „digitaler Nachlass“ verleitet oft dazu, sich ausschließlich auf Testamente oder in seltenen Fällen Erbverträge zu konzentrieren. Das ist nicht falsch, aber nicht ausreichend. Auch Vorsorgevollmachten und Betreuungsverfügungen sollten diese Informationen enthalten. In einer Vollmacht kann der Erblasser zudem frühzeitig festlegen, was nach dem Tod mit seinen Accounts, Passwörtern und anderen digitalen Spuren, wie Daten in Cloud-Diensten, passieren soll und wer die Zugriffsrechte erhält.
Und sofern es einen unternehmerischen Hintergrund gibt, sollte unbedingt zwischen Regelungen für den privaten und den unternehmerischen Nachlass getrennt werden.
In vielen Verfügungen von Todes wegen wie Testamenten oder Erbverträgen finden wir bis heute nahezu keine entsprechenden Angaben zu diesem Teil des Nachlasses. Selbst in aktuellen Entwürfen, auch von Notariaten, wird dieser Bereich häufig vollständig ausgeblendet. Offensichtlich sind sich die Menschen immer noch nicht wirklich bewusst, dass der digitale Nachlass einen echten Wert darstellt und dass darüber verfügt werden kann. Dass auch der digitale Nachlass vererblich ist, ist seit dem Facebook-Urteil des BGH klargestellt.
Vertrauensperson benennen und informieren
Empfehlenswert ist außerdem, sich mit den Nutzungsbedingungen (einschlägigen AGB) der in Anspruch genommenen digitalen Dienstleistungen und den jeweiligen anbieterspezifischen Regelungen vertraut zu machen, insbesondere für die Stellvertretung und die Fälle des Ablebens, Stichwort postmortale Nutzung. Grundsätzlich macht es Sinn, eine Vertrauensperson als digitalen Nachlassverwalter zu benennen, der sich nach dem Tod um die Rechte und Pflichten aus Verträgen mit Internetdiensten kümmert. Ratsam dabei: Suchen Sie das Gespräch mit der von Ihnen ausgewählten Person und unterrichten Sie diese in geeigneter Form über Ihre Wünsche für den Fall der Fälle.
Diese Hinweise umfassen natürlich nur einen Ausschnitt der möglichen Aktivitäten. Die rechtlichen Fragestellungen dieser Aspekte sollten zusätzlich mit dem persönlichen Rechtsberater erörtert werden. Klar ist jedoch: Jeder Erblasser sollte sich frühzeitig um die Regelung des eigenen Nachlasses kümmern, egal ob dieser aus klassischen Sachwerten wie einer Immobilie oder Aktien oder digitalen Werten besteht. Denn ohne Hinweise auf Benutzernamen, Passwörter oder PINs können im schlimmsten Fall sogar Vermögenswerte unerkannt bleiben. Das gilt insbesondere für Konten bei reinen Onlinebanken, PayPal-Guthaben oder auch Vermögenswerte in Kryptowährungen. In diesem Zusammenhang sollte man sich drei Fragen beantworten: 1. Was ist mir wichtig? 2. Wem vertraue ich? 3. Wie weit geht mein Vertrauen?
Das Wichtigste, das der Erblasser tun sollte, ist, aktiv zu handeln – und zwar zu Lebzeiten; am besten jetzt! Nur durch Dokumentation und aktive Ansprache des künftig Berechtigten kann der digitale Nachlass und sein Schicksal postmortal gesteuert werden – unabhängig davon, ob das die Erbin, der Erbe oder eine andere Person ist.
Das Thema „digitales Vermögen“ ist ein noch relativ junges Thema. Eine regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls eine Anpassung der jetzt gefundenen Lösungen ist ausdrücklich zu empfehlen.
Zum Autor
Maximilian Kleyboldt, CFP®, ist Direktor im Wealth Planning der Bethmann Bank und dort als Financial Planner und Estate Planner tätig.
Seine Schwerpunkte liegen in der Finanz- und Nachfolgeplanung sowie in der Strukturierung von Familien- und Stiftungsvermögen. Er berät Privatkunden, Unternehmer, Stiftungen und institutionelle Kunden. Darüber hinaus gehört er seit 2012 dem Vorstand des Financial Planning Standard Board Deutschland e.V. (FPSB Deutschland) an, dem Zertifizierungsverband der Finanzplaner und Generationenberater sowie Estate Planner in Deutschland.
Weitere Informationen zu den zertifizierten Finanz- und Nachfolgeplanern finden Sie auf der Homepage des FPSB Deutschland, einen zertifizierten Berater in Ihrer Nähe unter dieser Adresse.
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